Arbeit und Freizeit haben für die „Twens“ von heute einen anderen Stellenwert als es bei älteren Jahrgängen üblich ist. Das schafft Konflikte. (Symbolbild)

Wie tickt die „Generation Z“?

Die Jugend war schon immer anders. Doch jene Jahrgänge, die mit dem Smartphone in der Hand auf die Welt gekommen zu sein scheinen, stellen nach den Eltern nun Ausbilder und Chefs vor besondere Herausforderungen. Zukunftsforscher Dr. Daniel Dettling erklärt, wie damit umzugehen ist.

Das Interview führte Meike Mieke, Bildungsreferentin beim Landesbauernverband Brandenburg

Meike Mieke: Herr Dr. Dettling, Sie arbeiten in der Großstadt. Was verbindet Sie mit dem Land?
Dr. Daniel Dettling: Zwischen 1998 und 2001 arbeitete ich an der Uni Potsdam im Fachbereich Verwaltungswissenschaften. Dort lernte ich auch meine Frau kennen, die aus Luckenwalde stammt. Unsere verwandtschaftlichen Bindungen führen uns oft in die Nähe von Treuenbrietzen. Als Zukunftsforscher und Gesellschaftsbeobachter suche ich jedoch gern Gemeinsamkeiten von Systemen. Ich würde mich als „Wossi“ bezeichnen.

Wie sehen Sie die Jugend?
Jugend war immer unser Schicksal. Ich bin Jahrgang 1971 und gehöre zur Generation der „Post-Babyboomer“, die sich mit den Folgen des demografischen Wandels auseinandersetzt. Fachkräftemangel und Rentenabsicherung sind die Themen, die uns bewegen. Uns lenkte die Suche nach einem Arbeitsplatz als ständiger Platz in unserem Leben. Dieses Denken ist heute nicht mehr modern.

Dr. Dettling

Was ist heute anders?
Nehmen wir die Landwirtschaft. Bauern sind heute Unternehmer, die sich wesentlich am Wettbewerb orientieren. Das sieht man auch bei den jungen Leuten, die Mehrheit denkt unternehmerischer. Die alte Prämisse, eine Ausbildung zu absolvieren, um dann für immer im selben Betrieb zu bleiben, ist nicht mehr die Zukunft. Lebenslanges Lernen ist für Jüngere selbstverständlich, dazu gehört die Weiterqualifizierung. Hier erwarten die jungen Leute von ihren Arbeitgebern interessante Angebote.

Fridays-for-Future ist die Jugendbewegung unserer Zeit. Gerade im ländlichen Raum wird ihr mit Skepsis begegnet. Wie ordnen Sie FFF ein?
Die Idee hinter Friday-for-Future ist: Freitags machen wir etwas für unsere Zukunft! Der fünfte Tag der Woche ist der Weiterbildung und damit der Zukunft gewidmet. Das können eine Weiterbildung in Form von gesellschaftlichem Engagement für den Klimaschutz sein, eine berufliche Fortbildung oder die Entwicklung persönlicher Kompetenzen. Gemeinsam ist allen Ansätzen: Sie fördern die eigene Produktivität, angetrieben von dem Bedürfnis, mehr aus sich selbst zu machen. Gerade jetzt in der Coronazeit hat man diesen Boom der Weiterbildung eindrucksvoll gesehen. Arbeitgeber, die dieses Bedürfnis junger Arbeitnehmer nach eigener Zukunftsgestaltung ernst nehmen und ihnen einen Freiraum dafür bieten, können diese dann auch langfristig an sich binden.

Was empfehlen Sie dem landwirtschaftlichen Betrieb, dessen Arbeitsrhythmus anderen Gegebenheiten unterliegt?
Da reichen manchmal ein paar Stunden Flexibilität aus. Anders herum können Arbeitgeber für einen „Zukunftstag“ des Mitarbeiters in der Woche einen Arbeitsausgleich am Wochenende erwarten. Es gilt, flexible Modelle zu finden, die beiden Seiten gerecht werden. Junge Leute müssen mehr Möglichkeiten erhalten, individuell zu lernen. Hierbei sind digital gestützte Lernangebote sehr wichtig. Die Botschaft lautet: Mehr Zeit für Weiterbildung!

In der Landwirtschaft finden viele Jugendliche mit Schwierigkeiten ihren Platz. Mit Selbststudium am Tablet kommen wir in der Helferausbildung nicht weit. Wie funktioniert hier individuelles Lernen?
Hier sind niedrigschwellige Angebote wichtig, Angebote, die Spaß machen und helfen, dass das Lernen nicht mehr als Bedrohung wahrgenommen wird. Ich denke an Camps oder Projektwochen, die auch Freundschaften unter den jungen Leuten befördern, die praktisches Lernen mit Abenteuer verbinden.

Was macht das „Stadtkind“, das „Dorfkind“ aus? Sollte man das eigentlich trennen?
Ich finde: Landwirtschaft muss auch zur Stadtwirtschaft werden! Tatsächlich hat die Entfremdung zugenommen, die Vorurteile haben sich verfestigt: Städter empfinden den ländlichen Raum als letzte Provinz, als rückständig und unbeweglich. Umgekehrt gelten Städter als abgehoben, elitär, arrogant, und vor allem: Sie haben keine Ahnung, wo die Lebensmittel herkommen! Es fehlen gemeinsame Integrationseinheiten wie früher die Armeezeit, das Ferienlager oder auch der Urlaub. Auch politisch ist diese Entfremdung sichtbar: In Amerika führt Donald Trump eine Revolte der Landbevölkerung gegen die Städter an. Es gilt, neue Begegnungszonen von Stadt und Land zu schaffen.

„Die Jugend liebt den Luxus,…“ Was der große Philosoph Sokrates schon vor über 2.000 Jahren wusste, kann nicht falsch sein. Oder doch?

Was schlagen Sie vor?
Stichworte Direktvertrieb, regionale Produkte in den Supermärkten, Summerschools auf dem Land, Patenschaften zwischen Schule und Landwirtschaft, zwischen Städten und ländlichen Regionen. Hier gibt es viele tolle Beispiele, doch sie müssen mehr Wirkung in der Öffentlichkeit erzielen. Die große Sehnsucht des Städters nach dem Land gilt es zu nutzen. Ich denke da an die aktuelle Kampagne „Mecklenburg-Vorpommern. Wir sind Urlaubsland.“, die die Gastfreundschaft der Landeseinwohner neu beleben und für ein gutes Tourismusklima sorgen soll. In Brandenburg entstehen sogenannte Co-Working-Räume, Gemeinschaftsbüros in ungewohnter Atmosphäre, wo sich jüngere Kreative aus den Städten und dem Umland treffen und arbeiten.

Wie könnten die starken Abgrenzungen zwischen Jugendlichen vom Land und aus der Stadt aufgelöst werden?
Die Generation Z ist radikal pragmatisch. Junge Leute heute verfolgen weniger gemeinsame Interessen, sondern sind Autoren ihrer eigenen Biografie. Früher haben das die Eltern oder der Betrieb vorgegeben. Dahinter verbergen sich aber auch Chancen. Junge Leute vom Land entscheiden sich für ein Studium in der Stadt und kommen gern zurück, vor allem, wenn es Anreize für sie gibt. Gerade in der Arbeitswelt ist die Trennung zwischen Stadt und Land gar nicht mehr so einfach. Neue digitale Arbeitsformen machen den Wechsel möglich, der ländliche Raum wird globaler. Die Generation Z hat auf dem Land wie auch in der Stadt alle Chancen. Sie wächst in einer vernetzten Welt auf, das weiß sie und daher beunruhigt sie das gar nicht. Studien zeigen, dass sie sowohl an ihre eigene Zukunft als auch an die Zukunft der Welt denkt. Dabei ist sie sehr wissenschaftlich orientiert, wie der Schulterschluss von Fridays-for-Future mit der Wissenschaft zeigt.

Was heißt das für die Ausbilderinnen und Ausbilder im Umgang mit der Generation Z?
Ich glaube, die Ausbilder sind bereits sehr offen. Ich finde es wichtig, Zukunftstrends mit der Ausbildung zu verbinden und dafür immer wieder neue Perspektiven einzunehmen. Junge Leute sollten selbstverständlicher landwirtschaftliche Betriebe im Ausland besuchen können, um deren Produktionsweisen kennenzulernen. Oder warum nicht den Blick in eine gänzlich andere Branche wagen? Einen Tag bei Google oder Amazon, in der Digitalwirtschaft, bei einem Start-up oder in der Ernährungswirtschaft verbringen? Gerade der Lebensmitteleinzelhandel müsste im Hinblick auf die Zukunftsausrichtung der Branche viel mehr in die Verantwortung gezogen werden. Auch könnte man hinsichtlich der Berufsprofile erfinderischer werden. Letztendlich ist es wichtig, neugierig zu bleiben und die Ausbildung entsprechend zu gestalten.