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Milchhof Rodenwalde: Wohlfühlen ist Pflicht

Dass junges Team vom Milchhof Rodenwalde KG betreut kompetent ihre Kühe, sie durchlaufen eine gesunde und sensible Transitphase.

von Anja Nährig

In Rodenwalde im Landkreis Ludwigslust-Parchim kommt auf jeden Hektar eine Kuh, aber nur rein rechnerisch und wenn man die Fläche der drei dort kooperierenden Betrieben addiert. Tatsächlich stehen die Milchkühe in drei modernen Liegeboxen-Laufställen für die André Wind und Stefanie Reckendorf die Verantwortung tragen. Hans-Peter Greve, Geschäftsführer und Vorsitzender der gemeinsam wirtschaftenden Agrarunternehmen Milchhof Rodenwalde KG, Agrarvereinigung Rodenwalde-Goldenbow eG und der Agrargemeinschaft Vellahn eG, ist von den Ideen und dem Tatendrang der jungen Generation überzeugt. Was für die vielen Rinder gilt (mit Nachzucht ca. 3 000 Tiere), muss bei ihm auch für die Belegschaft gelten: Wohlfühlen ist Pflicht. Und das funktioniert nur mit einer gesunden Altersmischung – in der Herde wie im Team.

Der Weg nach Rodenwalde

Seit gut einem halben Jahr arbeiten die beiden Herdenmanager Wind und Reckendorf in Rodenwalde zusammen. André ist seit dreieinhalb Jahren auf dem Betrieb und hat vor zwei Jahren den Posten als erster Herdenmanager übernommen. Der 30-jährige Holländer ist zwar nicht direkt in der Landwirtschaft groß geworden, entdeckte aber früh seine Leidenschaft für Milchkühe. Nach seinem Fachhochschulstudium hielt ihn nicht mehr viel in seiner Heimat, und er kam für mehrere Praktika nach Deutschland. Obwohl sein Lebenstraum einst in Richtung USA ging, ließ er sich gerne im Nordosten Deutschlands nieder. „Hier gibt es ja auch große Betriebe“, begründet André lächelnd seine Wahl, und „Rodenwalde ist ja in den Dimensionen wie ein Stück Amerika.“ Für ihn steht fest, dass mit wachsender Betriebsgöße fast alles einfacher wird. So gibt es genug erfahrene Kollegen, die sich rund um die Uhr um die Kalbungen und frischen Kühe kümmern. Und ein fest angestellter Klauenpfleger ist auch da, der akute Lahmheiten in der Herde zeitnah behandelt. Die meisten Arbeiten werden in acht Stunden erledigt und auch in der Erntezeit nicht aufgeschoben. Nur der Weidegang für die Tiere ist schwer umsetzbar, dennoch gehen die Trockensteher und die tragenden Jungrinder nach draußen. Die Verständigung bereitet dem versierten Herdenmanager keine Probleme, schließlich lernen sie zu Hause früh die Sprache ihrer europäischen Nachbarn.

Stefanie ist dagegen eine waschechte Mecklenburgerin von der Müritz. Ihre Eltern bewirtschaften einen landwirtschaftlichen Betrieb mit 50 Mutterkühen und 50 Pferden. Naheliegend studierte sie drei Jahre Agrarökologie (Bachelor) in Rostock und schloss ein Jahr Praktikum auf Gut Dummerstorf an. Hier wurde auch der Grundstein für ihr späteres Interesse an der Milchviehhaltung gelegt. Nach den praktischen Erfahrungen entschied sie sich aber vorerst, das Studium bis zum Masterabschluss fortzuführen. Denn neben der Sympathie für die Rinder schlägt ihr Herz auch von Kindesbeinen an für die dressurtauglichen, galoppierenden Vierbeiner. Vielleicht ein Grund, der sie immer in der Nähe des elterlichen Hofs bleiben ließ.

Ihre ursprüngliche Lebensplanung stellte sich deshalb nach der Beendigung des Studiums anfangs ganz anders da. Die Pferdekarriere sollte mit einem Job im Landwirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommerns kombiniert werden, woraus aber nichts wurde. Dafür bekam sie noch während ihres Masterstudiums ein Angebot vom Gut Dummerstorf, was ihr jedoch zum damaligen Zeitpunkt zu früh erschien. „Hätte ich mich damals für den Stall in Dummerstorf entschieden, hätte ich wohl das Studium durch die viele praktische Arbeit ‚nebenbei‘ nicht fertig bekommen“, ist sich die 31-Jährige sicher. Stefanie blieb in Rostock, bis sie ihren Abschluss in der Tasche hatte, und bewarb sich daraufhin erfolgreich bei der Rinderzucht Mecklenburg-Vorpommern. Drei Jahre später, mit der Gründung der RinderAllianz wurde ihr Arbeitsfeld jedoch deutlich kleiner, weshalb sie sich nach etwas Neuem umsah. Sie ging in den Kuhstall zurück und startete als Herdenmanagerin durch. Eineinhalb Jahre leitete sie eine 400-köpfige Milchviehherde in der Nähe ihres Geburtsortes, bis ein Reitunfall sie ein kurze Zeit pausieren ließ. Im November 2015 stieg sie daraufhin als zweite Herdenmanagerin in Rodenwalde ein.

André und Stefanie sind bereits ein gut eingespieltes Team. Selbstverständlich kann jeder den anderen und alle damit verbundenen Arbeiten vertreten, doch haben beide ihre eigenen Schwerpunkte auf dem Betrieb. Stefanie kümmert sich vor allem um die Transitkühe, André hat das „große Ganze“ und die Personalführung im Blick.

Früh an den frischen Kühen

Rodenwalde besitzt zwei Ställe für ca. 1 500 melkende Kühe und einen komplett separaten Stall für die Kühe von der Trockenstehperiode über die Kalbung bis hin zum Einstieg in die Laktation. Mit den physiologischen Grundkenntnissen, die Stefanie aus ihrem Studium mitbrachte, arbeitet sie heute eng mit dem Tierarzt zusammen. Gerade in der sensiblen Transitphase müssen die Kühe nicht nur gut beobachtet und betreut werden, mitunter sind hier auch sehr schnelle Entscheidungen nötig, um ihre Gesundheit und Fitness zu erhalten. Ihr obliegt dabei die Verantwortung, Tiere mit Problemen zu erkennen und sie dem Tierarzt zur Diagnose und Erstbehandlung vorzustellen. Bereits um sechs Uhr früh startet sie mit zwei Mitarbeitern bei den frischabgekalbten Kühen. Kontrollgänge, Temperaturmessungen, Glukose-Pansenstimulanz Drenchen, Dokumentation und Farbkennzeichnungen, Behandlungen, Anmelken, Stallohrmarken Einziehen und viele weitere Arbeitsgänge beschäftigen sie bis zum gemeinsamen Frühstück um zehn. Hier kommen alle Mitarbeiter und Herdenmanager zusammen und planen den restlichen Tagesablauf.

Gut geplant ist halb gemolken

André erstellt in der Milchproduktion für 26 Mitarbeiter (Melker, Fütterer, Kälberpfleger und Transitstall) die Arbeitspläne. Dazu kommen zwei Lehrlinge und oft auch ausländische Praktikanten, die sich gern in Rodenwalde bewerben. Seine langjährigen Erfahrungen als Herdenmanager und Schulungen zur Personalführung kommen ihm dabei zugute. Trotzdem bleibt täglich die Herausforderung bestehen, sich nicht in den Praxisdetails zu verlieren, sondern den Blick fürs „große Ganze“ zu behalten. Neben der Erstellung der Personal- und Arbeitspläne überprüft André auch die Futterrationen (mit Berater), wertet regelmäßig die Leistungskennzahlen der Kühe aus und koordiniert die Materialbeschaffung.

Derzeit erarbeiten die zwei jungen Führungskräfte standardisierte Arbeitsanweisungen, um die betriebsindividuellen Abläufe der einzelnen Bereiche transparenter und effektiver zu gestalten. Die Ordner mit den Arbeitsanweisungen sind jederzeit für alle Mitarbeiter einsehbar und dienen gleichzeitig vielen Aspekten:
■ Die Herdenmanager formulieren klar, welche Arbeiten tatsächlich in welcher Reihenfolge durchgeführt werden sollen.
■ Mitarbeiter und Lehrlinge können schnell in neue Arbeitsbereiche eingearbeitet werden.
■ Die Arbeiten können dokumentiert und die Verantwortung direkt festgelegt werden.
■ Die Pläne können auch zur Kontrolle der durchgeführten Arbeiten genutzt werden.

Wenn Stefanie mit Lehrlingen und Praktikanten im Transitbereich arbeitet, muss sie immer voll konzentriert bei der Sache sein. Die Verantwortung, die sie mit dem frühzeitigen Erkennen von kranken Tieren trägt, ist groß, und Fehler, die von unerfahrenen Auszubildenden gemacht werden, können schwerwiegend sein. „Manchmal neige ich dazu, die Dinge lieber allein zu tun als anzuweisen“, gibt sie zu, „doch Hans-Peter Greve drängt mich immer wieder dahin, Arbeit abzugeben und mehr anzuleiten. Das beugt der Gefahr vor, sich auszupowern.“

Immer offen für Neues

Die beiden Herdenmanager in Rodenwalde sind eifrig und ehrgeizig. Dabei treibt sie auch der Gedanke an, immer besser zu werden und mit der Herde weiterzukommen. Das Ziel steht fest: Sie möchten eine Lebensleistung der Holsteins von 40 000 Litern Milch erreichen. Die Nutzungsdauer mit über drei Laktationen liegt zwar über dem Bundesschnitt, ist aber auf jeden Fall noch zu erhöhen. Dass dauerhafte Leistungen nur von gesunden Kühen erbracht werden können, ist für beide unumstritten.

So möchten sie sich von den ehemals teilweise genutzten Hormonprogrammen (Pre- und Ovsynch) zur Steigerung der Fruchtbarkeitsergebnisse trennen. Vielmehr setzen sie heute auf die natürlichen Zyklen der Kühe. Unterstützend benutzen sie dafür pflanzliche Boli, die die Stärkung der Selbstheilungskräfte sowie des Immunsystems fördern sollen. Das Nachgeburtsverhalten habe sich deutlich verbessert, erklärt Stefanie, die Kühe würden schneller wieder „sauber“ und für die kommende Belegung aufnahmefähig. André möchte mit einem gut funktionierenden Fruchtbarkeitsmanagement bei einer mittleren Anzahl der Melktage von 170 landen. Dieses Optimum resultiert daraus, dass die Kühe innerhalb der ersten 170 Tage die meiste Milch produzieren. Dadurch sind in dieser Phase die Einnahmen durch die Milch größer als die Kosten für deren Produktion. Dafür sind wiederum regelmäßige komplikationsfreie Abkalbungen nötig, deren Grundsteine bereits in der Jungviehaufzucht und den ersten Besamungen gelegt werden. Mit der Teilnahme an einem Benchmarkprogramm erhalten sie quartalsweise einen Report, in dem die Entwicklung der Rodenwalder Herde über wichtige Leistungs- und Fruchtbarkeitskennzahlen analysiert wird. Ob zur Eigenkontrolle oder im Vergleich mit ähnlich großen Unternehmen – es hilft, ihre Position unter den Topbetrieben in Deutschland einzuschätzen.

Dass sich die Milchkühe mit diesen Leistungen in Rodenwalde einfach wohlfühlen müssen, bleibt unumstritten. Die Annerkennung für diese Erfolge trägt ein junges Team, das gern in Rodenwalde arbeitet.