Heidelbeeren: Das blaue Sommerwunder

Sie ist leicht, extrem lecker, super gesund – die Heidelbeere. Vernascht wird die Frucht des Sommers am besten erntefrisch gekauft oder selbst gepflückt – wie im brandenburgischen Klaistow.

Das Interview führte Bärbel Arlt, Fotos: Sabine Rübensaat

Auf den Plantagen des Spargel- und Erlebnishofes nahe Potsdam herrscht in diesen Tagen Hochbetrieb. Vor allem Familien zieht es zu stattlichen Sträuchern – wie die neunjährige Jolina, die mit Mama Sandra und Oma Margitta aus dem brandenburgischen Nexdorf fleißig am Pflücken ist und viel Spaß dabei hat. Und die Sträucher sind auch prall gefüllt – so zumindest unsere Einschätzung. Ernst-August Winkelmann, Inhaber des Spargel- und Erlebnishofes, sieht das etwas anders. Wir haben mit ihm gesprochen.

Jolina plückt in ihren Ferien mit Mama Sandra und Oma Margitta die leckeren Beeren selbst.

Wie schätzen Sie die diesjährige Heidelbeersaison auf Ihren Plantagen in Klaistow ein?
Was an den Sträuchern gewachsen ist, ist leider weniger als wir gern hätten. Der kleine Wintereinbruch im März und die Spätfröste im Mai haben den Ertrag um 30 bis 40 Prozent reduziert. 1.400 Tonnen hatten wir in dieser Saison geplant. Wenn es 900 bis 1.000 werden, können wir uns glücklich schätzen. Aber ich will nicht klagen, es hätte schlimmer kommen können. Und die Endkunden werden den geringeren Ertrag nicht spüren.

Vertragen die leckeren Beeren keine Kälte?
Wenn sie in der Winterruhe sind schon, da machen ihnen auch minus 20 Grad nichts aus. Doch im Entwicklungsstadium und während der Blüte können sie Kälte nicht ab. Hinzu kommt die Coronakrise. Die Beeren werden unter strengen Abstandsregeln, Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen geerntet. Daran müssen sich alle Selbstpflücker halten. Und unsere rund 350 Erntehelfer aus Polen und Rumänien sind die gesamte Zeit über komplett in Quarantäne.

Wie kam die Heidelbeere eigentlich nach Klaistow? Ist sie dort schon von je her heimisch?
Aus Erzählungen weiß ich, dass die Menschen so um 1900 zum Blaubeerkämmen in die Wälder nach Wiesenburg und die Ruppiner Heide gefahren sind. Wir haben die Blaubeere 2004 in der Beelitzer Region gepflanzt, eignet sie sich doch nach der Spargelsaison Ende Juni mit einer Erntezeit von Juli bis September wunderbar als nachfolgende Dauerkultur. Zudem findet die Pflanze hier die passenden Bedingungen. Sie braucht einen sauren, humosen und luftdurchlässigen Boden mit einem pH-Wert von 3,5 bis 4,5 und gedeiht dort gut, wo im Boden Mykorrhizapilze, also verpilzte Wurzeln, vorhanden sind, mit denen sie eine Symbiose eingehen können. Und die märkischen Kiefernwälder sind dafür ideal. Auch kann die Heidelbeere mit trockenen und warmen Sommern ebenso gut umgehen wie mit kalten Wintern. Mit zehn Hektar sind wir 2004 gestartet, heute sind an diesem Standort 180 Hektar, und wir bauen vier verschiedene Sorten an – Duke, Reka, Bluecrop und Elizabeth.

Welche Sorte schmeckt am besten?
Alle sind superlecker und auch immer süß – vorausgesetzt, sie werden reif gepflückt. Die blaue Färbung allein ist übrigens kein Zeichen von Reife. Man sollte auf den Stielansatz achten. Ist der noch hell, ist die Beere nicht reif und schmeckt etwas säuerlich.

Prall und leuchtend blau hängen die Beeren an den Sträuchern. Ist der der Stielansatz noch hell, sind sie allerdings noch nicht ganz reif.

Sind weitere Pflanzungen geplant?
Wir haben aufgrund von Corona und auch des weltweit rasant zunehmenden Anbaus von Heidelbeeren vor allem in Südamerika, aber auch in Europa bei unseren Expansionsplänen etwas auf die Kupplung getreten.

Was heißt das konkret?
Dass wir sehr intensiv die Entwicklung beobachten. Aufgrund der zu erwartenden Angebotsschwemme dürfte das Geschäft mit dem Handel deutlich schwieriger werden – vor allem auch hinsichtlich der Preisgestaltung. Und wird der Verbraucher bereit sein, für deutsche Produkte mehr zu bezahlen? Ich sehe den Anbau in Deutschland in seiner Gesamtheit für die Zukunft durchaus kritisch.

Hochbetrieb auf der Heidelbeer-Plantage.

Macht Ihnen diese weltweite Konkurrenz Angst?
Wir geben nicht klein bei und werden auch weiter investieren. Ganz oben auf der Agenda steht der Frostschutz, der sehr kostenintensiv, aber zwingend notwendig ist. Zwar ist die Heidelbeere in Bezug auf Wetterkapriolen gegen über anderen Kulturen wie der Erdbeere relativ widerstandfähig. Aber wie schon gesagt, Spätfröste können ihr arg zusetzen und in einer Nacht die Ernte vernichten. Auf einigen Flächen haben wir bereits Frostschutzanlagen im Einsatz und einen hundertprozentigen Ertrag. Wichtig ist natürlich auch die richtige Beregnung, die bei uns über Wasser sparende Tröpfchenbewässerung erfolgt und für Obst- und Gemüsekulturen bei uns in Brandenburg überlebenswichtig ist.


Thomas Bröcker

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Bewässerung ist das eine, Pflanzenschutz das andere …
Wir düngen in kleinen Mengen Kalium und Magnesium und verwenden Pflanzenstärkungsmittel, wie sie auch im Bioanbau eingesetzt werden. Geerntet wird ausschließlich per Hand. Unkräuter werden per Hand entfernt, und auch der Schnitt im Herbst erfolgt in Handarbeit. Pro Hektar dauert das im Schnitt an die 500 Stunden. Und dabei darf man nicht vergessen, dass die Heidelbeere eine Diva ist und Pflegefehler nicht verzeiht. Fehlt ihr etwas, zeigt sie es spät, doch dann ist es meist zu spät. Heidelbeeranbau, so meine Einschätzung, macht man nicht mal so nebenbei.

Welche Schädlinge können der köstlichen Blauen gefährlich werden?
Gegen Pilzkrankheiten ist sie eher unempfindlich. Wir müssen aber auf den Frostspanner aufpassen. Größter Feind ist die Kirschessigfliege. Sie fernzuhalten ist schwierig. Wir versuchen es mit Fallen. Und zum Glück haben wir sie bisher noch nicht in den Plantagen gehabt. Wir stehen in Zukunft also vor großen Herausforderungen.

Hat denn die Heidelbeere in Deutschland eine Zukunft?
Was unseren Betrieb betrifft, bin ich durchaus sehr zuversichtlich. Denn ich verbinde Qualität mit Frische, und dazu gehören regionale Herkunft und kurze Wege zum Endverbraucher. Produkte aus der Region für die Region werden das Rennen machen, da bin ich mir sicher. Hinzu kommt, dass die Heidelbeere gesundes Superfood ist und seit Jahrhunderten ein altbewährtes Heilmittel. Übrigens – mein jetzt 90-jähriger Vater isst seit Jahren in der Spargelsaison täglich ein Kilo der edlen Stangen und gönnt sich täglich einen Heidelbeerlikör. Das sagt doch alles, oder?