(c) ZDF/Stefan Erhard

„Unterleuten“: Dorf der Intrigen

In dem Dreiteiler „Unterleuten“ zerbricht eine Dorfgemeinschaft im Streit um den Bau eines Windparks. Die gelungene ZDF-Verfilmung des Erfolgsbuchs von Juli Zeh zeichnet ein düsteres Bild vom Miteinander auf dem Land – enthält bei aller Überzeichnung aber auch einen wichtigen Appell.

Von Bärbel Arlt

„Sturm auf die besten Flächen“, so lautet die Überschrift auf den Seiten „Unternehmen & Recht“ in Ausgabe 10 der Bauernzeitung. Sie könnte auch für den Dreiteiler „Unterleuten – das zerrissene Dorf“ stehen, der momentan in der ZDF-Mediathek verfügbar ist. Denn als ein Windpark in Dorfnähe entstehen soll, beginnt ein erbittertes Ringen um Flächen, deren Verpachtung hohe Gewinne verspricht, und woran die Dorfgemeinschaft letztlich zerbricht. Aber ist es wirklich nur der geplante Windpark? Er ist es nicht, doch er reißt im Dorf alte, nie verheilte Wunden wieder auf – und schafft neue.

Unterleuten: Konfrontation statt dörflicher Idylle

Unterleuten ist ein fiktives Dorf irgendwo im Brandenburgischen – mit Gewinnern und Verlierern der Wende, mit Ewiggestrigen, mit einer süddeutschen Heuschrecke, die das große Geschäft wittert, und mit zugezogenen Städtern, die nach Idylle lechzen, sie aber nicht bekommen. Sie alle prallen pausenlos aufeinander – mal mehr, mal weniger.

Unterleuten - Schauspieler
„Unterleuten“: Schauspieler der ersten Garde (c) ZDF/Stefan Erhard

Da treffen gleich zu Beginn Rudolf Gombrowski (Thomas Thieme), Chef der ortsansässigen „Ökologica“, und die zugezogene und in Pferde vernarrte Linda Franzen (Miriam Stein) am Weizenfeld aufeinander: „Rufen Sie Ihren Hund zurück, der gehört an die Leine!“, fordert sie auf hohem Ross. „Ist das so?“ entgegnet Gombrowski. Und mit feindseligen Blicken reitet sie in die eine, er läuft mit dem unangeleinten Fidi in die andere Richtung. Eine Anfangsszene, die Spiegelbild für all das ist, was in den drei Teilen noch folgt. Denn in Unterleuten geht es nicht in eine Richtung, und an einem Strang zieht die Dorfgemeinschaft schon gar nicht. 

So bleibt es nicht so „sanft“ wie im Aufeinandertreffen von Gombrowski und Franzen, sondern gipfelt in einen blutigen Nachbarschaftsstreit zwischen dem finsteren und mürrischen Autoschrauber Schaller (Charly Hübner) und dem zugezogenen Dr. Fließ (Ulrich Noethen), der mit Frau Jule (Rosalie Thomass) und Baby aufs Land gezogen ist und um den im Naturschutzgebiet lebenden Kampfläufer kämpfen will. Zwei Menschen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Und deshalb eskaliert wohl gerade hier das dörfliche Miteinander. Zuerst vergiften brennende Autoreifen das Nachbarschaftsklima, am Ende ist es viel Blut. „Wir sind im Krieg, da gibt es keine Neutralität“, so das Resümee des zugezogenen Naturschützers.

Offene Rechnungen

Doch auch die Alteingesessenen tragen erbittert ihre Kämpfe aus – allen voran Gombrowski, einst Vorsitzender der LPG und noch immer der mächtigste Mann im Dorf, und Kron, einst LPG-Brigadier. „Gombrowski ist die DDR“, sagt Schauspieler Thomas Thieme über seine Rolle. Und Kron, gespielt von Hermann Beyer, ist „ein Unangepasster, für den es kein passendes System gibt, der immer fassungslos vor jedweder Form von Ideologie steht und darauf beharrt, dass Ungerechtigkeit menschengemacht ist.“ 



In die Herzen der Zuschauer spielt sich die tragische Hilde (Dagmar Manzel), die ihren Mann unter mysteriösen Umständen verloren hat, mit vielen Katzen zusammenlebt, Gombrowski liebt und von dessen Ehefrau Elena gehasst wird, die auch Gombrowski hasst, ihn aber dennoch verteidigt und am Ende verlässt. Oft zwischen den Stühlen steht Bürgermeister Arne Seidel (Jörg Schüttauf), der das Miteinander der Dorfgemeinschaft auf den Punkt bringt: „Ist gar nicht so einfach mit dem einfachen Leben.“

Nur einer scheint im Film von allem unberührt zu sein: Schriftsteller Wolf Hübschke (Bjarne Mädel), der in allen drei Filmteilen am Titel für ein Theaterstück feilt und mit Rasenmähen Bürgermeister Seidel verärgert. Und Schauspieler Alexander Held hat recht, wenn er den von ihm gespielten süddeutschen Investor Konrad Meiler als Träumer vom großen Glück in der Provinz beschreibt, der am Ende doch leer ausgeht. Mag sein, dass das bei dem einen oder anderen Zuschauer ein bisschen Schadenfreude auslöst.

Regisseur Matti Geschonneck hat die Rollen mit einem Staraufgebot besetzt, jeder spielt seine Rolle erstklassig und trifft genau die Charaktere im Roman von Jule Zeh.


„Unterleuten“ in der ZDF-Mediathek ansehen

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Düstere Stimmung

Doch so wie das Buch zeichnet auch der Dreiteiler ein durchweg düsteres Stimmungsbild ohne ein Fünkchen Aufbruchstimmung und zieht den Zuschauer mit hinein in einen Strudel voller Intrigen, Verrat, Hass, Wut und Selbstgerechtigkeit. Er muss erleben, wie ein Dorf sich abschafft. Der Film entlässt ihn nachdenklich, ja nahezu gelähmt und mit so mancher Frage: Ist es wirklich so schlimm und hoffnungslos um das dörfliche Miteinander bestellt? Und ob der vom Naturschützer verprügelte Dorf-Rückkehrer, das Verschwinden von Krons Enkeltochter, der Unfalltod von Linda Franzens Lebenspartner oder Gombrowskis Selbstmord – müssen diese Überspitzungen wirklich sein? 

Doch genau sie sind es, die wachrütteln und auffordern, ins eigene Dorfleben zu schauen – ist es genauso wie in Unterleuten oder ist es anders? Und wie verändern Windräderpläne heute die Dörfer? Auch die Stadtflucht aufs Land hält unvermindert an und Konflikte bleiben nicht aus. Dennoch – und das erleben wir bei unseren Dorf-und-Familie-Reportagen oft – integrieren sich die „Zugezogenen“ ins dörfliche Leben, wollen dabei sein, mitgestalten und „Alteingesessene“ heißen sie durchaus willkommen.

So schlimm wie in Unterleuten ist es also ums dörfliche Leben doch nicht bestellt. Aufeinander zugehen, sich zusammenraufen, auch wenn die Gräben noch so tief sind, und nicht in verschiedene Richtungen reiten und laufen – das ist die Botschaft von Roman und Dreiteiler, der noch bis 2. September in der ZDF-Mediathek zu sehen ist.