Im Pitch: Die Jungunternehmer präsentieren ihre Ideen bei den Start-up-days (c) Sabine Rübensaat

Nur noch kurz die Welt retten …

Ja, warum denn eigentlich nicht? Bei den Start-up-Days präsentieren sich Gründer, die mit ihren Ideen etwas bewegen wollen. Ausgezeichnet wurde ein Start-up, das mit einer Plattform die landwirtschaftliche Direktvermarktung erleichtern will.

Von Jutta Heise

Wer zuerst auf die Matte muss, hat die Sache, in unserem Fall eine Pitch genannte, möglichst faktengedrängte fünfminütige Präsentation seines Start-ups, schnell hinter sich und kann sich reinziehen, was die Mitbewerber zu bieten haben. Der Starter unter den 19 Finalisten von 52 Bewerbern für die Start-up-Days auf der Grünen Woche zu sein, kann allerdings auch Nachteile haben: Die Jury könnte noch nicht warmgelaufen sein oder zögerlich mit der Punktevergabe: Man weiß ja nie, was da noch kommt.

Start-up-Days: Viele gute Ideen

Diesmal allerdings war der Erste zugleich der Sieger. FrachtPilot gewann das Rennen. Die cloud-basierte Prozessplattform, die die landwirtschaftliche Direktvermarktung komplett digitalisiert und automatisiert, soll dem Landwirt mehr Zeit für sein Kerngeschäft bringen, weil sie Büroarbeit einspart. Dr. Sebastian Terlunen, einer der drei studierten und promovierten Wirtschaftsinformatiker aus Münster, die FrachtPilot innerhalb von zwölf Monaten in Zusammenarbeit mit vier Landwirten entwickelten, legte vor: Deutschland hat aktuell rund 94.000 Bauern, die ihre Produkte direkt vertreiben. Und: 57 Millionen Verbraucher seien bereit, regional einzukaufen. Angesichts dessen, so Terlunen, komme man um die Digitalisierung nicht herum, wolle man Direktvermarktung effizient bewältigen. 

Das Programm deckt, unabhängig von der Betriebsgröße, alle Prozesse ab, die dabei ablaufen – eine solche Komplettsoftware gibt es derzeit deutschlandweit nicht. „Die Software verwaltet nicht nur den Bestellprozess, sondern wir digitalisieren auch die Lagerverwaltung, Tourenpläne, Auslieferung und Abrechnung, sie berechnet die optimale Route, auf der die Waren zu den Kunden gebracht werden können.“ Die Zeitersparnis für den Landwirt liege bei 25 bis 30 Prozent. Vorteil: Die Software kann gemietet werden – vollständig, aber auch in einzelnen Bestandteilen. Was die Einstiegshürde niedrig mache, so Terlunen. Seit der Markteinführung im Herbst 2019 seien bereits 50.000 Bestellungen über den FrachtPiloten abgewickelt worden. 

Agrora: „Eine Art eBay für Getreide“

Agrora: Online-Marktplatz für Agrarrohstoffe.

Das Start-up Agrora fuhr ohne Preis, doch mit viel Publikumsfeedback auf den Start-up-Days bedacht, zurück nach Niedersachsen. Agrora, ein Wortspiel mit „agora“, Altgriechisch für Markt (was auf eine gewisse klassische Bildung der Erfinder schließen lässt) und „agrar“, sind ein komplementäres Team aus Informatiker, Jurist, Öko-Agrarmanager und einem Getreidehandel-Experten. Dieses hat 2019, über ein Gründerstipendium und mit Eigenmitteln finanziert, einen Online-Marktplatz für Agrarrohstoffe und Agrartransporte entwickelt, „eine Art ebay für Getreide“, erklärt Hauke Jaeschke, einer der Gründer.

 Agrora will den Handel mit börslich gehandelten physischen Agrarrohstoffen – Getreide, Ölfrüchte – einfacher, kostensparender, transparenter, umwelt-freundlicher machen, so das Firmenkonzept. „Wir bieten an, den Landwirt mit einer Fülle von Informationen zu versorgen, was Zeit spart und ihm mehr Sicherheit für den Vertragsabschluss gibt. Zu wissen, wer kauft was, wie, an welchem Ort und zu welchem Preis, ist essenziell für den Landwirt beim Vertragsabschluss.“

Auf der Plattform von agrora ließen sich, erklärt Jaeschke auf den Start-up-Days, schneller passende Vertragspartner finden, es werde eine höhere Reichweite erzielt, man treffe neue Vertragspartner. „Man kann agrora optional mit der Kalkulation und der Organisation des Transportes beauftragen, wir erstellen automatisch den Schlussschein als kaufmännisches Bestätigungsschreiben für beide Partner.“ Derzeit agieren die Jungunternehmer vorwiegend im Norden Deutschlands, man sucht Test-User und fordert potenzielle Kunden auf: Werdet digitale Agrarunternehmer! Neben einer Eintrittsgebühr von 50 Euro erhebt man 0,25 Euro pro gehandelter Tonne Ware. 

Vytal: Kreislaufsystem für Mehrwegboxen

Vytal: Gegengewicht zur Wegwerfkultur

Nichts Geringeres als ein Gegengewicht gegen die Wegwerfkultur zu schaffen, möchte Tim Breker. To-go-Verpackungsmüll lässt in Deutschland jährlich einen Berg von 281.000 Tonnen wachsen, wovon 60 Prozent im Essbereich anfallen. Breker und sein Team erdachten Vytal, ein Kreislaufsystem für Mehrwegboxen. Es handelt es sich um Leihschüsseln aus Polypropylen. Der Stoff ist härter und hitzebeständiger als andere Kunststoffe, gut erforscht, robust und recycelbar (wenn auch energieintensiv bei der Herstellung). Seit Juni 2019 arbeitet das junge Unternehmen in Köln mit vier Kantinen sowie 20 Restaurants und Lieferdiensten zusammen. 

Auf den Start-up-Days erklärt Breker, wie seine Idee funktioniert: „Lade die Vytal-App herunter, um dein Essen bei allen unseren Systempartnern in einer Bowl ohne Pfand mitzunehmen. Bringe sie nach dem Essen bei einem Partner zurück. Dort wird sie für die nächste Nutzung hygienisch gereinigt. Kehrt die Bowl nach 14 Tagen nicht zurück, werden automatisch 10 Euro fällig – und die Bowl geht in deinen Besitz über.“ Die Schüssel kann 200-fach genutzt werden, spart dann rund 20 Kilo CO2 ein.

Inner Elmt: Die Kraft der Heilpilze

Lena Günther und Judith Bahls von Inner Elmt

Das Prinzip „Aus der WG-Küche an den Markt“ ist im Food-Bereich schon ein Klassiker. Lena Günther und Judith Bahls, die gemeinsam eine Wohnung nutzen, stießen auf den aus der traditionellen chinesischen Kräuterkunde stammenden Trend, sich die Gesundheit undWohlbefinden fördernden Qualitäten von sogenannten Vitalpilzen zunutze zu machen.

Ende 2018 begannen sie, gefördert durch das Berliner Startup-Stipendium, auf der Basis der Pilzarten Cordyceps und Hericium ein funktionales Nahrungsergänzungsmittel in Form von drei Getränkepulvern zu kreieren: von herzhaft-asiatisch bis schokoladig. Sämtliche Zutaten besitzen geprüfte Bioqualität. Jede Charge der Pilze, die über einen Online-Handel aus China bezogen werden, wird auf Schadstoffe getestet. Die Getränkepulver kommen im April auf den (Online-)Markt.