Franziska Sophie Aldag hat ihren Weg in der Landwirtschaft gefunden. (c) Sabine Rübensaat

Interview mit Franziska Aldag: Studium oder Ausbildung?

Nach dem Abitur gleich zum Studium? Franziska Sophie Aldag entschied sich lieber für eine landwirtschaftliche Ausbildung. Wir sprachen mit ihr über Beweggründe und über Virtuosität nicht nur beim Klavierspielen.

Das Interview führte Wolfgang Herklotz

Sie hat feingliedrige Hände. Gut vorstellbar, wie diese bei einer Sonate von Chopin sanft über Klaviertasten gleiten. Aber sind sie auch geeignet, bei einer schwierigen Abkalbung fest zuzupacken? Oder einen schweren Anhänger aus- und anzukuppeln? „Alles nur eine Frage der Übung“, meint Franziska Sophie Aldag und lächelt.

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Milch aus Brandenburg

Wir sind mit der 21-Jährigen auf dem Hof der Lübbinchener Milch GbR verabredet. Bis eben war „Franzi“, wie ihre Freunde sie nennen, noch mit einem Schwader auf dem Grünland des südbrandenburgischen Betriebs unterwegs. Mittlerweile eine Routinearbeit für die Landwirtin, seit wenigen Wochen mit Facharbeiterabschluss.

Aber Routine, wie sie weiß, darf nicht zu weniger Aufmerksamkeit verführen. Denn das Erntegut will sorgfältig auf Schwad gelegt und zur rechten Zeit abgefahren sein, um es dann im Silo gleichmäßig zu verteilen und zu verdichten. Hochwertiges Grundfutter mit einer hohen Energiekonzentration für die rund 2.000 Milchkühe zu erzeugen, ist das A und O, hat ihr Vater Wilhelm immer wieder deutlich gemacht.

Immerhin gehören die Lübbinchener zu Brandenburgs Milcherzeugern mit der höchsten Leistung, sprich 13.000 kg pro Kuh und Jahr. Und machten zudem beim jüngsten Berufswettbewerb der Landjugend in der Kategorie Landwirtschaft von sich reden. Denn den ersten Platz beim Landesausscheid belegte „Franzi“.

Kuhstall der Lübbinchener Milch und Mast GbR
Tierwohl steht obenan im Lübbinchener Milchviehbetrieb, der zugleich gute Arbeitsbedingungen bietet. (c) Sabine Rübensaat

Erster Platz beim Landesausscheid der Landjugend

Herzlichen Glückwunsch noch nachträglich. Hatten Sie mit diesem Ergebnis gerechnet?

Ein Platz im oberen Bereich wäre ganz schön, habe ich mir gesagt. Aber wollte mich auch nicht selbst zu sehr unter Druck setzen. Dass die Sache dann so ausgeht, hätte ich nicht gedacht.

Glück gehabt?

Na ja, ich hatte mich schon ordentlich vorbereitet. Aber die Aufregung steigt, wenn es dann soweit ist. Es kann passieren, dass einem die einfachsten Sachen nicht einfallen.

Welche zum Beispiel?

Eine Aufgabe bestand darin, zwei Milchkühe zu bonitieren. Also das Exterieur, das Euter und so weiter zu bewerten. Eigentlich kein Problem. Aber die zwei Tiere in der ersten oder zweiten Laktation kamen mir kleiner vor als die Holsteiner aus unserem Stall. Ich sollte dann noch eine Kaufentscheidung treffen. Damit habe ich mich etwas schwer getan, konnte aber wohl doch die Richter überzeugen.

Eine Feldbonitur durfte gewiss auch nicht fehlen.

Es ging auf einen Roggenschlag, ich musste bewerten, wie sich die Kultur entwickelt hat und welcher Ertrag zu erwarten ist. Körner zählen, Ähren zählen, dann eine Hochrechnung machen, das alles ist keine große Herausforderung. Aber mach das mal, wenn einem dabei kritisch zugeschaut wird und die Zeit läuft.

Welchen Ertrag konnten Sie ermitteln?

Rund 45 Dezitonnen pro Hektar. Ich lag da ziemlich richtig, die Abweichung war wohl nur gering .

Bei ihrem Praktikum in der Bauern AG Neißetal lernte sie den Facettenreichtum der Landwirtschaft kennen. Dazu zählt auch die Kälberhaltung. (c) Sabine Rübensaat

Praktikum als Entscheidungshilfe

Nach der Ehrung auf der diesjährigen Brandenburger Landwirtschaftsausstellung gab es dann sicherlich noch eine Feier in privater Runde?

Meine Eltern haben daheim mit mir angestoßen. Ich glaube, Papa hat sich fast noch mehr gefreut als ich. Meinen Kameradinnen und Kameraden von der Freiwilligen Feuerwehr Taubendorf habe ich dann einen Kasten Bier und eine Pizza spendiert.

War denn frühzeitig schon klar, wo Ihre berufliche Reise hingeht?

Überhaupt nicht. Nach dem Abitur vor drei Jahren wollte ich ursprünglich studieren und die Richtung Lehramt einschlagen, so wie meine ältere Schwester. Aber so richtig überzeugt war ich nicht davon. Landwirtschaft war kein Thema, da hat man mir abgeraten. Da ich gern reite und wir zu Hause drei Ponys haben, war dann der Plan, auf einem Pferdehof bei Potsdam zu arbeiten. Doch der fand schnell ein Ende, weil ich mir einen Finger gebrochen hatte. Also saß ich zu Hause und fragte mich: Berufsorientierungsjahr, was nun?

Was kam dann?

Ein Bekannter, der in einem großen Landwirtschaftsbetrieb ein paar Dörfer weiter arbeitet, empfahl mir, dort ein Praktikum zu machen. Das hat mich überzeugt, weil solch ein Praktikum immer auch ein guter Einstieg fürs Studium ist. Ich war dann überrascht nicht nur davon, wie schnell die sechs Monate in der Bauern AG Neißetal vergingen. Die Arbeit dort hat mir richtig Spaß gemacht, auch wenn ich mich an das frühe Aufstehen erst mal gewöhnen musste! Aber auch das war nur eine Frage der Übung.

Ausbildung bietet praktisches Wissen

Was stand alles an?

Das ganze Programm. Ich habe im Kälberstall angefangen, wo mir ein Facharbeiter alles rund um die Fütterung erklärt hat. Dann ging es zum Melken und später in den Schweinestall. Dort habe ich erst unter Anleitung gearbeitet, dann selbstständig. Spannend fand ich, dass ich auch bei Abkalbungen dabei sein und der Tierärztin über die Schulter schauen konnte. Und ich stellte fest, dass auch der Feldbau eine ganz interessante Sache ist. Dort gibt es eine Menge zu beachten. Nach dem Praktikum jedenfalls war für mich ein Studium erst mal abgehakt.

Warum?

Ich habe Studenten kennengelernt, die sicherlich eine ganze Menge über Landwirtschaft wussten, aber von der Praxis keine Ahnung hatten. Mir war klar, dass ich zwar auch erst ein bisschen reingeschnuppert hatte. Aber ich wollte auch keine halben Sachen machen. Deshalb meine Entscheidung, eine Landwirtschaftslehre aufzunehmen.

Gute Tierhaltung und Arbeitsbedingungen als Hauptaspekt

Weshalb aber gerade in dem Betrieb, in dem Ihr Vater den Feldbau leitet?

Ich hatte mich bei mehreren Unternehmen in der Region beworben, wo ich dann auch Zusagen bekam. Aber beim genaueren Hinsehen wurde mir bewusst, dass hier in Lübbinchen die für mich besten Bedingungen herrschen. Hier gibt es einen modernen, erst vor sieben Jahren errichteten Milchviehstall, der nicht nur den Kühen viel Komfort, sondern auch den Beschäftigten gute Arbeitsbedingungen bietet.

Ist es nicht schwierig, den eigenen Vater zum Chef zu haben?

Eigentlich nicht. Er hat mich nie in diese Richtung gedrängt. Ich glaube sogar, dass er anfangs gar nicht so begeistert war, obwohl er meine Entscheidung voll akzeptiert hat. Als Leiter wird er ja besonders danach bewertet, ob er zu nachgiebig oder zu streng mir gegenüber ist. Von Vorteil war, dass neben mir noch zwei weitere Mädchen ihre Ausbildung absolvierten. Außerdem war ein erfahrener Feldbaumeister unser unmittelbarer Vorgesetzter.

Und wenn es dann doch mal eine väterliche Kritik gibt?

Dann hat die garantiert ihren Grund.

Vater und Tochter Aldag teilen die Liebe zur Landwirtschaft. (c) Sabine Rübensaat

Sachliche Aufklärung als Herausforderung

Wie haben Ihre Freundinnen aus der Abiklasse auf Ihre Entscheidung reagiert, Landwirtin zu werden?

Die meisten fanden es cool. Eine von ihnen, die ein Studium begonnen und dann wieder abgebrochen hatte, sagte zu mir: Du hast das richtig gemacht!

Aber sind Sie nicht auch mit den üblichen Vorwürfen konfrontiert, dass Landwirte ihre Böden überdüngen und die Tiere unter unwürdigen Bedingungen halten?

Natürlich. Aber ich sehe das nicht als Problem, sondern als Herausforderung, sich mit solchen Auffassungen auseinanderzusetzen. Die haben ja meist mit fehlendem Wissen zu tun. Da hilft nur, sachlich aufzuklären, warum beispielsweise Pflanzenschutz so wichtig ist. Und dass es durchaus auch im Tierwohlsinne erforderlich ist, Antibiotika einzusetzen, streng dosiert natürlich.

Was antworten Sie auf die Frage, wie es den Kühen in Lübbinchen geht?

Dass sie in einem hellen, gut belüfteten Stall mit ausreichend Platz und viel Liegeflächen untergebracht sind, die regelmäßig eingestreut werden. Und dass die hohe Milchleistung nicht nur an gutem Futter liegt, sondern auch daran, dass sich die Kühe hier wohl fühlen. Unsere Besucher sind immer wieder überrascht, wie ruhig es in unseren Ställen zugeht. Nicht die Zahl der Tiere ist entscheidend, sondern die Art, wie sie gehalten werden.

Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?

Ab Oktober beginne ich ein Studium der Agrarwissenschaften in Halle. Das möchte ich zu einem guten Ende bringen. Danach schauen wir mal. Aber ich bin sicher, dass es mich wieder in die Praxis zieht.


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