Das wars dann wohl – erst wird der Hengst kastriert, dann stürzt er auch noch beim Aufwachen und muss endgültig eingeschläfert werden. Nun fährt der Pferdeanhänger leer zurück durch den eisigen Wald ... ®Sabine Rübensaat

Hengst hinüber

Damit es nach Operationen von größeren Tieren kein böses Erwachen gibt, sind ärztliche Aufklärungspflichten zu beachten. Hier sind nicht nur die Tierärzte in der Pflicht.

Von JPD-Gritschneder

Pferdebesitzer W. ließ seinen Hengst in einer Tierklinik kastrieren. Die Operation selbst verlief ohne Komplikationen. Doch in der Aufwachphase stürzte das Pferd bei dem Versuch aufzustehen und zog sich eine Trümmerfraktur im linken Sprunggelenk zu. Nach Rücksprache mit W. schläferten die Tierärzte und Klinikbetreiber das Pferd wegen der schwerwiegenden Verletzung ein. Herr W. weigerte sich, für die Operation zu zahlen und verlangte zudem von den Tierärzten Schadenersatz für den Hengst: Sie hätten ihn als Tierhalter vor dem Eingriff über die Risiken in der Aufwachbox aufklären müssen. 

Tierarzt: Information in groben Zügen ausreichend 

Die Mediziner verwiesen auf das Informationsblatt, das sie W. überreicht hatten („Aufklärung über Narkose- und Operationsrisiken“) und verlangten die Behandlungskosten. Das Oberlandesgericht Dresden entschied den Streit zu ihren Gunsten (Az. 4 U 1028/18). Die Überwachung in der Aufwachphase sei laut Sachverständigengutachten korrekt gewesen. Dass die Tierärzte keine Aufstehhilfen verwendeten, könne man ihnen nicht als Behandlungsfehler vorwerfen: Diese Hilfen würden von vielen Pferden nicht akzeptiert und könnten dann erst recht zu Verletzungen beitragen. 

Unberechtigt sei auch der Vorwurf unvollständiger Aufklärung. Vor einer Operation müssten Tierärzte die Tierhalter in groben Zügen über den geplanten Eingriff informieren, dessen Erfolgsaussichten, die Risiken und Alternativen. Das Informationsblatt der Klinik enthalte alle wichtigen Informationen und Herr W. habe auf dem Vertragsformular bestätigt, dass er es gelesen habe. Hier werde auf die Gefahr von Zwischenfällen nach der Narkose hingewiesen, auch wenn nicht speziell das Risiko ausgeführt sei, dass ein Tier in der Aufwachphase einen Bruch erleiden könne. 

Keine Nachfragen – geringes Risiko 

Ohne konkreten Anlass schuldeten Tierärzte dem Halter allerdings keine weitergehende Beratung dazu. Es habe sich um eine Routineoperation gehandelt, die bei einem gesunden Pferd kein besonderes Risiko darstelle. Zudem sei Pferdehaltern üblicherweise das Narkoserisiko bekannt: Und der erfahrene Reiter W. halte mehrere Pferde. Es habe ihm klar sein müssen, dass so ein schweres Tier zwischen Aufwachen und Stabilisierung stürzen und sich einen Bruch zuziehen könne. Im Gespräch mit dem Operateur habe er nicht nach weiteren Informationen zum Narkoserisiko gefragt. Es sei gering, aber eben nicht auszuschließen. 

Nach seiner eigenen Aussage habe W. den Hengst kastrieren lassen, weil er ihn unbedingt mit anderen Pferden auf der Weide oder im Stall halten wollte, statt „lebenslang in Einzelhaft“. Also sei es wenig plausibel, wenn der Pferdebesitzer nun behaupte, bei korrekter Aufklärung hätte er auf den Eingriff verzichtet. Aufgeklärt über das Frakturrisiko bei der Kastration (0,207 %), hätte sich ein vernünftig abwägender Pferdebesitzer wohl kaum wegen dieses minimalen Risikos gegen eine Operation entschieden, auf die er großen Wert legte.