Die Jungs von SonuVab!tch

Die Holzfenster zum Nachbargarten sind mit mehreren Lagen Styropor und Schaumstoff versehen, die Wände mit speziellen Dämmplatten verkleidet, und unter der Decke hängen Stoffbahnen. Das verbessert die Akustik für die Proben und lässt so wenig wie möglich von dem, was hier passiert, nach draußen dringen. Und das ist auch besser so – zumindest für den Nachbarn –, obwohl sich durchaus hören lassen kann, was hier passiert. Aber Üben heißt Wiederholung, und das kann mitunter nerven, wie jeder weiß, der bei so etwas schon mal länger zuhören musste. Wir befinden uns im Stall des Forsthauses von Oettelin bei Bützow. Hier probt SonuVab!tch. Wie bitte? Wer?

Von Heike Mildner

Namensgeber ist amerikanischer Kultroman

Abgesehen davon, dass es viele Möglichkeiten gibt, ihren Bandnamen auszusprechen, ist Sonuvabitch ein Schimpfwort und bedeutet soviel wie Hurensohn. Jerome David Sallinger verwendete es in seinem berühmten „Fänger im Roggen“ fast genau so gern und oft wie „goddam“ oder „fuck“. Der aus diesem Grund im prüden Amerika einst verbotene Roman ist mittlerweile nicht nur Kult für Heranwachsende, sondern in der Schule sogar fast sowas wie Pflichtliteratur. Vier der fünf Jungs von SonuVab!tch haben den „Catcher in the rye“ im Original für den Englischunterricht gelesen und das sonore Kraftwort zu ihrem Bandnamen erhoben. Abgesehen davon können die fünf sowohl sich selbst als auch ihre Mütter sehr gut leiden, wie sie freundlichst versichern.

Rockstars ohne Tatoos, Kokain und Nadel im Arm

Und auch die Differenz zwischen akustischem und optischem Eindruck könnte kaum größer sein. Wer die pressfrische CD der Mecklenburger einlegt, dem pustet druckvoll harter Rock mit pulsierenden Gitarren- und Basslinien die Haare nach hinten. Die pure Energie. Man stellt sich bis unter die Achseln tätowierte Langhaarschwenker vor, die Kippe im Mundwinkel, das halbvolle Bier neben dem Verstärker – und begibt sich damit auf kürzestem Weg in die Klischee-Abteilung. Es sei hart, dieser Tage ein Rockstar ohne Tattoos, Kokain und Nadel im Arm zu sein, beklagt sich Georg Salomon, der die meisten der englischsprachigen Texte für die Band geschrieben hat, mit nicht allzu leisem Hang zur Selbstironie und fordert, sich dem Kampf gegen Stereotype zu stellen. Der 22-Jährige ist im Oetteliner Forsthaus, in dessen Stall die Band seit anderthalb Jahren probt, aufgewachsen. Der Vater Revierförster, die Mutter Amtstierärztin, ist Georg wie die anderen vier Musiker im Ländlichen verwurzelt. Beruflich allerdings zieht es ihn nicht aufs Land. Nach einem dualen Studium am Bildungs- und Wissenschafts-zentrum der Bundesfinanzverwaltung in Münster hat er vor sechs Wochen seinen Dienst als Finanzwirt beim Zollkriminalamt in Köln angetreten und hat nunmehr den weitesten Weg zu Elternhaus und Probenraum.

Sänger Tobias Horstmann, der mit nur einem Arm zur Welt kam, dafür aber mit einer wunderbaren Stimme bedacht wurde, ist ein Jahr jünger als Georg und tritt, nicht nur was den Beruf anbelangt, in seine Fußstapfen. Neben seiner Ausbildung in Münster mischt er immer häufiger beim Entstehen der Texte mit, die er später als Sänger auf die Bühne bringt. Bassist Lennart Münchow hat lange ein paar Häuser entfernt von Georg in Oettelin gewohnt, lebt und arbeitet nach seiner Lehre zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel mittlerweile aber in Rostock. Musikerkollege Johann Knoche, aufgewachsen in Hermannshagen, studiert Wirtschaft in der Hansestadt und Schlagzeuger Lucas Bartels ist angehender Mediengestalter. „Ich bin froh, dass wir nicht sone Stadtband geworden sind, sondern, dass wir weiter hier in Oettelin proben“, gesteht Georg, der mittlerweile sein Geld in Flugtickets Köln-Laage anlegt. „In der Stadt wäre der Probenraum halb so groß und wir müssten ihn uns wahrscheinlich mit drei andern Bands teilen“. Dass neben Verstärker- und Instrumentenecke sowie einem ausgewachsenen Ecksofa nebst Couchtisch auch noch fünf (!!) Fernseher, die ihre Wohnzimmerkarriere längst hinter sich haben, im Probenraum stehen, beruhigt irgendwie. Weisen sie doch darauf hin, dass bei aller beruflicher Seriosität, drogenverneinenden Integrität und freundlich-unspektakulärem Erscheinungsbild die Vertreter der jüngsten Musikergeneration bei aller Zielstrebigkeit doch noch einem Laster frönen: zwischendurch mal ein paar Zockerrunden Xbox.

Kings auf dem Pausenhof

Kennengelernt haben sich die fünf jungen Männer am Gymnasium in Bützow. Sie hatten das Glück, zu der Zeit dort Schüler gewesen zu sein, als Dr. Jan-Peter Koch dort Musik unterrichtete. „Er hat an der Schule ein bandfreundliches Klima geschaffen“, erzählt Lennart. „Wo willst du mit 14 ein Schlagzeug herkriegen oder einen guten Gitarrenverstärker?“ Der Lehrer öffnete die Tür zum Probenraum in der Schule und ermutigte die Teenager zu eigenen Versuchen. „2006 gab es bestimmt zehn Bands in Bützow. Wir kannten uns natürlich alle, standen in gesunder Konkurrenz, lernten voneinander und waren die Kings auf dem Pausenhof“, erinnern sich die Jungs, die damals noch in verschiedenen Bands spielten, an ihre Anfangsjahre als Musiker. Johann spielte mit Lennart und Lucas in einer Metalband. Er hatte als einziger von SonuVab!tch schon früh Instrumentalunterricht: Klavier. Aber das wäre sicher irgendwann im Sande verlaufen, hätte er nicht in der Musikschule einen Gitarrenlehrer aus Mexiko gehabt, der auf seine Metal-Neigung einging. Georg, der nicht nur die Texte, sondern auch viele musikalische Songideen einbringt, lernte autodidaktisch Gitarre,  spielte in einer Coverband und tauschte sich mit den anderen Bands aus. Basser Lennart aus dem gleichen Dorf fing Feuer, holte die Gitarre seiner Mutter vom Dachboden, übte und wechselte zum Bass. Wenige Jahre später folgte er dem beliebten Lehrer, der mittlerweile am Musikgymansium in Rostock unterrichtet, um an der Spezialschule sein Abitur und noch mehr Musik zu machen.

Auch dass SonuVab!tch in der heutigen Besetzung zusammenspielt, hat noch mit der Schulzeit zu tun. In der 11. Klasse schreibt Georg eine Facharbeit über das Songwriting: „Wie entsteht ein Song?“ Er handelte die Sache nicht nur theoretisch ab, sondern bringt mit „We want vengeance“, die Angelegenheit auch praktisch auf den Punkt und fragt die anderen, ob sie den Song mit ihm einspielen. Neben 14 Punkten in der Facharbeit, kam dabei ein Titel heraus, der es als einer von zwölf auf das Debutalbum der Band geschafft hat, das gerade fertig geworden ist. Drei Jahre haben SonuVab!tch daran gearbeitet und haben sich in dieser Zeit so entwickelt, dass sie die Titel, die sie zuerst aufgenommen haben, am Ende noch mal einspielten, weil sie ihnen zu schlecht erschienen. „Wir wollten einen Longplayer mit zwölf Titeln und keinen halbgaren Mist“, sind sich die Mecklenburger einig.  Um das Geld für die Platte aufzutreiben, sprachen die Musiker Geschäftsleute aus der Region an, die nun auf der Rückseite eines DIN-A3-Flyers mit Bandfoto verzeichnet sind – vom Frisör über den Mopedladen bis zum Landwirt. Insgesamt kamen dabei 10.000 € zusammen, die komplett in die CD-Produktion investiert wurden. Überhaupt gehen alle Einnahmen in die Bandkasse. „Ausgezahlt haben wir uns noch nie was, immer nur reingebuttert“, sagt Schatzmeister Lennart. Schon vom Jugendweihe- und Konfirmationsgeld und dem Lohn für die ersten Ferienjobs wurden vor Jahren die ersten Verstärker und Instrumente angeschafft. Daran hat sich vom Prinzip bisher nichts geändert. Erklärtes Ziel der Band ist es, ganz oben mitzumischen. „Die letzten vier Songs auf der Platte sind die besten“, finden nicht nur Georg und Tobias. „Das Rezept haben wir. Jetzt müssen wir mal gucken, was man damit noch so alles kochen kann.“

Auf dem Weg in die Charts

Im vergangenen Jahr kam SonuVab!tch beim School Jam, einem bundesweiten Bandcontest, das von Spiegel online, Viva und Respect.de unterstützt wird, und an dem etwa 1 600 Bands teilnahmen, unter die ersten acht und schafften es als erste Band aus Mecklenburg-Vorpommern, sich gegen Gruppen aus Berlin, Hamburg oder München zu behaupten. Beim Finale in der riesigen Festhalle in Frankfurt am Main durften sie zwei Titel spielen, wurden dabei von vier Kameras gefilmt und fanden ihre Abbilder auf mehrere Quadratmeter großen Hallenscreens projiziert. Eine besondere Erfahrung, die den Wunsch, es mit der Musik weiter zu bringen nur mehr schürte. Allerdings merkten die Mecklenburger auch, wie stark die anderen Bands sind, die es bis dahin geschafft haben. Zum Beispiel „Run liberty run“, die später bei der Castingshow X-Factor des Privatsenders Vox abräumten. Die lernten sie in Frankfurt kennen und luden sie ein, auf dem von ihnen organisierten „FestEvil“, das am 31. August in Langen Trechow stattfand, zu spielen. „Wenn nichts los ist auf dem Land, machen wir eben selbst was los“, sagen sich die Musiker, die über ihre diesbezüglichen Erfahrungen beim Zukunftsforum Landjugend auf der MeLa berichten werden und dort ein paar ihrer Songs mit leichter Verstärkung spielen.

Eine Woche zuvor haben sie das schon mal auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin geübt. Wer weder nach Berlin noch zur MeLa kommen kann, sollte einfach mal unter www.soab-online.com gucken, ob die Mecklenburger  mal in der Nähe sind. Dort kann man auch die CD bestellen.

Und natürlich sind SonuVab!tch auf Facebook und YouTube zu finden. Es geht ja schließlich um Musik, und die muss man hören!