Sabine Kleist (l.) offeriert ihren Besuchern Pflanzgefäße und Übertöpfe, Vasen, Kerzenhalter und mehr hübschen Krimskrams in Symbiose mit Tina Tischendorfs Café. Ob originelles Interieur, Torten und Kuchen – nichts ist von der Stange und in Vielfalt und Gemeinsamkeit ein hübsches Ambiente erzeugend. Die beiden starten auf einem fast 400 Jahre alten Anwesen im brandenburgischen Sommerfeld mit einer Melange aus Blumenladen und Café neu durch.

Aussitzen oder Gegenhalten?

Investieren, Neues wagen in einer Krise? Ja!, sagen eine Floristin und eine Event-Managerin. Gemeinsam betreiben sie die „HofKultur“, eine Symbiose von Blumenladen und Café in Sommerfeld vor den Toren Berlins. Und sie schmieden Pläne. Nun kommt alles auf Corona an.

Von Jutta Heise
(Text und Fotos)

Da sind die einen: Investieren, etwas Neues wagen in diesen Zeiten – da kann man nur abraten! Sie lassen wir außen vor, was haben sie schon zu erzählen? Da sind jene, für die Aussitzen keine Option ist, die gegenhalten, nicht weinend in der Ecke sitzen wollen. Und da sind Dritte, die von sich sagen: Wir sind gut dran, denn wir haben den Platz für das nächste Stück unseres Lebens gefunden, vor der Krise. Wie Sabine Kleist und Winfred Günther. 2004 hat das Paar dieses beinahe 400 Jahre alte Anwesen in Sommerfeld gekauft: einstiger Dreiseithof, Leerstand über drei Jahre, typisch brandenburgisch, direkt an der Straße, aber, was für ein Glückstreffer, viel Land drum herum. Gerade das hat man haben wollen. Ruhe, Entschleunigung, Nähe zur Natur. 20 Jahre lang hat Sabine Kleist in Berlin Sträuße gebunden, Kränze, Tischschmuck: erfolgreich, mit Gespür für Formen und Farben. „Die Floristik war für mich noch ein Abenteuer, als ich im Beruf anfing.“

Aber nach zwei ahrzehnten mit einer 60-Stunden Arbeitswoche sei diese Herausforderung ausgereizt, scheint ihr. Kleists Mann Winfred Günther, Bau-Ingenieur und dem Hörensagen nach einer mit vielen Fähigkeiten, sieht die Potenzen, die im bejahrten Gemäuer stecken. Am Ende aller Überlegungen ist klar, „dass wir irgendwann unseren Lebensmittelpunkt hierher verlegen würden“, so Sabine Kleist. Vorher gibt es zu tun, viel zu tun, über Jahre. Man entkernt das alte Wohnhaus, gestaltet es neu, dann Einzug gemeinsam mit der Tochter und ihrer Familie, die im Oberstock wohnen. Ein Beieinander der Generationen, so haben es sich alle gewünscht. Zugleich ist es eine Herausforderung. An den Pferde- und Kuhstall wird ein neuer Gebäudeteil angesetzt – für einen kleinen Blumenladen, so ganz ohne Floristik geht es dann doch nicht. Umgeben von Wiesen, Weiden, Feldern, Wäldern, setzt Sabine Kleist mehr denn je auf Natürlichkeit.

Kitzelnder Paarlauf

Das Kuchenangebot der "HofKultur"
Das täglich frische, hausgemachte Kuchenangebot.

Fast das größte Lob: Nachbarn, die selbst Blumen im Garten haben, kaufen bei ihr – zu besonderen Gelegenheiten. Und man versteht sich, nach anfänglicher Zurückhaltung beiderseits. Aber die Kundschaft bleibt überschaubar. Für ihre Berliner, die ihr eigentlich die Treue geschworen hatten, ist mit der Zeit der Weg zu weit. Irgendwann wirft irgendwer die Idee in die Runde, Dinge zu paaren, die unsere Sinne kitzeln. Was spricht eigentlich dagegen, als Fortsetzung des Blumenladens ein Café einzurichten, ohne Trennwände, ineinander übergehend? Eine pragmatische wie ästhetische Symbiose, im Ein-Frau-Betrieb nicht zu bewältigen. Man tut sich mit Freunden zusammen, die schon bewiesen haben, dass sie viel von Gastronomie verstehen. Die „HofKultur“ eröffnet im April 2019. Es läuft. Doch bald stellt sich heraus: Wer privat auf einer Wellenlänge schwimmt, muss das nicht zwingend auch als Geschäftspartner tun. Besser, jeder geht wieder seine eigenen Wege, um der Freundschaft willen. Corona kommt.

Perfekter Boxenstopp

Ende August dieses Jahres kann die „HofKultur“ erneut Gäste willkommen heißen. Während Sabine Kleist gewohnt souverän das Floristik-Geschäft managt, heißt die neue Pächterin des Cafés Tina Tischendorf: Event-Managerin aus Berlin, 25 Jahre Berufserfahrung, mentale und verwandtschaftliche Bindung ans flache Land, vernetzt, zierlich, eloquent. Ein Typ, der von Schockstarre so gar nichts hält. Zwei Jahre, schätzt sie, wird die Veranstaltungsbranche schon nach jetzigem Stand brauchen, um wieder auf die Beine zu kommen. Da gibt es nur zwei Möglichkeiten: Kopf in den Sand oder nach Alternativen suchen. Es ist Spargelzeit, als Corona uns überfällt, Ostern steht vor der Tür: Tischendorf stellt im April 2020 ihren Foodtruck, der gewöhnlich bei großen Events zum Einsatz kommt, an einen gut frequentierten Ort in Berlin, holt Spargel und weitere saisonale Produkte aus dem Umland und verkauft ihn. Auch Frauen können netzwerken: Sie trifft durch Geschäftskontakte die ehemalige Pächterin der „HofKultur“, hört die Geschichte, sieht sich die Dinge an: „Was ich vorfand, passte in meine Vorstellungen von einem Café, das zeitgemäß ist: Ökologisches Wirtschaften als Hausprinzip, gelungene Kombination zwischen altem und neuem Gemäuer, viel Grün drum herum.“ Perfekt für einen Boxenstopp zur Kaffee- oder Frühstückszeit, entscheidet sie, legt den Schnellgang ein, pachtet das Café auf fünf Jahre, transportiert Equipment vor Ort. Nicht ohne vorher die Lage genau zu checken. „Spontaneität ist mein Ding, aber eine Unternehmung muss sich auch immer rechnen.“

Leben fürs Dorf

Die Sportler des nahen Golfplatzes sowie die aller drei Wochen wechselnden 500 Patienten der fußläufig entfernten Reha-Kliniken und ihre Besucher dürften ein verlässliches Gästepotenzial sein. Das derzeit aus bekannten Gründen ein bisschen geschwächt ist. Sonntags ist der kleine Ort jedoch nach wie vor ein beliebtes Ausflugsziel. Verständlich, dass es euch, Sommerfelder, nicht so erbaut, wenn die Städter euer Hoftor zuparken. Aber es kommt Leben ins Dorf, Geld bringen die Berliner und Durchfahrende auch mit und: Steigt mal in die Latschen der anderen, wechselt die Perspektive, nehmt es als Gelegenheit zum Gespräch über Stadt und Land – beim Kaffee in der „HofKultur“, versteht sich. Durchhalten, heißt die Devise, uneingeschränkt Qualität bieten: Donnerstag bis Sonntag ist die „HofKultur“ geöffnet. Kuchen und Torten einer Berliner Lieferkonditorei fährt Tina Tischendorf ebenso wie zwei Angestellte täglich vor Ort. Beim Kaffeehaus-Angebot wird man bleiben, für warme Küche fehlen die Voraussetzungen.

Man schmiedet Bündnisse in schweren Zeiten: Um sich gegenseitig nicht das Wasser abzugraben, wird der Wirt des benachbarten Restaurants sein Kuchenangebot komplett herunterfahren. Ganzjährig zu öffnen, ist der Plan der beiden Frauen. Für den Winter gehen ihnen schon Bilder durch den Kopf: Feuertonnen im Hof, Musik … Kleinstkulturelles, Pianoklänge zum Cappuccino, Lesungen, intime Konzerte, damit will Tina Tischendorf dem großen „K“ im Namen der Location seine volle Berechtigung geben. Der Einstieg mit einer Jazz-Sängerin war schon beinahe fix, doch alles, was dazu gehört, Hygiene-Konzept, Gema-Verhandlungen, Ticketing, in kürzester Frist hinzukriegen, überstieg selbst die Möglichkeiten einer Tina Tischendorf. Vertagt – wie die Idee, Workshops zu veranstalten. Die Event-Managerin denkt an Strickabende, Blumenbindekurse. (Fragt doch mal bei den Landfrauen nach, vielleicht ergeben sich Synergien?) In diesem Punkt ist sie mit ihrer Geschäftspartnerin Sabine Kleist allerdings noch nicht ganz d‘accord. Tina Tischendorf, die zugibt, dass sie manchmal ein bisschen gebremst werden muss, rudert einen Schlag zurück: Man müsse sich noch genauer kennenlernen. Immerhin stimme die Basis. „Wir setzen die gleichen Akzente, wissen beide, was Selbstständigkeit bedeutet. Zusammen werden wir unser Format finden.“ Nun kommt alles auf Corona an.


Dieser Beitrag entstand, bevor der Teil-Lockdown in Kraft trat. Wie uns die Betreiberinnen mitteilten, ist die „HofKultur“ weiterhin für ihre Gäste da – das Café jedoch mit einem eingeschränkten, der neuen Lage angepassten Angebot.


Starkes Team: Anke Buley und Ronald Rocher, umringt von den Söhnen Georg, Hannes, Willi und Max sowie Jannis, ein Freund und Nachbarsjunge.

Schafhaltung: Familiäre Leidenschaft

Mit Energie, Herz und Humor widmet sich Ronald Rocher aus dem brandenburgischen Möllendorf der Schafhaltung. Seine Frau und ihre vier Söhne stehen ihm fest zur Seite. mehr