Nach dem Melken laufen die Kühe gleich wieder zurück auf die Weide.

Neuseeland – wichtigster Akteur am globalen Milchmarkt

Obwohl das Land im Südpazifik nicht zu den größten Milcherzeugern der Welt zählt, exportiert Neuseeland jährlich fast 20 Millionen Tonnen Milch in Form von Butter, Milch- sowie Molkepulver und Käse.

Von Fritz Fleege

Neuseeland hat über zwei Millionen Hektar Grasland. Auf diesem weiden fünf Millionen Kühe, die jährlich 21 bis 22 Millionen Tonnen Milch liefern. Für die Saison 2020/2021 prognostiziert die Rabobank sogar einen Anstieg auf über 22 Millionen Tonne Milch. Jedoch müssen sich die Erzeuger laut der führenden Molkerei Fonterra auf niedrigere Preise einstellen. Die Spanne des zu erwartenden Milchpreises für ein Kilogramm Milchfeststoff (Fett und Eiweiß) liegt zwischen 5,40 NZ$ (3,12 €) und 6,90 NZ$ (3,99 €). Das ist sehr weit gefasst, was mit den Unsicherheiten in Coronazeiten erklärt wird. Umgerechnet entspricht das zwischen 25 und 32 ct/kg Milch bei 4,0 % Fett und 3,4 % Eiweiß. In Neuseeland wird grundsätzlich bei der Milch anders als hierzulande gerechnet, da zählt nicht die abgelieferte Milchmenge, sondern schlichtweg nur die Menge an Fett und Eiweiß, die eigentlich auch bei uns nur bezahlt wird. Neuseelands wichtigster Handelspartner ist seit Jahren China. So liefert das Land dorthin jährlich Milchprodukte im Wert von über 4 Mrd. €. Mit Ausbruch der Coronapandemie ist zwar der Handel anfangs eingebrochen, doch hat er sich bald wieder erholt.

Kiwi-Kühe stehen das ganze Jahr auf der Weide

Neuseelands Milchproduktion basiert auf einer saisonalen hochproduktiven Weidewirtschaft.
Das maritime Klima erlaubt es nämlich, die Herden das ganze Jahr über auf der Weide zu lassen. Das spart Stall- und Futterkosten. Die meisten Milchkühe gehören zur sogenannten Kiwi-Rasse, eine gezielte Kreuzung von Holstein- und Jerseyrindern. Sie zeichnen sich durch eine mittlere Milchleistung mit höheren Inhaltsstoffen aus, sind robust und fruchtbar. Die meisten Kühe kalben im Frühjahr ab. Die Blockabkalbung bietet arbeitstechnische Vorteile und hilft auch Kraftfutter zu sparen, weil dann für die Kühe in der Hauptlaktation viel Grünes heranwächst. Dieses System ermöglicht es den neuseeländischen Farmern, Milch zu den vermutlich niedrigsten Kosten in der Welt zu erzeugen.

Die meisten Milchkühe werden auf der Nordinsel gehalten. Aber auch auf der Südinsel hat sich die Rinderhaltung im letzten Jahrzehnt stark ausgedehnt. Allerdings ist die Rodung von Urwald von der Regierung gestoppt worden. Die Gesellschaft verlangt auch neuerdings von den Bauern einen stärkeren Gewässerschutz. So wurden Vorschriften bezüglich Stickstoffeinsatz, Winterbeweidung, Futterlagerung und Einrichtung von Feedlots erlassen. Auch das soll dazu beitragen, dass Neuseeland bis zum Jahre 2050 klimaneutral wird. Und auch die Marktbedingungen verschieben sich.

Es wird also auch für die Milchviehhalter in Neuseeland künftig nicht leichter. Gut über die Runden kommen da bei niedrigen Milchauszahlungspreisen nur Farmen mit niedrigen Kosten (low cost). Ein klassischer Low-CostBetrieb ist auf der Nordinsel in der Region Otorohanga der von Ueli und Beatrice Hofer, die vor 20 Jahren aus der Schweiz kamen. Die Farm verfügt über 50 ha Land und hält etwa 140 Holsteinkühe. Alle Kühe werden ganzjährig draußen gehalten. Von Mai bis in den Juli hinein, wo dort wenig Futter wächst, stehen alle Tiere trocken.Zum kargen Grasaufwuchs gibt es dann noch etwas Silage und Heu. Hauptabkalbezeit ist im Juli. Die Frischmelker kommen überwiegend mit reinem Weidefutter aus. An Kraftfutter gibt es bei guten Milchpreisen höchstens etwas Palmschrot. Überschüssiger Aufwuchs wird konserviert. Die Kälber kommen zunächst in einem Stall unter, wo sie an einem Tränkwagen mit 33 Nuckeln dreimal täglich Kolostral- beziehungsweise Vollmilch erhalten. Außerdem gibt es noch Heu und Müsli. Nach drei Wochen kommen die Kälber auf einer Weide in Hausnähe unter, wo es dann bald nur noch einmal am Tag pro Tier 5 l Milch gibt und nach acht Wochen gar keine mehr. Dadurch werden sie zeitig zu guten Grobfutterfressern erzogen. Die Rindermast und Jungrinderaufzucht erfolgen in der Nachbarschaft.

Bei den Milchkühen legt man nicht den größten Wert auf die Milchmenge, sondern auf die Menge an Fett und Eiweiß, also auf Milksolids (MS). Im Durchschnitt geben Hofers Kühe pro Laktationstag 1,5 kg MS, umgerechnet etwa 18 kg Mich. Im Jahr sind das etwa 5.500 kg Milch. Was aber für Hofers besonders zählt, ist die Flächenleistung, wo man fast auf 1.500 kg MS beziehungsweise 17.000 kg Milch pro Hektar kommt. Zu verdanken ist dies der guten Weideführung. So sind die Flächen mit festen Zäunen in Koppeln unterteilt, die dann noch je nach Tagesbedarf mit einem Elektrozaun in Portionen unterteilt werden. Um für einen besseren Aufwuchs über das ganze Jahr zu sorgen, erfolgt im Herbst eine Nachsaat mit Welschem Weidelgras und Luzerne. Die Leguminose hilft noch dazu, Stickstoffdünger einzusparen.

Maximale Erzeugung von Milch je Hektar

Einen ähnlichen Betrieb wie die Hofers in Otorohanga führen in Matamata Jonathan und Brigitte Hofer, die erst vor acht Jahren nach Neuseeland gekommen sind. Der junge Mann war dort zunächst als Farmmanager tätig. Als der Besitzer verstarb, kaufte er der Witwe den Kuhbestand ab und stieg als sogenannter Sharemilker in die Farm mit ein. Land und Technik blieben im Besitz der Witwe. Kosten und Gewinn werden nun je zur Hälfte geteilt. Künftig werden Hofers auch Land und Technik von der Eigentümerin kaufen. Das System Sharemilking ist mit etwa 4.500 Verträgen in Neuseeland weit verbreitet. Es hilft jungen Leuten zum Aufbau einer Farm und älteren zum Ausstieg beziehungsweise zur Alterssicherung. Der Bauernverband wacht darüber. Hofers verfügen derzeit über 67 ha Land und 200 Kühe. Dabei achten sie streng auf eine hohe Milchproduktion bei niedrigsten Kosten. Das gesamte Futter, außer etwas Kraftfutter für die Kälber, wird auf der Farm erzeugt.

Auch etwas Maissilage und Stoppelrüben gehören dazu, die im Herbst, wenn der Weideaufwuchs nachlässt, verfüttert werden. Hauptfutterquelle ist das Grünland, Im Durchschnitt erntet man dank guter Pflege je Hektar 210 dt Trockenmasse, was weit über 1.000 dt Frischmasse bedeutet. In Jahren mit reichlichen Niederschlägen hat man sogar schon 300 dt TM/ha ermittelt.

Die Kühe, überwiegend Kreuzungen (Jersey x Holstein), geben je Tier und Jahr über 340 kg MS, was etwa 4.500 kg Milch entspricht. Auf den Hektar Land bezogen, sind das etwa 660 kg MS, was etwa 8.700 kg Milch entspricht. Weil Land teuer ist, wird in Neuseeland eine maximale Milcherzeugung je Hektar angestrebt. Zum guten Ergebnis trägt auch ein niedriger Arbeitsaufwand bei. Jonathan Hofer zählt als 1 AK und seine Frau Brigitte als 0,2 AK. So lassen sich im Jahresdurchschnitt von einer Arbeitskraft 166 Kühe betreuen, wie die Auswertung in einem Betriebsvergleich ergab.

Dies ist möglich, weil die Abkalbung konzentriert ist sowie Melken und die Tierbetreuung gut organisiert sind. So beginnt die Besamungszeit im Juli. Brünstige Kühe, die in dieser Zeit auf dem Rücken mit Farbpatronen ausgestattet sind, die beim Bespringen platzen, lassen sich leicht erkennen. Gut zwei Drittel der Kühe werden nach der ersten Besamung tragend. Danach kommen Deckbullen zum Einsatz. Weil über 90 % der Kühe innerhalb von sechs Wochen abkalben, können alle zur gleichen Zeit trockengestellt werden. Vier Monate davor werden sie nur noch einmal am Tag gemolken, was viel Arbeitszeit einspart.

Waldrodung auf der Südinsel gestoppt

Noch viel größere Milchviehfarmen wie auf der Nordinsel findet man auf der Südinsel Neuseelands. So verfügt die Farm von Paul und Debora Magner, an der Westküste bei Hokatiko gelegen, über knapp 1.200 ha Land, Dort stand einst Wald, der bis 2005 gerodet wurde und nun auf 865 ha drainierter Fläche Gras wächst.
Solche Abholzungen sind von der heutigen Regierung untersagt. So manche Flächen werden nun wieder mit Bäumen ursprünglicher Herkunft bepflanzt. Und auch der Einsatz von Roundup-Mitteln (Glyphosat) vor Neuansaaten wird inzwischen kritisch betrachtet.

Vor zehn Jahren haben Magners auf ihrem Gelände zwei Melkzentralen mit je einem Melkkarussell errichtet, das über 50 Plätze und eine hohe Automatisierung verfügt. Auf der Farm werden mittlerweile 1.700 Milchkühe plus Nachzucht gehalten. Auch hier handelt es sich überwiegend um Kiwi-Kühe. Die Abkalbezeit beginnt Anfang August und endet Anfang Oktober. Die Kühe sind in zwei Herden eingeteilt. Bis Februar werden sie zweimal und dann nur noch einmal am Tag gemolken. Die Kühe erhalten jeden Tag eine neue Koppel. Wenn der Aufwuchs nachlässt, und das beginnt bei dem kieshaltigen Untergrund schon nach wenigen trockenen Tagen, wird Silage aus Ganzpflanzengetreide und Gras zugefüttert. Bei Bedarf bekommen die Kühe Palmschrot und Gerste.

Auch Futterzuckerrüben haben sich als Kraftfutter bewährt. Einige Grünlandflächen lassen sich bewässern. Insgesamt werden im Jahr 650.000 kg MS abgeliefert, je Kuh etwa 400 kg und je Hektar 900 kg, Auf der Farm werden also gut 8,5 Mio. kg beziehungsweise je Kuh 5.200 kg Milch erzeugt. Auf dem Unternehmen sind nur acht Arbeitskräfte beschäftigt. Neben der ganzjährigen Weidehaltung und der einfachen Ausstattung trägt auch die hohe Arbeitsproduktivität zu niedrigen Kosten bei, die bei 4,20 NZ$/kg MS liegen. Manche Betriebe sollen es sogar schon geschafft haben, die Kosten unter 2,70 NZ$/kg (16 ct/kg) zu senken. Auch bei recht niedrigeren Milchpreisen auf dem Weltmarkt kommen sie noch zurecht und können Gewinn erwirtschaften.

FAZIT: Neuseeland erzeugt über 90 % seiner Landwirtschaftsprodukte, vor allem Milch und Fleisch, für den Export. So gehen etwa 20 Mio. t Milch überwiegend in Form von Pulver und Butter ins Ausland. Zum größten Abnehmer hat sich China entwickelt. Von diesen besonderen Handelsbeziehungen hängt nicht nur Wohl und Wehe der neuseeländischen Farmer ab, sondern auch der gesamten Volkswirtschaft, weil die Landwirtschaft nach wie vor ein großes Gewicht hat. Die Milchviehhalter schauen weiterhin mit Zuversicht in die Zukunft. Schließlich haben sie es in den letzten Jahrzehnten stets verstanden, sich am Weltmarkt zu behaupten.