Borchert-Kommission arbeitet an „Tierwohl-EEG“

Immer klarer zeigt sich: Die Tierhaltung in Deutschland steht vor einem grundlegenden Umbau. Offen war bisher, wie er zu bezahlen ist. Hinter den Berliner Kulissen wird aber schon über recht konkrete Vorschläge beraten.

Von Ralf Stephan

Schon mehrfach gab es Andeutungen, hinter verschlossenen Türen würden Top-Experten über der künftigen nationalen Nutztierstrategie brüten. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sprach vor den demonstrierenden Bauern am 26. November am Brandenburger Tor davon und kündigte kurz darauf beim Agrargipfel mit der Kanzlerin an, das von Bundesminister a. D. Jochen Borchert geleitete „Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung“ werde Anfang 2020 seine Vorschläge unterbreiten. Doch mit den Details hielt sie sich zurück.

Jochen Borchert
Jochen Borchert (C) CDU-NRW

Borchert-Kommission: Finanzierung über höhere Mehrwertsteuer

Inzwischen sickern Einzelheiten zum Stand der Diskussionen durch. Einig scheint sich die Borchert-Kommission darin zu sein, dass die Bereitschaft der Verbraucher, an der Fleischtheke mehr Geld für Produkte aus tiergerechteren Ställen auszugeben, fast ausschließlich in Umfragen existiert. Mit anderen Worten: Höhere Erlöse für höhere Qualität, die Investitionen in neue Ställe und teurere Haltungsverfahren rechtfertigen würden, sind zumindest nicht in ausreichender Höhe zu erwarten.

Der frühere Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert, der das Netzwerk leitet, soll sich mit Blick auf die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher dahingehend geäußert haben, dass sich der nötige Umbau der Tierhaltung nach seiner Überzeugung nur mithilfe einer Erhöhung der Umsatzsteuer auf Fleisch und Fleischwaren auf 19 % sichern lässt. Je nach Absatz stünden damit fünf bis sechs Milliarden Euro jährlich zur Verfügung. Ein Viertel davon soll dazu dienen, in unteren Einkommensgruppen den Preisanstieg zu kompensieren. Drei Viertel könnten, zunächst in der Schweinehaltung, als Tierwohlprämien an Tierhalter ausgereicht werden.

Drei Stufen des Tierwohllabels als Maßstab

Wohin geht die Reise beim Tierwohl? Die hinter den Kulissen diskutierten Vorschläge sind offenbar schon recht konkret.
Wohin geht die Reise beim Tierwohl? Die hinter den Kulissen diskutierten Vorschläge sind offenbar schon recht konkret. (C) Archiv Bauernzeitung

Mit den jetzt bekanntgewordenen Details der Borchert-Kommission wird auch klar, warum das Bundeslandwirtschaftsministerium trotz massiver Widerstände so unbeirrt auf die Einführung des staatlichen Tierwohllabels drängt. Denn Maßstab für die künftigen Haltungsformen sollen die drei Stufen dieses Labels sein. Eine kalkulatorische Berechnung, die im Netzwerk diskutiert wird, geht davon aus, dass der Anteil der Haltungssysteme auf dem gesetzlichen Mindeststandard von heute 74 % bis zum Jahr 2030 auf null Prozent zurückgeht. Das bedeutet, dass in den nächsten zehn Jahren alle Betriebe noch am Markt befindlichen Betriebe eine Stufe des staatlichen Labels umsetzen.

Die Kosten für das Umbauprogramm werden vorsorglich mit stabilen Tierbeständen kalkuliert, obwohl intern ein Rückgang erwartet wird. Dem Vernehmen nach schlägt die Borchert-Kommission vor, mit den Tierhaltern – ähnlich wie mit den Betreibern von Biogasanlagen beim Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) – langfristige Verträge über eine Laufzeit von 20 Jahren abzuschließen. Damit soll ihnen, unabhängig vom Kaufverhalten der Verbraucher, Planungssicherheit für Investitionen gewährt werden. Erwartet wird, dass die Vorschläge des Kompetenznetzwerkes spätestens im Februar öffentlich gemacht werden.