Im Hofladen der Dörnthaler Ölmühle verkauft Inhaberin Christl Braun kalt gepresstes Leinöl sowie andere Öle und regionale Produkte. (c) Sabine Rübensaat

Braun Mühle Dörnthal: Kassler, Klitscher, Kaltgepresstes

Ein Blick auf die Speisekarte der Braunmühle im erzgebirgischen Dörnthal macht Appetit auf regionale Gerichte mit kuriosen Namen.

Von Wolfgang Herklotz

Probiere ich den Buttermilchgetzen oder lieber den Müllerlatsch? Ich kann mich nicht entscheiden und brauche Hilfe. Beim ersten Gericht, klärt mich Gunter Braun auf, handelt es sich um eine Spezialität aus dem Erzgebirge, die schon seit vielen Generationen auf dem Speiseplan steht. „Weil sie überaus schmackhaft ist und auch sehr Hungrige sattmacht!“

Doch die Zubereitung, erfahre ich, ist gar nicht so einfach. Denn die gekochten und geriebenen Kartoffeln werden mit Buttermilch zu einer schlotzigen (Fachbegriff für Kenner!) Masse verrührt und mit Salz, Kümmel und etwas Knoblauch gewürzt, ehe sie in den Backofen geschoben werden. Wenn sie richtig knusprig braun sind, werden sie entnommen und wahlweise mit Speck, Apfelmus oder Heidelbeeren serviert.

Die Kunst besteht darin, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, wenn der Getzen aus dem Ofen muss, verrät Braun. „Es kann passieren, dass er zu kross wird oder zusammensackt. So etwas bieten wir aber unseren Gästen natürlich nicht an.“

Aktuelle Ausgabe
Bauernzeitung 17/2024

Unsere Top-Themen

  • BraLa 2024: Trecker, Tiere und Talente
  • Strategien im Maisanbau
  • Wertvoller Wirtschaftsdünger
  • Märkte und Preise
Zur aktuellen Ausgabe

Braun Mühle Dörnthal: Geschichte reicht bis ins Mittelalter

Da habe ich keine Bedenken, entscheide mich dann aber doch lieber für den Müllerlatsch. Hinter dieser saloppen Bezeichnung verbirgt sich Kassler im Klitscherteigmantel mit Sauerkraut. Als Klitscher werden im Erzgebirge die in Leinöl gebratenen Kartoffelpuffer bezeichnet. Diese harmonieren ganz wunderbar mit dem gepökelten Schweinefleisch, stelle ich sofort fest, und nehme auch den dazu gereichten Salat mit Gurken und Tomaten dankbar an. „Gute Entscheidung“, meint Gunter Braun, „der Müllerlatsch ist auch mein persönlicher Favorit!“ Das will schon etwas heißen, schließlich ist Braun Inhaber der gleichnamigen Mühle in Dörnthal, einem Ortsteil der Stadt Olbernhau im Erzgebirgskreis.

Wir sitzen am Holzbackofen, der eine behagliche Wärme ausstrahlt und in den ein weiteres Blech mit Buttermilchgetzen geschoben wird. Die Mühle wurde schon von Großvater Gustav Braun betrieben, erfahren wir. Doch die Geschichte reicht weit bis ins Mittelalter zurück, weil bereits im Januar 1559 ein gewisser Valentin Erler das Gut mitsamt Mühle für 850 Gulden erwarb. Sie blieb jedoch lange Zeit ungenutzt und wurde schließlich nach dem Bau einer neuen Mühle abgerissen.

Diese, im Wohnhaus untergebracht, wurde zum Mahlen von Getreide sowie Öllein genutzt und gelangte schließlich Anfang des vergangenen Jahrhunderts in den Besitz des bereits erwähnten Gustav Braun. Bis zum Jahre 1945 war die hölzerne Anlage, mit Ölpresse und Stampfwerk ausgestattet sowie von einem großen Wasserrad angetrieben, in Betrieb. Nach diversen Umbauten wurden hier noch Futtermittel produziert, doch da drehte sich das Mühlrad schon lange nicht mehr, weil an seine Stelle eine Wasserturbine trat.

Braun Mühle Dörnthal
In der Braunmühle von Müller Gunter Braun serviert Claudia Beckert regionale Gerichte. (c) Sabine Rübensaat

Immer für einen flotten Spruch zu haben

„Wenn Sie noch mehr wissen wollen, müssen Sie das mal durchlesen“, meint Gunter Braun und schiebt uns ein grünlich bedrucktes Blättchen zu. Die Ausgabe 13 von „Brauns Mehlsack-Sitzer Report“ mit historischen Aufnahmen und nachfolgender Speisekarte bietet so manches zum Schmunzeln.

Dies entspricht durchaus dem Naturell des gelernten Müllers, der nach der klassischen Ausbildung noch ein Fachhochschulstudium absolviert hatte. Braun ist immer für einen flotten Spruch zu haben. Der Müller an sich sei ein nettes, ruhiges Kerlchen, meint er. Aber was passiere, wenn ihn mal die Arbeitswut packe? Wir wissen es nicht und bitten um Aufklärung. „Dann setzt sich der Müller auf den Mehlsack und wartet gaaaaanz ruhig, bis dieser Anfall vorbei ist.“

Doch Gunter Braun hat wohl das ganze Gegenteil davon demonstriert. Denn um das Erbe seines Großvaters und Vaters zu erhalten und dem drohenden Verfall der Mühle zu begegnen, waren enorme Anstrengungen nötig, körperlich wie finanziell. „Erhalten durch Nutzen“, lautete sein Credo für die umfangreiche Sanierung der alten Räume, die zu einer rustikalen Gaststätte umgebaut wurden. Typische Mühlenelemente wie der Aufzug oder die hölzerne Rutsche für die Mehlsäcke blieben erhalten, die Küche hingegen wurde mit moderner Technik ausgestattet. Dort ist der Chef selbst im Einsatz, allerdings nicht am Herd.

Bier in der Braun Mühle Dörnthal

Er putzt und schnippelt Gemüse, sorgt für die sogenannte kalte Küche und vieles mehr, damit die Köchin freie Hand hat. „Ich tue, was getan werden muss“, sagt Gunter Braun. Stolz zeigt er uns die obere Etage, wo mehrere Edelstahltanks stehen. Seit mehr als einem Dutzend Jahren wird in der Braunmühle Bier gebraut. Der naturtrübe Hopfensaft wird nach fünf bis sechs Wochen Reifezeit wahlweise als dunkles oder helles Bier ausgeschenkt, zwischen 60 und 80 Hektoliter pro Jahr.

Braun Mühle Dörnthal
Tradition verpflichtet: In der historischen Braunmühle von Dörnthal im Erzgebirge wird auch Bier gebraut – zwischen 60 und 80 hl im Jahr – und Mühlenbrot gebacken. (c) Sabine Rübensaat

Musste der mittlerweile 55-Jährige dafür noch mal eine besondere Ausbildung aufnehmen? „Nein, für einen Müller ist das Bierbrauen nichts Fremdes“, erklärt er. Im Studium habe er schon eine ganze Menge mitbekommen, sich den Rest durch Lektüre angeeignet. Die Braugerste bezieht er aus dem fränkischen Bamberg, den Hopfen teilweise aus der sächsischen Lausitz. Die Gaststätte ist trotz Wochenmitte an diesem kalten Wintertag gut gefüllt.

Gastronomie in Zeiten von Corona

Zu den Gästen, die es sich hier schmecken lassen, gehört Roswitha Schlegel. Sie ist mit ihrem Lebensgefährten aus dem Saarland angereist, stammt aber aus der Region und besucht hier regelmäßig ihren Bruder. „Ich finde es großartig, dass solch alte Gebäude wie die Braunmühle weiter existieren. Das Essen ist phantastisch“, sagt sie und genießt dann ihren Sauerkrautgulasch mit Mühlenbrot-Knödeln. Eigentlich sei heute hier noch relativ wenig los, erklärt Gunter Braun. Die Mühle mit ihren Spezialitäten ist für viele Liebhaber der erzgebirgischen Küche ein fester Anlaufpunkt. Doch Corona hat auch dem umtriebigen Gastwirt sehr zu schaffen gemacht.

„Das war ein Schlag ins Kontor, als wir über viele Monate dichtmachen mussten“, erklärt Gunter Braun. Die Hilfen vom Staat waren willkommen, konnten jedoch nur einen sehr geringen Teil der Ausfälle kompensieren. Nun, wo es wieder aufwärts gehe, drohe neues Ungemach durch explodierte Preise für Strom, Öl und Gas. „Wir werden den Gürtel wieder enger schnallen müssen“, betont er. Was bedeutet, dass dringend nötige Investitionen in die Sanierung des Mühlenrades und der Außenfassade weiter verschoben werden müssen. Doch Braun wäre nicht Braun, wenn er deshalb Trübsal blase. „Man muss flexibel sein und das Beste aus der Situation machen. Das haben wir schon zu DDR-Zeiten gelernt!“

Leinöl seit vier Generationen

Beim nochmaligen Blick auf die Speisekarte machen wir eine doch etwas schockierende Entdeckung. Was zum Himmel verbirgt sich hinter einem „kleinen Stinktier auf Mühlenbrot“? Gunter Braun lacht und verrät uns, dass es um den allseits beliebten, freilich etwas streng riechenden Harzer Käse geht. „Den legen wir in deftigem Knoblauch-Leinöl ein.“

Das aus Öllein gepresste Öl wird auch bei vielen anderen Gerichten reichlich verwendet und stammt aus der nur wenige hundert Meter entfernten Mühle, die wir noch unbedingt besuchen müssen. Denn sie wird von Gunter Brauns Schwester Christl betrieben. Seit vier Generationen schon wird dort kaltgepresstes Leinöl hergestellt.

Obwohl unser Besuch nicht angemeldet ist, nimmt sich die Chefin Zeit und führt uns durch den alten Fachwerkbau. In dessen Obergeschoss steht eine Schneckenpresse von 1957, die noch tadellos funktioniert. Hier wird die gequetschte und vorgewärmte Leinsaat vorgepresst, eine Filterpresse anno 1926 sorgt dann dafür, dass das goldgelbe, nussig duftende Öl in den Tank fließt. Der Samen enthält wertvolle Inhaltsstoffe wie Zellulose, Proteine und Enzyme, erklärt Christl Braun. „Wir bieten unser Öl gefiltert und ungefiltert an, natürlich auch als Bioprodukte.“ Voraussetzung dafür ist, dass beim Anbau keine Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen. Den beim Pressen anfallenden Ölkuchen, der viel Rohprotein enthält, verkauft sie an einen Mischfuttermittel-Hersteller in der Region.

In der Ölmühle werden jährlich bis zu 2.000 t Öllein verarbeitet, die mangels anderer Anbieter vor allem aus Kasachstan kommen. Lediglich 50 t stammen aus regionalem Anbau, so aus Dippoldiswalde, Pockau-Lengefeld und Großschirma.

Mehr Anbauer aus der Region gewünscht

„Wenn es nach mir ginge, könnte dieser Anteil viel größer sein, regionale Kreisläufe sind so wichtig“, versichert Christl Braun. Ihr Bioleinöl liefert sie an den Großhandel. Das Leinöl aus Dörnthal findet deutschlandweit und sogar in der EU Absatz. Wer will, kann es auch im Hofladen kaufen. Der ist an diesem Tag ebenfalls gut besucht, und Verkäuferin Maika Ebert nimmt sich dennoch gern die Zeit, um ein paar nette Worte mit den Kunden auszutauschen. Denn trotz aller Geschäftstüchtigkeit geht es immer auch gemütlich zu im Erzgebirge …

Auch interessant
Auf der Wiese mit weißen Edelziegen
Die Gründung einer Genossenschaft haben Vera Breuninger, Anne Fiedler und Katrin Madela (v. l.) im Blick. (c) Silvia Kölbel