Futtereffizienz als neues Zuchtziel

Neben Milchleistung und Tiergesundheit rücken in den Niederlanden bei der Holsteinzucht andere Eigenschaften immer stärker in den Vordergrund. Zum Beispiel eine bessere Futterverwertung.

Von Silvia Kölbel (Text und Fotos)

Welche Fortschritte es derzeit in der Holsteinzucht in den Niederlanden gibt, und wie auch deutsche Betriebe den Zuchtfortschritt nutzen können, schauten sich kürzlich elf Landwirte aus Deutschland an. Sie kamen aus sechs Betrieben der Bundesländer Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Und sie besuchten an zwei Tagen drei holländische Milchviehbetriebe, die am Zuchtprogramm der Firma CRV mitwirken.

CRV ist eine 1974 in den Niederlanden gegründete Genossenschaft mit Tochterunternehmen auch in Deutschland, Tschechien, Luxemburg, Spanien, Brasilien und Neuseeland. Der Genossenschaft gehören derzeit 23.000 Mitglieder an. Das Unternehmen betreut in 60 Ländern 50.000 Kunden. Den Marktanteil in den neuen Bundesländern gibt die CRV Deutschland GmbH mit Sitz in Wasserburg am Inn mit zehn Prozent an.

Neues Merkmal mit hoher Vererblichkeit

Nach der Bearbeitung der Zuchtmerkmale Milchleistung und Tiergesundheit in den zurückliegenden Jahrzehnten liegt bei CRV in den Niederlanden seit drei Jahren der Fokus auf dem Zuchtmerkmal Futtereffizienz. Auch will man dazu beitragen, den Methanausstoß in der Milchproduktion zu verringern. Derzeit wirken am Zuchtprogramm fünf holländische Referenzbetriebe mit 2.000 Milchkühen der Rasse Holstein-Friesian mit. Geplant ist eine Erweiterung auf zehn Betriebe mit 10.000 datenliefernden Kühen, um die Zuverlässigkeit der Vererbungseigenschaften beim Zuchtmerkmal Futtereffizienz bei Jungbullen von derzeit 47 auf 60 % zu erhöhen.

Zu den Ergebnissen der ersten drei Untersuchungsjahre gehört die Erkenntnis, dass die Futtereffizienz eines Tieres mit 30 % eine hohe Vererbbarkeit aufweist. Daraus ergeben sich für die Landwirtschaftsbetriebe ganz neue Möglichkeiten, ihre Erlöse aus der Milchproduktion zu verbessern, denn Effizienz im Sinne des Zuchtvorhabens bedeutet, aus der gleichen Menge Futter mehr Milch zu produzieren. Die Art der standortabhängigen Futterzusammensetzung spielt dabei keine Rolle.

Effizienz bedingt die Milchleistung

„Eine effiziente Kuh bringt, egal, ob nun maisbetonte oder grasbetonte Silagen gefüttert werden und welche Eiweißquellen zur Verfügung stehen, eine höhere Milchleistung als eine weniger effiziente Kuh“, sagt Pieter van Goor, der Projektentwickler und Projektbetreuer in Holland. Axel Escher, Geschäftsführer von CRV Deutschland, fügt an: „Das heißt, bei jeder Art der Futterzusammenstellung und bei jeder Haltungsform und unabhängig von Niveauunterschieden ändert sich an der genetisch bedingten Effizienz des Tieres nichts.“


Rinderzüchter aus Deutschland besuchten auch den Milchviehbetrieb Mandeveld in Bakkeveen.

Zur Ermittlung der Futtereffizienz stattet CRV die Referenzbetriebe mit einem Datenerfassungssystem aus. Jede Kuh bleibt rund 200 Tage einer Laktation in der Erfassungsgruppe. Dort wird mit dem Wiegeautomaten vor und nach dem Fressen ermittelt, wie viel Futter die Kuh aufgenommen hat. Auffällig ist dabei, dass ein Teil der Kühe nur einige Male am Tag größere Portionen frisst, während andere Tiere mehrere kleine Portionen aufnehmen. „Welche Auswirkungen dieses Verhalten auf die Futtereffizienz hat, können wir im Moment noch nicht sagen“, so Pieter van Goor. Der Einfluss der Häufigkeit der Futteraufnahme auf die Effizienz soll im Rahmen des Projektes genauso analysiert werden wie die Futteraufnahme auf der Weide.

CRV in den Niederlanden ist nach eigenen Angaben die erste Besamungsstation weltweit, der in der Praxis gemessene Futtereffizienzdaten vorliegen. Wie sich die Nutzung der Daten auf die Erlöse in der Milchviehhaltung auswirken, zeigt ein Beispiel aus der Praxis, das Produktmanager Bernhardt Heitzer zusammengestellt hatte.

Trotz gleicher Milchleistung 1/3 mehr Erlös

Da nahmen vier Kühe mit drei Laktationen über drei Jahre zwischen 18.500 und 26.900 kg Trockenmasse auf. Die Erlöse von der Kuh mit der besten Futtereffizienz lag um 34 % höher als die Erlöse der Kuh mit der schlechtesten Futtereffizienz und das bei annähernd gleicher Milchleistung von rund 30.000 kg. Die Niederländer gehen bei ihren Berechnungen von einem Milchpreis von 35 ct/kg aus und bei Futterkosten von 20 ct/kg Trockenmasse.

Als effizienteste Kuh erwies sich zudem das Tier mit dem geringsten Körpergewicht, das bei 618 kg lag, während die schwerste und am wenigsten effiziente Kuh 660 kg wog. Die Experten gehen davon aus, dass sich die Futtereffizienz durch Selektion und Zucht um 10 % steigern lässt. Diese Steigerung würde zu einer Ersparnis von 2 ct/kg Milch führen. „In einem Betrieb, der jährlich 1 Mio. kg Milch erzeugt, bedeutet das eine Einsparung von 20.000 € pro Jahr“, rechnet van Goor vor. Bei dieser Berechnung geht der Fachmann davon aus, dass Milchkühe heute im Durchschnitt 1,45 kg Milch aus 1,0 kg Futtertrockenmasse (TM) produzieren.

Gute Futtereffizienz und hohe Inhaltsstoffe

Die Besucher aus Deutschland hatten sich bereits zu Hause intensiv mit der Futtereffizienz beschäftigt so auch Lutz Müller, Vorstandsmitglied der Dresdner Vorgebirgs Agrar AG aus Bennewitz. „Den Zuchtfortschritt bei diesem Merkmal wollte ich mir einmal hier vor Ort anschauen“, sagt der Sachse. In den Niederlanden beeindrucken auch die hohen Inhaltsstoffe der Milch. 4,3 % Fett und 3,6 % Eiweiß sind die Norm, weil ein Großteil der Milch zu Käse verarbeitet wird. „Die Inhaltsstoffe zu steigern, ist auf jeden Fall ein Anreiz, nur leider wird das bei uns nicht so honoriert“, bedauert Müller.

Um die Zucht schnell voranzubringen, bietet CRV die Genotypisierung von Kälbern ab einem Alter von drei Tagen an. Nach drei Wochen liegt dem Herdenmanager die Genetik seiner Tiere vor. Die frühzeitig zur Verfügung stehenden Zuchtwerte seien genauso zuverlässig wie die Zuchtwerte einer Färse nach der ersten Abkalbung, heißt es. Damit kann ein Milchviehbetrieb schon frühzeitig entscheiden, bei welchen Kälbern sich die Aufzucht für den Betrieb lohnt.

Weil die Niederländer in der Genomanalyse schon weiter sind als die Deutschen, wollte sich Thomas Nöhring, Geschäftsführer und Leiter der Tierproduktion in der Agrarproduktion Frauenprießnitz GmbH und Co. KG in Thüringen, größere Betriebe in Holland anschauen. „Für mich ist es sehr wichtig, schon bei einem Kalb zu wissen, welches Potenzial in einem Tier steckt“, so Nöhring. Das Thema Futtereffizienz spiele im Betrieb eine große Rolle. „Bei nur 30 ct/kg Milch sind 16 ct/kg weg fürs Futter. Futter sparen durch effizientere Kühe ist also ein großer Kostenfaktor“, sagt Nöhring.

Auch die Gönnataler Agrar AG aus Thüringen hat vor einem Jahr begonnen, Jungtiere genetisch analysieren zu lassen. Mario Plänitz, Leiter der Tierproduktion, hofft durch Nutzung des Zuchtfortschrittes in den Niederlanden, die Milchleistung im Betrieb von derzeit 9.000 kg auf 10.000 kg erhöhen zu können. Er sagt: „Die Futtereffizienz und die Lebensleistung muss man gemeinsam betrachten.“

Um die Daten der Kuhherde schnell auswerten zu können, bietet CRV die passenden Softwarelösungen an. Mit wenigen Mausklicks erhält der Betrieb den für die jeweilige Kuh und das Zuchtziel geeigneten Bullen. Embryonentransfer von Hochleistungskühen und gesextes Sperma gehören ebenfalls zu den Angeboten, welche die Milchviehbetriebe zur Verbesserung ihrer Herde nutzen können.

Geringerer Ausstoß von Methan

In den Fokus bei der Zucht rückt auch die Verringerung des Methan- und CO2-Ausstoßes. Bisherige Ergebnisse lassen vermuten, dass effiziente Kühe pro Liter Milch auch weniger klimaschädliche Gase ausstoßen. „Das ist vor allem für die Zukunft ein Thema“, erklärte Pieter van Goor. Ab April dieses Jahres soll bei CRV dazu ein mit 700.000 € finanziertes Projekt starten. Schon jetzt gehen die Fachleute davon aus, dass sich durch eine Erhöhung der Futtereffizienz um 0,1 kg Milch pro kg TM die CO2-Emission um 4 % reduzieren lässt.

Zur Erfassung des Methanausstoßes ist geplant, Futterautomaten im Stall anzubringen, die während der Futteraufnahme den Anteil von Methan in der Atemluft messen. Dieser Aspekt der Untersuchungen ist Harold Wierenga vom Milchhof Klosterfelde bei Berlin besonders wichtig. „In Deutschland wird es in Zukunft sehr wichtig sein, dass wir nachweisen können, wie groß der CO2-Fußabdruck unserer Milchkühe ist. Dazu benötigen wir gesicherte Daten. Dieser Aspekt ist wichtig für die Akzeptanz der Rinderhaltung in der Gesellschaft“, so Wierenga.

Während noch vor zehn Jahren das Hauptaugenmerk in der Zucht auch weltweit auf immer größeren Tieren lag, setzt inzwischen ein Umdenken ein. Eine um 50 kg schwerere Kuh benötigt täglich zusätzlich 1,5 kg mehr Erhaltungsfutter. Schwere Kühe seien deshalb bei CRV kein Zuchtziel mehr. Die Fokussierung der Zucht in den letzten 20 Jahren hin zu gesundheitlichen Aspekten wie Klauen- und Eutergesundheit hätten nachweisbare Ergebnisse gebracht. „Mastitis ist um 20 % und Klauenprobleme sind sogar um 22 % zurückgegangen“, so Pieter van Goor.

Deshalb rät der Projektleiter den Milchviehbetrieben, vor allem die Gesundheitsaspekte der Milchkuhhaltung nicht aus den Augen zu verlieren. Je höher die Lebensleistung der Kühe sei, desto weniger Geld müsse der Betrieb in die Jungviehaufzucht investieren. „Eine Färse mit nur zwei Abkalbungen hat in der Aufzucht mehr Geld gekostet, als sie an Milch gebracht hat“, unterstreicht Joost Klein Herenbrink, der Global Produktmanager Holstein bei CRV.