Feinste Pralinen - an manchen Tagen entstehen in der Schokoladenmanufaktur 6000 davon am Tag. (c) Bärbel Arlt

Schokoladenmanufaktur in Wolgast

Händchen für süßes Handwerk

Das Leben schreibt manchmal köstliche Geschichten. So hat es Torsten Riel von Sachsen-Anhalt nach Wolgast verschlagen, wo er sich seinen Lebenstraum von der eigenen Schokoladenmanufaktur verwirklicht hat.

Von Bärbel Arlt

Morgens kurz nach neun in der Hansestadt Wolgast: Es ist trist und regnerisch und so zieht es kaum jemanden zum Bummeln in die Stadt. Auf dem Marktplatz vor dem historischen Rathaus und in den Geschäften herrscht gähnende Leere. Wobei – es gibt eine Ausnahme: die Schokoladenmanufaktur in der Conditorei Biedenweg, abgelegen in einer kleinen Seitenstraße jenseits von Markt und Dom. Wer hier an diesem Morgen den Laden betritt, kommt nicht zufällig vorbeigeschlendert, sondern gezielt und wohl wissend, dass Schokolade und Pralinen nicht vom Band sind, sondern von Hand und mit viel Herzblut kreiert werden – von Konditormeister und Chocolatier Torsten Riel.

Aus dem Dauerurlauber wird ein Nachbar

Der 43-Jährige stammt aus Halle in Sachsen-Anhalt: „Hört man ja“, sagt er und rührt dabei Schokoladenmasse in einer Schüssel. Und auf die Standardfrage, wie es denn einen Sachsen-Anhalter an die Küste verschlage, kommt kurz und knapp die Antwort: „Urlaub.“ Fragende Blicke. Ein bisschen Nachschlag darf es schon sein, bitten wir ihn. Also gut, dann eben die ganze Geschichte: „Ich war leidenschaftlicher Ostseeurlauber, erzählt er. Immer in Lubmin, immer am „Knirk“. Manchmal bis zu acht Mal im Jahr. Und immer in Hütte 21 mit Blick aufs Wasser. „Da ist es gemütlich, ruhig und nicht so überfüllt wie auf Usedom.“

Dort lernte er auch viele Einheimische kennen, schloss Freundschaften. Und den Freunden erzählte er natürlich auch davon, dass er Konditor ist, der sein Handwerk von der Pike auf gelernt hat – in der Konditorei Schade in Halle an der Saale, einem traditionsreichen Familienbetrieb, der einst Hoflieferant für Königs- und Fürstenhäuser war und dessen Geschichte bis ins Jahr 1586 zurückreicht – und 2017 endete. „Ja, die Konditoreien sterben aus. Alle rennen nur noch in Backshops und geben sich mit schlechter Qualität zufrieden“, wettert Riel und macht mit seiner Schokoladenvita weiter: 2000 legte er seine Meisterprüfung ab und ab 2002 arbeitete er 14 Jahre als Schichtleiter in der Confiserie bei Halloren in Halle, 1804 gegründet und damit eine der ersten deutschen Schokoladenfabriken.

2016: Schokoladenmanufaktur in Wolgast eröffnet

Aber irgendwie, und vom Vater immer wieder bestärkt, war da stets der Wunsch, sich selbstständig zu machen. Und wie das unter Freunden so ist, kam dann eines Tages der Tipp: Frag doch mal den Reinhard Knappik in Wolgast, der sucht einen Nachfolger. Torsten Riel, kein Kind langen Zögerns, fragte und siehe da, es klappte. Er zog nach Wolgast, übernahm das Traditionscafe in der Stadt am Peenestrom, verwandelte ein, wie er sagt „hässliches Büro“ in eine attraktive Schokoladenmanufaktur und eröffnete sie am 2. Dezember 2016.

Sicher gab es damals auch Skeptiker, die meinten: Mach das lieber nicht. Überleg dir das gut. Doch davon ließ sich er sich nicht beirren. Heute – drei Jahre später – steht für ihn fest: „Ich habe mich richtig entschieden, bereue nichts.“ Denn seine Schokoladenmanufaktur ist beliebt und an diesem Samstagmorgen geben sich Kunden nahezu die Klinke in die Hand.

Schokoladenmanufaktur: Täglich bis zu 6000 Pralinen

„Wir stellen Schokoladentafeln und 30 verschiedene Sorten Pralinen her,“ sagt Riel, der täglich bis zu 6.000 Pralinen zaubert – für Privat- und Onlinekunden, für Firmen und mit saisonalen und individuellen Motiven. Und was es da alles gibt: fruchtige Erdbeer- und Himbeerherzen, Chili- und Mangopyramiden, verführerische Sanddorntrüffel und Holunderblütentöpfchen. Doch der absolute Renner ist die Biedenweg-Tasse, eine doppelt gefüllte Praline und nach Arthur Biedenweg benannt, der das Café gründete.

Eine der jüngsten Kreationen aus seiner Schokoladenmanufaktur in Wolgast ist die nach Töchterchen Pauline benannte Paulinenpraline. Und darf denn die Anderthalbjährige Papas süße Köstlichkeiten auch schon vernaschen? „Irgendwann schon“, sagt er, „aber erst soll sie lernen, wie Obst und Gemüse schmecken“. Und wie steht es um das Naschvergnügen des Meisters? „Von meinen Produkten esse ich wenig, würde ja sonst meinen Umsatz schmälern“, lacht er und schiebt nach: „Ich mag aber auch ganz gern ein Schnitzel mit Mischgemüse.“

Und während er die Schokoladenmischung in sogenannte Hülsen füllt, erzählt er fast beiläufig, dass er schon seit morgens drei Uhr auf den Beinen ist. Das ist ja wie beim Bäcker, staunen wir. „Klar ist es das, ich bin ja auch einer“, sagt er und führt uns ins hundertjährige Traditionscafé, mit dem die Schokoladenmanufaktur verbunden ist. Ob Brot, Brötchen, Kuchen oder Torten, von denen eine schöner als die andere ausschaut – alles ist aus eigener Herstellung.

Schokoladenmanufaktur: Erst Wolgast, dann Greiswald?

„Hier hält kein Lkw, der alles ablädt“, versichert er. „Es ist nun mal kein Zuckerschlecken, um im Leben etwas zu erreichen.“ Und erreichen möchte er so einiges. So gibt es Pläne, auch in Greifswald eine Filiale zu eröffnen: Die Hansestadt boomt und Riel möchte dort mit seinen verführerischen Produkten mittendrin und ganz nah an den Kunden sein. Zum Abschied noch kurz die Frage, wie es denn um die Hütte 21 in Lubmin steht. „Nie wieder dagewesen“, sagt er.


Die Schokoladenmanufaktur

In der Konditorei Biedenweg
Lange Straße 15
17438 Wolgast
www.schokoladenmanufaktur-biedenweg.de


Wir kaufen noch schnell ein paar Pralinen und nehmen einen Flyer mit, auf dem kleingedruckt steht: Weltrekordhalter Torsten Riel. So hat er 2005 die größte Katzenzunge der Welt hergestellt – 1,80 Meter lang und 112 Kilogramm schwer. 2008 folgte die größte Mozartkugel der Welt, die 196,9 Kilo auf die Waage brachte und es ins Guinessbuch der Rekorde geschafft hat. Und 2017 schuf er die kleinste gefüllte Praline der Welt – nur drei Millimeter groß und 0,3 Gramm leicht.

Schau an, von diesen Weltrekorden hat uns der Konditormeister und Chocolatier gar nichts erzählt – vielleicht weil er in Gedanken schon am nächsten Weltrekordversuch arbeitet? Doch verraten hat er uns, dass er im Januar vom 22. bis 26. Januar bei der Grünen Woche dabei ist. „Das wird richtig geil.“