Ausbilder und Berufsschullehrer Thomas Götz. © Sabine Rübensaat

ReZA-Schein und Lernerfolge

Thomas Götz im Interview über ReZA-Scheine, Voraussetzungen, Berufsschulen, Berufsbilder und Arbeits- und Betätigungsfeldern der Landwirtschaft.

Interview: Erik Pilgermann

Thomas, seit wann arbeitest du als Ausbilder in der Bildungseinrichtung Buckow e. V., und welche Voraussetzungen waren nötig, um die Stelle anzutreten?

Ich habe hier im Februar 2014 angefangen. Grundvoraussetzung war der Abschluss als Landwirtschaftsmeister. Zusätzlich habe ich eine Rehabilitationspädagogische Zusatzausbildung für Ausbilder absolviert, auch bekannt als ReZA-Schein.

Was verbirgt sich hinter dem ReZA-Schein?

Man lernt dort Methodik und Didaktik, Lernformen und den richtigen Umgang mit Krankheitsbildern, vor allem während der praktischen Ausbildung. Es geht darum, Lehrunterweisungen je nach Art und Grad der Einschränkung des Auszubildenden zu stricken. Welche Methoden ich anwende. Ob das Lernziel vorrangig ist oder ob man eher leichtere Lehrinhalte präsentiert und nicht zu komplex herangeht. Am konkreten Beispiel „Anbau eines Mähwerkes“ bedeutet es, die Theorie immer voranzustellen, zu erklären und erst danach den praktischen Bezug herzustellen.

War es von Anfang an dein Ziel, einmal in der beruflichen Bildung und speziell mit lernbehinderten Jugendlichen zu arbeiten?

Wenn ich jetzt ja sagen würde, wär es gelogen. Mein vorrangigstes Ziel zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn war es, die Ausbildung zum Landwirt zu schaffen. Das zweite selbst gesteckte Ziel war dann der Abschluss der landwirtschaftlichen Meisterausbildung. Bis dahin hätte ich nicht im Traum daran gedacht, einmal in der beruflichen Bildung zu arbeiten. Während der Meisterausbildung habe ich aber gemerkt, dass mir die Arbeit mit Jugendlichen großen Spaß macht. Es ist ein gutes Gefühl, zu sehen, wie man Wissen vermittelt, dieses sich bei den Auszubildenden festigt, sie am Ende erfolgreich eine Abschlussprüfung schaffen und gut im Berufsleben ankommen. Diese Erkenntnis hat sich bei mir aber wirklich erst während meiner Meisterausbildung und danach durchgesetzt. Ich habe ziemlich bald im Prüfungsausschuss im Landkreis Barnim mitgearbeitet und bin irgendwann gefragt worden, ob ich nicht im Bildungsverein anfangen will. Ich wollte und habe seither immer wieder festgestellt, wie viel Spaß mir die Arbeit in der beruflichen Bildung macht.

Worauf sollte man deiner Meinung nach gefasst sein, wenn man sich für die Arbeit als Ausbilder entscheidet?

Auf jeden Fall muss man im Kopf klar sein. Wichtig ist, in der Ausbildungssituation zu hundert Prozent beim Jugendlichen zu sein. Man sollte sich unbedingt in die Lage des Jugendlichen hineinversetzen können. Speziell auf dem Weg, den ich jetzt eingeschlagen habe, muss man auch immer auf Rückschläge gefasst sein, die auch ziemlich hart ausfallen können. Wir investieren unheimlich viel Zeit in unsere Jugendlichen und versuchen Theorie und Praxis zu verbinden. Das bleibt manchmal einfach nicht haften. Dafür reicht oft die Gedächtnisleistung nicht aus. Ich habe hier gelernt, meine persönlichen Erwartungen an die Auszubildenden stark zurückzunehmen und vor allem für jeden einzelnen immer wieder neu und individuell anzulegen.

Und in der normalen Ausbildung?

Da haben die Jugendlichen ja nicht so einen enormen Förderschwerpunkt wie hier. Da sollte man als Ausbilder vor allem sein Handwerk gut verstehen. Egal mit welchen Jugendlichen man am Ende arbeitet, wichtig ist immer die eigene Freude an der Arbeit mit ihnen. Es gibt gute und schlechte Tage, und wir Ausbilder werden oft auch bei persönlichen oder familiären Problemen ins Vertrauen gezogen. Damit muss man umgehen lernen. Beruf und Privat dürfen sich da nicht dauerhaft überschneiden. Das hält man auf Dauer nicht aus.

Hier in Buckow findet man ein breites Spektrum von Arbeits- und Betätigungsfeldern der Landwirtschaft. Inwieweit kann man das mit der klassischen betrieblichen Ausbildung vergleichen? Was verbirgt sich hinter eurem Verein?

Ich würde unseren Betrieb als Schau-Landwirtschaftsbetrieb bezeichnen. Aus dem einfachen Grund, dass wir unsere Jugendlichen hier in einem geschützten Rahmen ausbilden. Ihnen kann also nicht viel passieren. Solange sie wollen und aktiv mitarbeiten, sind unsere Ausbildungsziele alle gut umsetzbar. Problematisch wird es, wenn der Jugendliche durch Umwelteinflüsse die Motivation verliert. Unsere Arbeit hier wäre meiner Meinung nach innerhalb eines reellen Landwirtschaftsbetriebes nicht umsetzbar. Wir halten unsere Technik und die Flächen bewusst klein. So haben die Fehler, die von den Jugendlichen auf jeden Fall gemacht werden, keine so dramatischen Auswirkungen wie zum Beispiel ein Fahr- oder Bedienungsfehler bei einem Großhäcksler in der Silomaisernte. Hier geht es darum, dass die Jugendlichen Erfahrungen sammeln dürfen. Es ist ein geschützter Rahmen.

Aus Sicht der Jugendlichen sind das perfekte Bedingungen. Wie sieht es aus Ausbildersicht aus?

Da kann ich nur anmerken, dass wir unglaublich viel mit Schreibkram zu tun haben. Etwa ein Drittel meiner Arbeitszeit verbringe ich mit der Verschriftung der täglichen Arbeit. Hinzu kommt unser Qualitätsmanagement, das wir beachten müssen. Das ist manchmal ein ganz schöner Spagat, auf der einen Seite die Jugendlichen vernünftig auszubilden und auf der anderen Seite auch die Schreibarbeit ordentlich zu erledigen. Das erfordert viel Geduld, und ich habe an mir selbst gemerkt, dass man da reinwachsen muss. Jeden Tag entstehen neue Probleme, die man in einem normalen Landwirtschaftsbetrieb nicht hätte.

Aber auch da fangen Jugendliche ihre Ausbildungen an, ohne viel über das Berufsbild zu wissen. Auch da passieren Fehler. Was müsste sich denn am System der Ausbildung ändern, dass Jugendliche wieder mehr Fehler machen dürfen?

Ich denke, das hat viel mit dem allgemeinen Leistungsdruck zu tun. Dieser müsste weniger werden. Gerade hier bei uns merken wir das oft. Nehmen wir das Beispiel Leguminosenanbau. Ich erkläre, warum wir diese Kulturen anbauen und was dahinter steckt. Es ist nun mal Teil des Lehrplans. Dabei geht es natürlich auch um Zahlen und ein paar Berechnungen. Wenn nun ein Jugendlicher das einfach nicht versteht, vielleicht auch nicht verstehen kann, dann passiert es oft, dass er sich so in seinen eigenen Schwächen verrennt, dass sie für ihn zu einem unüberwindbaren Hindernis werden. Dasselbe Phänomen beobachten wir auch in er normalen Ausbildung. Da wird in der Berufsschule in erster Linie Wissen eingetrichtert. Möglichst viel in möglichst kurzer Zeit. Das macht keiner lange mit. Da wünsche ich mir oft, dass es mehr um das Lernen, das Begreifen und das Erfahrungen sammeln ginge und weniger um die Bürokratie. Unsere Jugendlichen haben grundsätzlich einen besonderen Förderschwerpunkt. Wenn ein Jugendlicher nun eine besonders verminderte Aufnahmefähigkeit hat, wäre es überhaupt nicht zielführend, wenn er denselben Lernstoff durchziehen muss wie die anderen, es vom Kopf her aber gar nicht schaffen kann.

Sollte die Berufsschule einfach mehr auf die Bedürfnisse der Schüler eingehen?

Ich denke, die Berufsschule im Vollberuf sollte ihren Lehrverteilungsplan individueller gestalten können, nicht alle über einen Kamm scheren. Als Beispiel: Ein Auszubildender arbeitet überwiegend in der Rinderhaltung. Im ersten Lehrjahr hat er theoretischen Unterricht in Pflanzen- und Tierproduktion. Da entsteht eine große Lücke zwischen Praxis und Berufsschule. Der Lehrverteilungsplan sieht eine kleinschrittige Entwicklung vor. Im Grunde wie eine Treppe, bei der alle Wissensstufen aufeinander aufbauen. Was aber soll ein Auszubildender machen, wenn er schon die erste Stufe nicht versteht, weil Theorie der Berufsschule und Praxis auf dem Lehrbetrieb völlig konträr sind? In der normalen Berufsschule hat der Lehrer gar keine Chance. Wir hingegen orientieren uns mit unserem Lehrverteilungsplan sehr stark an den Bedürfnissen. Wir machen Abstriche. Wir müssen sie auch machen, weil sich sonst bei den Jugendlichen der Lernerfolg nicht einstellen würde. In der normalen Ausbildung ist der Lehrer gezwungen, seinen Stoff durchzuziehen und zügig einzuhämmern, ohne Rücksicht auf Verluste. Ich würde mir wünschen, wenn Berufsschule im Vollberuf da flexibler sein könnte.

Die Betriebe wollen und brauchen den Nachwuchs. Deshalb müssen sie vielleicht bei den Anforderungen an die Jugendlichen Abstriche machen. In der heutigen Zeit jedoch werden die Abstriche oft bei Qualität und Stellenwert der Ausbildung gemacht. Das passiert in vielen Fällen nicht freiwillig. Heute kann man trotz einer Bombenernte nur aufgrund von Kursschwankungen an der Börse als Produzent schnell mit dem Rücken zur Wand stehen. Und wo dann gespart werden muss, wird meist mit den schwächsten Gliedern angefangen. Was mir immer wieder begegnet, ist der Umstand, dass Lehrlinge oft nebenherlaufen. Jedermann redet vom Personalmangel oder vom Fachkräftemangel, aber die Lehrlinge sind eher billige Arbeitskraft im Melkstand, sollen aber möglichst sofort dieselbe Leistung bringen wie ein Facharbeiter.

Was wäre denn deiner Meinung nach ein Lösungsansatz? Zusammenschluss? Ausbildungsverbünde?

Ich denke, nur wenn sich mehrere Betriebe mit unterschiedlichen Produktionsschwerpunkten zusammenschließen und sie die unterschiedlichen Stärken ergänzen, statt Schwachpunkte zu verstärken, kann auch Qualität in der Ausbildung „erzeugt“ werden. Hauptsache ist, dass der Azubi so viele Eindrücke bekommt und Erfahrungen macht, um ihm eine größtmögliche Auffassung von dem Berufsbild zu vermitteln. Wir schaffen das mit unseren Kooperationspartnern. Wenn ich alle drei Lehrjahre auf einem Marktfruchtbetrieb versauere und im Winter nur melken gehe, habe ich kaum eine Chance auf vielfältige Eindrücke. Dasselbe beim Thema Führerschein. Viele Betriebe bilden aus, aber sagen dann, dass sie die Leute mangels Führerschein nicht übernehmen können. Viele verdienen aber einfach nicht genug, um sich einen Führerschein leisten zu können. Speziell bei uns wird das deutlich. Die Jugendlichen, die nach § 35 zu uns kommen, erhalten auch Förderung für den Führerschein. Andere Jugendliche, die bei uns lernen, hingegen nicht. Das empfinden die meisten zu Recht als unfair. Da muss sich in der beruflichen Bildung generell etwas ändern, wenn das Ziel sein soll, die Jugendlichen als Fachkräfte mitten im Arbeitsmarkt zu haben und nicht am Arbeitsmarktrand mit Tendenz zur Erwerbslosigkeit.