Start-up-Days auf der Grünen Woche: Veganer Mozzarella und Snacks aus Grillen
Bei den Start-up-Days auf der Grünen Woche ging es um Mozzarella aus Cashew-Kernen, Bienen-Sound, Kichererbsen-Snacks und wie man Pflanzen platzsparend und effektiv ohne Erde anbauen kann.
Von Wolfgang Herklotz
Start-up? Klingt cool! Hüter der deutschen Sprache mögen den Kopf schütteln über diese Anglizismen. Doch sie gehören längst zum Wortschatz nicht nur von jungen Leuten.
Start-up: Umgang mit Normen und Traditionen
Kurz zur Erinnerung: Als Start-up bezeichnet man ein Unternehmen, das gerade an den Start gegangen ist. Cool heißt eigentlich kühl, wird aber vor allem als lobendes Prädikat verwendet. Auch oder gerade wenn es darum geht, sich über Normen und Traditionen hinwegzusetzen. Tragen junge Männer beispielsweise Wollmützen in geschlossenen Räumen, obwohl diese wohltemperiert und Temperaturstürze nicht zu erwarten sind, können sie auf Anerkennung hoffen. Noch dazu, wenn sie zu jener Spezies auf dem Wege in die Selbstständigkeit gehören …
Start-up-Days: Junge Leute stellen ihre Unternehmen vor
Bereits zum sechsten Male fanden vor wenigen Tagen auf der Internationalen Grünen Woche die Start-up-Days statt. Eine Veranstaltung, die jungen Leuten aus der Agrar- und Ernährungswirtschaft die Möglichkeit gibt, ihre Unternehmen vorzustellen. Was zeichnet ihre Produkte aus, was ist das Innovative daran? Welches Marketingkonzept steht dahinter?
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Grüne Woche Start-up-Days: Eiweiß-Snack aus Grillen
Einer nur jeweils zweiminütigen Präsentation in der Halle 6.2a schloss sich die Fragerunde durch eine siebenköpfige Jury an, die dann Punkte anhand klar definierter Kriterien vergab. Zu beurteilen waren die Geschäftsidee und der gesellschaftliche Mehrwert, aber auch die Präsentation selbst. Die ein bisschen an die Bewertung von Eiskunstläufern erinnernde Runde, bei der anschließend die auf kleinen Schildern notierte Punktezahl der einzelnen „Richter“ offeriert wurde, sorgte für gespannte Aufmerksamkeit. So auch bei Florian Berendt, standesgemäß mit Wollmütze.
Er hatte sein Unternehmen EntoSus vorgestellt, das auf die Verarbeitung von Grillen zu eiweißhaltigen, knusprigen Snacks setzt. Kein leichter und immer noch steiniger Weg hin zur Gunst des Verbrauchers und des Handels, räumte der Jungunternehmer aus Bremen auf Nachfrage ein. „Aber die Akzeptanz wächst!“ Eine Konkurrenz zu anderen Mitbewerbern sehe er nicht, man arbeite gemeinsam am zukünftigen Ernährungspuzzle. Sein Credo: „Dranbleiben!“
Pflanzentheke spart Wasser und Dünger
Dem hat sich auch das Team Pflanzentheke verschworen. Das im Sommer 2022 gegründete und im hessischen Lorsch ansässige Unternehmen entwickelte ein System des hydroponischen, also erdlosen Anbaus von Obst und Gemüse. Dieser erfolgt in vertikalen Gestellen, die Pflanzen werden etagenweise mit einer Nährlösung versorgt, die in einem geschlossenen Kreislauf zirkuliert. Eine intelligente Mess- und Regeltechnik kommt dabei zum Einsatz, bis zu 80 Pflanzen können pro Quadratmeter aufgezogen werden, versichert Mitgründer Dr. Michael Müller.
Interessant für Obst- und Gemüsebauern
„Im Vergleich zum bodengebundenen Anbau können so bis zu 90 % Wasser und 85 % Dünger eingespart werden.“ Was angesichts der immer schwieriger werdenden klimatischen Bedingungen vor allem für Obst- und Gemüsebauern, aber auch Landwirte von großem Interesse sein dürfte.
Nach Bedarf werden Soft- und Hardware geliefert und die Prozesse von Aussaat bis Ernte betreut, Beratung unisono. Da der erdlose Anbau in den Kinderschuhen stecke, so Müller, komme es jetzt vor allem darauf an: „Vertrauen aufbauen, damit unser System eine breite Anwendung findet!“
Kichererbse: Knackige Snacks aus Hülsenfrüchten
Marktpotenzial steckt durchaus auch in Hülsenfrüchten. Derzeit werden davon nur 1,5 kg pro Kopf und Jahr verzehrt. „Das muss sich ändern“, beschloss Emilie Wegner aus Leipzig. Denn gerade Kichererbsen sind proteinreich, glutenfrei und wertvoll auch für Allergiker, so die studierte Ernährungswissenschaftlerin.
Ihre Idee: Die Erbsen schonend und ohne Fett rösten, um die Nährstoffe zu erhalten und daraus knackige Snacks fertigen! Was mit vielen Experimenten in der Küche zu Hause begann, entwickelte sich binnen kurzer Zeit zu einem Unternehmen (Hülsenreich) mit einer rund 400 Quadratmeter großen Produktionshalle, in der die Hülsenfrüchte eingeweicht, gekocht und anschließend im Röstofen getrocknet werden. Das Würzen und Verpacken erfolgt per Hand, zum Dauersortiment gehören acht herzhafte und vier süße Sorten.
Für Veganer und Vegetarier
Der in 90-Gramm-Tüten verpackte Knabber-Spaß soll nicht nur Veganer und Vegetarier ansprechen und ist in Filialen eines großen Drogeriemarktes, aber auch einer namhaften Bio-Kette zu haben. Noch werden die Kichererbsen aus Italien importiert, weil hierzulande zu wenig angebaut werden. „Auch das soll sich künftig ändern“, berichtet die Leipzigerin, die vor Jahren schon mal die Start-up-Days verfolgt hatte, damals lediglich als interessierte Zuhörerin …
KI-Überwachung für Bienenstöcke
Versierte Imker hören schon an den Geräuschen im Bienenstock, ob alles in Ordnung ist. Fehlt die Königin, gibt es eine andere Schwarmstimmung. Doch dazu muss die Frau oder der Mann vom Fach ständig bei den Bienen sein und mitunter lange Wege in Kauf nehmen. Für die Hobbyimker und -imkerinnen mit zwei, drei Völkern trifft das eher nicht zu, doch dafür fehlt es meist am geschulten Gehör. Eine Alternative besteht darin, mittels Künstlicher Intelligenz ein Tool zu entwickeln, um das Summen der Insekten zu analysieren und anhand der Schallfrequenzen zu erkennen, wie es dem Schwarm geht.
Diese Idee verfolgt die Biologin Dr. Michelle Maurer zusammen mit Wirtschaftsinformatiker Kevin Kraus und Informatiker Julian Obrecht aus Hamburg. Sie entwickeln das Monitoringsystem Hivesound, bei dem Mikrofone in den Bienenstöcken installiert werden. „Es ist aber auch möglich, für die Aufnahme ein Smartphone zu verwenden. Wir werten die Daten aus und geben Handlungsempfehlungen.“ Zunächst galt es aber im Team zu erlernen, was Imkern bedeutet. „Dafür haben Michelle und Julian einen umfangreichen Kurs besucht.“ Mit leuchtenden Augen (und obligatorischer Wollmütze) gab Kevin eine schlüssige Kurzvorstellung trotz schwierigen technischen Sachverhalts und wusste zu beeindrucken.
Sieg mit veganem Mozzarella
Jubel dann bei Nico Hansen und Marie Tauber vom Hamburger Unternehmen Vanozza. Es belegte den ersten Platz und erhielt ein Preisgeld von 1.000 Euro. „Der Auftritt hat viel Vertrauen geweckt“, so Prof. Dr. Rainer Langosch, Dekan der Hochschule Neubrandenburg und einer der sieben Juroren. Doch es war nicht nur die Art und Weise der Präsentation des Firmenkonzepts – frei heraus und ohne Power-Point-Präsentation.
Vanozza produziert pflanzlichen Mozzarella auf der Basis von Cashewkernen nur mit natürlichen Zutaten, ohne Aromen, Farb- und Konservierungsstoffe. Oberste Priorität haben Qualität, Nachhaltigkeit und Geschmack, wovon sich die Jury beim Verkosten überzeugen konnte. Die Käseälternative ist bereits bei einer großen Lebensmittelkette gelistet. Wie Nico Hansen erläuterte, waren seit 2015 rund 1.000 Versuche nötig, um den Geschmack zu verfeinern – und auch Schützenhilfe aus Norditalien. „Meine Tante hat bei der Suche nach den passenden Zutaten sehr geholfen.“ Mamma Mia!
Weitere Start-ups bei den Start-up Days
Artikel aus der Ausgabe 05/2024 Seite 48-49
Top Themen:
- Gemüseanbau ohne Boden?
- Alternativen zum Agrardiesel
- Sonnenblumen Sortentest
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