Der neue Kuhstall in Großzschocher ist hell und luftig und bietet den Kühen viel Tierwohl.

Gläserner Kuhstall der Agrarprodukte Kitzen eG

Um Erfahrungen auszutauschen, besuchte der Interessenverband der Milcherzeuger in diesem Jahr in die Agrarprodukte Kitzen eG am Rande der Messestadt Leipzig. Hier entstanden ein Stall und ein neues Melkzentrum mit 17 Robotern.

Text und Fotos von Fritz Fleege


Unter dem Motto „Erfahrungen austauschen, ist noch immer die beste Investition“ richtet der Interessenverband der Milcherzeuger (IVM) regelmäßig eine Jahrestagung einschließlich Betriebsbesichtigung in Mitgliedsbetrieben und in Unternehmen mit modernen Milchviehanlagen aus. Aktuelle Themen aus Wissenschaft, Forschung und Praxis sowie der Agrarpolitik stehen im Mittelpunkt des Meinungsaustausches bei den Tagungen mit mit renommierten Referenten. Außerdem wird eine Fachexkursion zu modernisierten oder neu errichteten Milchviehanlagen angeboten. Diesmal, 30 Jahre nach der Gründung des Verbandes, führte die Exkursion zum „Gläsernen Kuhstall Leipzig“ der Agrarprodukte Kitzen eG.

Verbraucher erhalten Einblick in den Kuhstall

Die Agrargenossenschaft Kitzen, in unmittelbarer Nähe der Messestadt Leipzig, bewirtschaftete zwei Milchviehanlagen an unterschiedlichen Standorten mit knapp 800 Kühen. Am Standort Leipzig-Großzschocher wurde bzw. wird die alte Milchviehanlage komplett um- und ausgebaut. Maßgeblich daran beteiligt ist die Planungsbüro Zemelka GmbH aus Wittenberge. Neben einem neuen Kuhstall und einer Biogasanlage ist ein modernes Melkzentrum mit 17 Melkrobotern.

Als Besucher wurden wir zunächst in einem Raum in der oberen Etage des Melkhauses empfangen. Von dort aus kann man durch große Fenster das Melken der Kühe beobachten. Das Besondere daran: Es verläuft vollautomatisch und zu festen Zeiten.

Ein Auslauf und ein Futtertisch mit  Überdachung wurden an beiden Seiten  des Kuhstalles eingerichtet.
Ein Auslauf und ein Futtertisch mit Überdachung wurden an beiden Seiten des Kuhstalles eingerichtet.

Woher kommt die Milch? Wie werden die Nutztiere heutzutage gehalten? Verbraucher und Gesellschaft haben immer mehr Fragen zur Erzeugung und Herkunft von Lebensmitteln. Die landwirtschaftliche Produktion steht zunehmend im Fokus der Öffentlichkeit und wird häufig kritisiert. Aber in den vergangenen Jahren hat sich die Landwirtschaft enorm weiterentwickelt und durch moderne Technik das Tierwohl gestärkt, die Lebensmittelqualität gesteigert und den schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen nachhaltig verbessert.

Darauf verwies in seinen einleitenden Worten zur Veranstaltung Hans-Uwe Heilmann, Vorstand der Agrarprodukte Kitzen eG. So soll der „Gläserne Kuhstall“ eine perfekte Plattform bieten, um den Verbrauchern die Leistungen der multifunktionalen Landwirtschaft zu vermitteln, Einblicke in den Arbeitsalltag der Mitarbeiter und die Haltungsbedingungen der Rinder zu geben. Der Agrargenossenschaft ist es wichtig, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und zu informieren, wie Milchkühe heute gehalten werden. Schließlich könne man nur im Dialog das Vertrauen der Bürger in die landwirtschaftliche Tierhaltung stärken. Deshalb habe man ein Konzept der landwirtschaftlichen Tierhaltung entwickelt, das dem Verbraucher einen unverfälschten Blick in die moderne Tierhaltung ermöglichen soll. Interessierte Besucher, ob Nachbarn oder Schulklassen, können sich hier erkundigen und sich einen eigenen Eindruck von der Landwirtschaft machen. Nach den einleitenden Worten von Hans-Uwe Heilmmann hielt Prof. Dr. Alexander Starke von der Univesität Leipzig einen Vortrag zum Thema „Tierärztliches Gesundheitsmanagement in großen Milchviehanlagen“. Anschließend konnten wir den neuen Kuhstall und die Melktechnik sowie den Klauenpflege- und den Tierarztstand in Augenschein nehmen.

Viel Tierwohl in neuen Unterkünften bei der Agrarprodukte Kitzen eg

Hans-Uwe Heilmann ist Vorstand der Agrarprodukte Kitzen eG
Hans-Uwe Heilmann ist Vorstand der Agrarprodukte Kitzen eG,

Besonders auffallend ist der neue Kuhstall. Er ist 48 m breit, 78 m lang und im First 15 m hoch. Der First ist offen, die Seitenwände lassen sich automatisch gesteuert mit Jalousien verschließen. Der Stall ist hell und luftig gebaut. Die Südseite des Daches ist mit Solarzellen belegt. Längs in der Stallmitte befindet sich ein breiter Futtergang. Links und rechts davon sind je ein Fressgang und zwei Reihen mit breiten Doppelliegeboxen und Laufgänge angeordnet. Die Tiefliegeboxen bestehen aus einer Stroh-Kalk-Matratze und werden wöchentlich neu eingestreut. Die Kühe liegen darauf sauber und bequem. An rotierenden Bürsten können die Tiere ihr Fell pflegen. Draußen befinden sich an beiden Stallseiten noch überdachte Fressgänge und somit sonnige Ausläufe. Die Kühe können also drinnen und draußen fressen. Man sieht es ihnen an, dass sie sich wohlfühlen.

Gute Bedingungen gibt es auch für die Kälber, die zunächst in Hütten unterkommen und später nach Kitzen umquartiert werden. Dort erfolgt die weitere Aufzucht. Hochtragend kommen die Färsen dann vor dem Kalben zurück nach Großzschocher. Die laktierenden Kühe sind in fünf Gruppen unterteilt, in Frischlaktierende, Hoch- und Mittelleistende sowie Altmelker. Die Trockensteher sind derzeit noch in Kitzen untergebracht, bis der Reproduktionsstall mit Abkalbeboxen in Großzschocher fertiggestellt ist.

Die Kühe gelangen über kurze Treibewege in aller Ruhe zum Melken und kommen nach einer guten Stunde wieder entspannt zurück. Sie werden zweimal täglich bedarfsgerecht mit einer Total-Misch-Ration versorgt. Das meiste Futter wird im eigenen Unternehmen erzeugt. Die Entmistung der planbefestigten Laufgänge erfolgt per Schiebeschild. Die Gülle wird in einer Bioasanlage energetisch verwertet und anschließend als Pflanzendünger genutzt.

Agrarprodukte Kitzen EG: Modernes Melkhaus mit 17 Robotern

Eine Besonderheit weist das Melkhaus auf. Als Schlüsseleinrichtung für die Melktechnik hat man sich für das System M2erlin BatchMilking 4.0 von Lemmer-Fullwood entschieden. Basis dieses Konzeptes ist ein zentraler kreisrunder Vorwartehof, der eine große Kuhgruppe aufnehmen kann. Dahinter sind die Melkroboter sternförmig angeordnet. Der sich im Vorwartehof drehende Nachtreiber ermöglicht eine kontinuierliche Beschickung des Wartebereiches und somit einen gleichmäßigen Kuhverkehr zu den Melkrobotern. Sobald eine Melkbox frei ist, kann die nächste Kuh schnell in gerader Richtung eintreten. Dann läuft alles wie am Schnürchen. Kameras erfassen, wie die Kühe stehen und Elektromotoren steuern den Roboterarm unter das Euter. Auf einem großen Display an der Melkbox oder auch im Büro werden alle Daten der Kuh und ihre Leistung sichtbar. Über einen Touchscreen können alle Steuerungen per Fingertipp durchgeführt sowie der jeweilige Betriebsstatus der Maschine abgerufen werden. Neben einer leichten Bedienbarkeit ermöglicht das auch eine gute Übersicht. Alle Informationen stehen als Echtzeitdaten während des Melkens zur Verfügung, darunter ein Milchflussdiagramm, Kuhnummer und Status. Serienmäßig verfügt der M2erlin auch über eine automatische Tierbeobachtung. Die wichtigsten Daten einer jeden Kuh werden dazu erfasst, darunter Ruhezeiten, Milchmenge und -inhaltstoffe. Das System ermöglicht zudem eine sichere Brunsterkennung und frühzeitige Informationen zu Erkrankungen.

Wenn die Kühe vom Melkroboter kommen, gelangen sie durch einen Selektionsbereich. Dort können zum Beispiel kranke, für den Klauenschnitt vorgesehene oder zu besamende Kühe ausgesondert werden. Alle anderen sind wieder schnell am Futtertisch und können dort fressen oder sich in ihren Boxen hinlegen und den Auslauf aufsuchen. Damit ist ein reibungsloser, schneller Kuhverkehr gewährleistet.

Wenn die Kühe vom Melkroboter kommen, gelangen sie durch einen Selektionsbereich. Dort können zum Beispiel kranke, für den Klauenschnitt vorgesehene oder zu besamende Kühe ausgesondert werden. Alle anderen sind wieder schnell am Futtertisch und können dort fressen oder sich in ihren Boxen hinlegen und den Auslauf aufsuchen. Damit ist ein reibungsloser, schneller Kuhverkehr gewährleistet.

Mit diesem Melksystem wurden anfangs nur die Kühe aus dem neu errichteten Stall gemolken. Der daneben befindliche Altbau wird nun modernisiert, dann kommen dort die Kühe aus Kitzen unter. Alle 800 Kühe der Milchviehanlage lassen sich dann ins Melkhaus treiben. Ein Durchgang wird etwa 6,5 Stunden dauern. Derzeit wird täglich zweimal am Tag gemolken, bei Bedarf ist auch dreimaliges Melken möglich. Jeweils eine Arbeitskraft ist für das Melken und den Reproduktionsbereich zuständig. Ihre Tätigkeit ist deutlich leichter und attraktiver geworden.

Spezialstände für Behandlungen

Die zu behandelnden Kühe kommen in Extrabereichen unter, wo Spezialstände aufgestellt sind. So kann der Klauenpfleger gleich mit seinem Auto und den Gerätschaften vor dem Stand vorfahren und bald darauf mit der Arbeit beginnen. In das Sonderabteil passen 18 Tiere.

Von dort aus gelangen sie einzeln und relativ stressfrei in einen Stand der DEFI Woldegk GmbH, wo die Tiere auch besamt werden, bzw. wo man Trächtigkeitsuntersuchungen vornehmen kann oder es weiter in den Klauenpflegestand bzw. in den Tierarztbereich geht. In dem speziellen Stand zur Klauenpflege zeigt uns Detlev Findeisen, wie er ohne weitere Hilfe eine Kuh arretieren und in die richtige Position für die erforderliche Klauenbehandlung bringen kann. Die Arbeit kann dann mit Spezialwerkzeug und in bequemer Körperhaltung erfolgen.

Das Abteil, in dem der Tierarzt eine Kuh behandelt, erläutert uns Prof. Dr. Alexander Starke. Die Kühe lassen sich im Fangstand sicher arretieren und behandeln. Der Tierarzt kann spezielle Untersuchungs- und Analysetechnik aus der Klinik mitbringen und entsprechend im Abteil unterbringen. Danach gibt es noch in einer Hygieneeinheit Möglichkeiten, sich zu reinigen und umzuziehen.

Dank des Klauenstands hat  Detlev Findeisen als Klauenpfl eger  gute Arbeitsbedingungen.
Dank des Klauenstands hat Detlev Findeisen als Klauenpfleger gute Arbeitsbedingungen.

Verbraucher können auch die Kühe sehen

Besonderen Wert legt man in der Agrarprodukte Kitzen eG auf viel Milch hoher Qualität. So wurden im Vorjahr je Kuh 8.900 kg Milch erzeugt. Im neuen Stall mit viel Tierwohl und Automatik erwartet man eine noch höhere Leistung. Der Tagesdurchschnitt der laktierende Kuh ist bereits auf über 30 kg Milch gestiegen. Die Milch der 800 Kühe wird in zwei Kühltanks gespeichert und von dort überwiegend an die Molkerei frischli Weißenfels geliefert.

Ein Teil wird aber auch bereits seit Jahren über Milchtankstellen direkt vermarktet. So kann pasteurisierte Frischmilch aus der Agrargenossenschaft Kitzen an Automaten in neun großen Supermärkten in Leipzig gezapft werden. Rohmilch direkt von der Kuh gibt es an den Automaten in den Ortsteilen Kitzen und Großzschocher, die gut angenommen wird. Ein Liter Milch kostet dort 1 €. Über diese kleine Vermarktungsschiene wird zwar die Milcherzeugung kaum wirtschaftlicher, doch was nicht zu unterschätzen ist: Die Verbraucher interessieren sich für die Milchviehhaltung und besuchen gern die Milchviehanlage Großzschocher am Rande von Leipzig.

Ziel des „Gläsernen Kuhstalles“ ist es, das Bild der Nutztierhaltung, welches in der breiten Öffentlichkeit herrscht, zu verbessern und zu erweitern. Der Agrarprodukte Kitzen eG ist das bereits gelungen. Die Milchviehanlage ist bei vielen Einwohnern der Messestadt und der Umgebung schon längst zu einem Begriff geworden. Und nach der Corona-Pandemie werden auch wieder Besucher zum neuen Melkhaus und zu den Stallungen geführt. Die Bevölkerung kann also sehen und beurteilen, wie heute moderne Milchviehhaltung mit höchsten Standards erfolgt.

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