Niederschlagswasser in Fahrsilos: Ausbringen oder behandeln?
Kontaminierte Niederschlagsabflüsse aus Fahrsilos werden in der Regel als Wirtschaftsdünger ausgebracht. Mit der neuen Düngeverordnung wird dies nun weiter eingeschränkt. Aber ein Beispiel aus Sachsen zeigt, wie man das Problem lösen kann.
Von Dr. Oliver Baeder-Bederski (I.D.E.E. Leipzig) und Rene Richter (TÜV Thüringen)
Die Siloflächen in Hennersdorf liegen unmittelbar an der Grenze zur Zone III des Wasserschutzgebietes im Talsperrensystem Klingenberg-Lehnmühle. Und sie liegen an einer Wasserscheide auf 630 m über dem Meeresspiegel. Für die Sadisdorfer Agrar AG spielten deshalb die Belange des Natur- und Gewässerschutzes eine wesentliche Rolle, als es um die Baugenehmigung ging, die sie zur Erweiterung ihrer Milchviehhaltung benötigte. 2013 wollte der Betrieb im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge weitere 500 Milchviehplätze schaffen. Für die zusätzlichen Milchkühe und für eine 750-kW- Biogasanlage waren drei zusätzliche Silokammern nötig. Deshalb stand für Geschäftsführer Nikolaus Flämig auch der Umgang mit den dadurch zunehmenden Siloabflüssen auf der Agenda.
In der Vergangenheit wurden die Gär- und Sickersäfte in einem 500 m3 fassenden Sickersaftbehälter aufgefangen und die Niederschlagsabflüsse im betriebseigenen Grünland versickert. Obwohl die Versickerung mehrfach verbessert wurde, zeigten sich über die Jahre deutliche Bodenschädigungen infolge Versauerung und Verblockung. Eine Grundwasseranalyse im Abstrom 130 m von der Versickerung zeigte eine extrem hohe Ammoniumstickstoffkonzentration von 27 mg/l an. Dieser Missstand sollte mit dem Erweiterungsbau behoben werden.
Die Lösung bestand im Bau einer Trennkanalisation unter der gesamten Siloplatte für Gär- und Sickersäfte (Schmutzwasser) bzw. Regenwasserabflüsse und der anschließenden Behandlung der Regenwasserabflüsse mithilfe eines schilfbewachsenen Bodenfilters (Pflanzenkläranlage). Die damaligen Optionen „Speicherung“ oder „Behandlung“ sollen im Folgenden mit Blick auf das aktuelle Regelwerk beleuchtet werden.
Das Arbeitsblatt A 792
2018 erschien das Arbeitsblatt A 792 „JGS-Anlagen“ der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall als erste Ausgabe eines bundeseinheitlichen Regelwerks (DWA-A 792, 2018) für Jauche-, Gülle und Silagelageranlagen. Damit wurden allgemein anerkannte Regeln der Technik für einen „bestmöglichen Schutz der Gewässer“ (WHG, 2014) entsprechend der „Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen“ (AwSV, 2017) definiert.
In besagtem Arbeitsblatt wird die Trennkanalisation auf Siloflächen zur Minimierung der zu speichernden Menge verunreinigter Niederschlagsabflüsse empfohlen. Simulationsrechnungen für den Standort Hennersdorf entsprechend der Flächenaufteilung nach A 792 ergeben, dass damit tatsächlich nur 13 % der Abflüsse erfasst werden. Für die übrigen ca. 87 % Abflussvolumina wird im A 792 auf eine „Ableitung nicht verunreinigten Niederschlagswassers nach wasserrechtlichen Vorschriften“ verwiesen. Mehrere Studien gehen jedoch auch für diesen Teil der Niederschlagsabflüsse aus der Trennkanalisation von einer Schmutzfracht entsprechend 5.000 mg CSB/l* aus, welche etwa sechsfach höher als in kommunalem Abwasser ist. Diese aktuellen Studien wurden jedoch bei der Erarbeitung des Arbeitsblattes nicht berücksichtigt. (* chemischer Sauerstoffbedarf pro Liter)
Die Bezeichnung „nicht verunreinigte Niederschlagsabflüsse“ im A 792 grenzt damit nur den Geltungsbereich des Arbeitsblattes auf den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen ein und delegiert die Zuständigkeit für diese Wässer mit dem Verweis auf die Notwendigkeit einer wasserrechtlichen Erlaubnis zur Einleitung. Diese Niederschlagsabflüsse unterschiedlichster Schmutzfracht sind zwar technisch nicht mehr den allgemein wassergefährdenden Stoffen zuzuordnen, sie sind aber eindeutig Abwasser, welches behandelt werden muss. Aus dem Betrieb einer Trennkanalisation auf Siloflächen kann auf keine sogenannte Einhaltefiktion** geschlossen werden. Denn Trennschächte sind keine mechanische Abwasserbehandlungseinrichtungen mit definierter Reinigungsleistung. Sie können nur als Steuerungselemente einer nachfolgenden Verwertung (Fermentation, Düngung) bzw. Beseitigung (biologische Abwasserbehandlung) eingesetzt werden. (** unschädliche Einleitung nicht kontaminierter Abflüsse)
Das ist keine Lösung
Bislang ist es jedoch weder auf Bundes- noch auf Länderebene gelungen, sich auf allgemeingültige Mindestanforderungen für die Einleitung von Niederschlagsabflüssen aus Siloflächen zu einigen. Auch wenn es dafür viele politische, rechtliche und technische Begründungen gibt, rückt eine wirtschaftlich und ökologisch vertretbare Lösung damit in weite Ferne. Wenn man keinen Weg findet, die Einleitung von Niederschlagsabflüssen nach entsprechenden Regelungen zu erlauben, wird künftig aufgrund des Arbeitsblattes A 792 nur noch die vollständige Speicherung und Ausbringung bleiben.
Abgesehen von dem zwangsläufigen Konflikt vermehrter Ausbringemengen bei gleichzeitiger Einschränkung der Ausbringungsmöglichkeiten, erscheint diese Lösung auch aus anderen Gründen zumindest noch nicht vollständig durchdacht. Die im A 792 empfohlene Einrichtung einer Trennkanalisation auf den Siloflächen zur Verringerung des notwendigen Speichervolumens macht dann keinen Sinn. Auch die Bemessungsansätze im A 792 für das notwendige Speichervolumen, die generell nur Teilflächen geöffneter Silos und mittlere Jahresniederschläge berücksichtigen, können dann nur bedingt auf die Gesamtfläche übertragen werden. Denn je größer die angeschlossene Entwässerungsfläche ist, umso stärker fallen saisonale und langfristige Schwankungen der Niederschlagsmengen ins Gewicht.
Nach heutigem Stand der Technik ist für eine Bemessung eine sogenannte Kontinuumssimulation (DWA-A 117, 2013) anzuwenden. Vergleicht man z. B. für den Standort Hennersdorf die Bemessung des notwendigen zusätzlichen sechsmonatigen Speicherraumes für Niederschlagsabflüsse im Güllelager nach A 792 mit den Ergebnissen einer Kontinuumssimulation, vergrößert sich der Speicherbedarf um mehr als das Dreifache (Tab. 1). Den spezifischen Gesamtkosten für die Speicherung und Ausbringung von 7,30 €/m3 steht aber ein Düngeäquivalentwert der Niederschlagsabflüsse von 9 ct/m3 aufgrund des geringen Stickstoffgehaltes mit ca. 90 mg N/l gegenüber.
Allgemein muss bei der Variante „Speicherung und Ausbringung“ vor allem durch die Auswirkung der aktuellen Regelungen der Düngeverordnung (DüV, 2017), der AwSV bzw. dem A 792 und des Immissionsschutzes mit Kosten zwischen 2,50 und 4,80 €/ m³ für die Lagerung (auf 25 Jahre bezogen) sowie zwischen 4 bis 5 €/m³ für die Ausbringung gerechnet werden. In der Summe sind für die Speichervariante Kosten in Höhe von 6,50 bis 9,80 €/m³ vorzusehen (Tab. 3).
Mindestanforderungen
Beim Bau in Hennersdorf 2013 entschied der Vorstand der Agrar AG, neben der Erweiterung auch die bereits 2004 errichtete Fahrsiloanlage noch mit einer Trennkanalisation auszustatten. Damit konnte eine deutliche Verminderung der Schmutzfracht der Niederschlagsabflüsse auf eine mittlere Konzentration von 5.500 mg CSB/l erreicht werden. Mit dieser geringeren Schmutzfracht ist eine aerobe Abwasserbehandlung dieser relativ leicht biologisch abbaubaren Inhaltsstoffe möglich.
Der Bewirtschaftungsaufwand für die Trennkanalisation im Verbund mit einer nachfolgenden biologischen Behandlung beschränkt sich neben der Umschaltung der Trennschächte je nach Silofüllung im Wesentlichen nur auf die Freihaltung der Abläufe und Schmutzeimer, da nur eine Minderung der Schmutzfracht und keine Verhinderung von Kontaminationen erreicht werden muss. Eine Nassreinigung der Flächen ist nur vor Aufbringen des Silolacks notwendig. Für die „Trockenwetterabläufe“, das heißt Gärsäfte bzw. nachlaufende Sickerwässer aus den geöffneten Silos, konnte der bereits vorhandene Sickersaftbehälter von 500 m3 genutzt werden.
Bei der Behandlung der Regenwasserabflüsse aus der Trennkanalisation entschied man sich für eine zweistufige Pflanzenkläranlage mit einem Absetz- und Pufferteich (Tab. 2). Die zuständige Untere Wasserbehörde im Landratsamt Dippoldiswalde forderte vor Baubeginn die Einrichtung einer Grundwassergütemessstelle im Abstrom der Versickerung des behandelten Abwassers, um eine eventuell negative Beeinflussung der Grund- bzw. Schichtenwasserqualität kontrollieren zu können (Verschlechterungsverbot). Tatsächlich zeigte sich aber, dass gegenüber dem Ausgangszustand eine deutliche Verbesserung der Grundwasserqualität eingetreten ist.
Der vormals extrem hohe Ammoniumstickstoffwert ist von ursprünglich 27 auf 0,2 mg NH4-N/l gesunken. Auch die Nitratkonzentration liegt im Mittel bei nur 3,6 mg NO3-N/l. Die Anlage würde auch heutigen Maßstäben einer Überlaufsicherheit bei Starkniederschlägen mit zweijähriger Wiederkehrzeit standhalten. Mengenmäßig werden 85 bis 96 % des gesamten Niederschlagsabflusses in der Anlage behandelt. Im Fall von außergewöhnlichen Starkniederschlägen mit einer Wiederkehrzeit länger als zwei Jahre kann zudem in dem jetzt wenig genutzten Sickersaftbehälter Regenwasser für eine spätere Ausbringung abgeschlagen werden.
Die Betriebskosten
Die niedrigen Betriebskosten sind auf den geringen Energieverbrauch bei hoher Kapazitätsbandbreite von Bodenfilteranlagen zurückzuführen (Tab. 3). Die Filteranlage in Hennersdorf ist heute eine der wenigen Regenwasserbehandlungsanlagen dieser Größenordnung, die die Anforderungen an eine ganzjährige Vollstrombehandlung und stabile Reinigungsleistung erfüllt. Die Einzelfallentscheidung der Unteren Wasserbehörde mit festen Einleitgrenzwerten und Kontrolle der Grundwassergüte im Abstrom hat sich praktisch bewährt. Die Option „behandeln und einleiten“ stellt für das Agrarunternehmen eine ganzjährig praktikable Lösung dar und erfüllt die Anforderungen der AwSV auch an Standorten mit Biogasanlagen. Dies gilt vor allem innerhalb der Sperrfrist für die mobile Ausbringung organischer Düngemittel ab 1. November bis 31. Januar sowie den Einschränkungen auf schneebedeckten bzw. gefrorenen Flächen.
Status quo bleibt
Weder die Gesamtfläche der Fahrsilos in Deutschland noch die zahlreichen Schadensfälle infolge diffuser Einträge aus deren Niederschlagsabflüssen werden bislang statistisch erfasst. Dabei kann allein für Siloflächen, die an Biogasanlagen angeschlossen sind, ein Abflussvolumen kontaminierter Niederschlagswässer von ca. 39 Mio. m3 geschätzt werden, was vier Millionen Einwohnergleichwerten entspricht.
Obwohl diese Menge in etwa der Emission der Bundesländer Sachsen oder Rheinland-Pfalz entspräche, bleibt der Status dieser organisch hoch befrachteten Niederschlagsabflüsse ohne einheitliche Mindestanforderungen für die Einleitung. Auch für JGS-Anlagen mit Bestandsschutz nach Anlage 7, Pkt. 7 der AwSV gelten weiterhin die entsprechenden Länderregelungen, sodass scheinbar kein Handlungsbedarf besteht, solange keine Schadensanzeige vorliegt. Bei Silos und ähnlichen Flächen an Biogasanlagen (ohne Bestandsschutzregelung) fordert die AwSV im § 19 Absatz 5 ausdrücklich die Beseitigung als Abwasser oder Verwertung als Gärsubstrat oder Wirtschaftsdünger. Wird z. B. Niederschlagswasser innerhalb der Umwallung einer Biogasanlage gesammelt, kann es, wie im Gelbdruck Pkt. 7.2 des Arbeitsblattes „Biogasanlagen“ (DWA-A 793 Teil 1, Gelbdruck, 2017) vorgesehen, erst nach Prüfung abgelassen werden.
Aber wie die Schmutzfracht im stehenden Wasser gemessen, welche Mindestanforderungen für die Kontrolle gelten und was letztendlich passiert, wenn die Kontrolle ein Ablassen verbietet, bleiben nach wie vor Fragen außerhalb des Geltungsbereiches des Regelwerkes für wassergefährdende Stoffe. Für die Betreiber von JGS-Anlagen bedeutet dies im Fall einer Baumaßnahme eine langwierige wasserrechtliche Einzelfallprüfung oder die Unsicherheit, bei eintretendem Gewässerschaden jederzeit eine Prämienkürzung im Rahmen der Cross-Compliance-Verpflichtungen befürchten zu müssen.
FAZIT: Der Umgang mit Niederschlagsabflüssen von Siloflächen bedarf – sowohl für die Option „Speicherung“ als auch für die „Behandlung“ – einer sorgfältigeren Bewertung als bisher. Erweist sich standortbezogen die biologische Behandlung als wirtschaftliche und sichere Lösung, wird mit einer Orientierung auf die Ausbringung nicht nur Lösungspotenzial verschenkt, sondern bei eingeschränkten Ausbringungsmöglichkeiten gleichzeitig Konfliktpotenzial erhöht.