Um die punktuellen Messwerte der smarten Wettersensoren auch vom Punkt in die Fläche zu bringen, wird eine handelsübliche Multispektraldrohne genutzt. (c) Thomas Piernicke

Teilflächenspezifische Beregnung: Mit smarten Wetterstationen und Drohnen

Im Projekt AgriSens Demmin 4.0 wollen sich Wissenschaftler mit smarten Wetterstationen und Drohnen auf den Weg machen, mit einer teilflächenspezifischen Beregnung die Erträge abzusichern.

Von Thomas Piernicke (Helmholtz-Zentrum Potsdam), Jan Lukas Wenzel, Julia Pöhlitz (MLU Halle-Wittenburg)

Mit dem fortschreitenden Klimawandel befindet sich auch die Landwirtschaft bereits in einem Umfeld vielfältiger Herausforderungen. Einen Teil dieser Herausforderungen stellen die im Vergleich zu langjährigen Messungen geringer ausfallenden Niederschläge im Frühjahr dar. Diese werden eigentlich genau dann gebraucht, um den Bodenwasserspeicher für die Vegetationsperiode aufzufüllen.

Hier kann nur durch eine gezielte und möglichst effiziente Bewässerung gegengesteuert werden. 2020 wurde mit AgriSens Demmin 4.0 ein Projekt ins Leben gerufen, in dem wir nach Möglichkeiten suchen, mit digitalen und fernerkundlichen Mitteln die Landwirtschaft praxisnah und anwendungsorientiert bei diesen Herausforderungen zu unterstützen. Unter der Federführung des GeoForschungsZentrums Potsdam und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg erarbeiten wir zusammen mit lokalen Partnern wie der Bentziner Ackerbau GmbH Lösungen, wie neben der Vereinfachung der Steinlese oder der möglichst frühzeitigen Abschätzung von Erträgen auch die Gabe von Zusatzwasser auf Kulturen möglichst effizient erfolgen kann.

Für diesen Ansatz wurde das Teilprojekt „Anwendungsfall 4 – Bewässerung“ gegründet, aus dem ein teilschlagspezifisches Wasserbilanzmodell (Abb. Mitte) hervorgegangen ist, mit dem Wasser, Energie und Personenstunden eingespart werden sollen, ohne qualitative oder quantitative Ertragseinbußen hinnehmen zu müssen.

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Teilflächenspezifische Beregnung: Experiment bereits in der dritten Runde

Da Modelle nur mit langfristigen Beobachtungen zuverlässig „trainiert“ werden können, starten wir mit unserem Experiment in diesem Jahr in die dritte Vegetationsperiode, in der wir unsere Modellkultur, die Stärkekartoffel Waxy cv. Henriette, unter verschiedenen Bewässerungshöhen einer Trommelberegnung erproben und die Effekte beobachten. Um das Prinzip des Modells einfach zu beschreiben, kann man sagen: Mit der tatsächlichen Evapotranspiration als Wasser-Output-Faktor können wir den täglichen Wasserbedarf insgesamt bestimmen und kumulieren.

Durch die Verrechnung mit Niederschlägen und Beregnung als Wasser-Input-Faktoren können wir abgleichen, ob der Bedarf gedeckt wird oder ein Teil ungedeckt bleibt. Hier kann es bei allen Faktoren zu deutlichen Varianzen auf dem Feld kommen, wobei sich zusätzlich Heterogenitäten des Bodens auswirken können. Deswegen funktioniert unser Modell mit einer optimalen räumlichen Auflösung von fünf Metern.

Diese Auflösung kann aber auch beliebig, wenn nötig bis in den Zentimeterbereich oder auch über fünf Meter hinaus, variiert werden. Das kann bei der Anpassung an z. B. andere Ackerkulturen oder Satellitendaten als Ersatz für Drohnendaten günstig sein. Die zeitliche Auflösung liegt bei einem Tag, sodass jeden Tag aktuelle Werte für das Feld vorliegen und Beregnungsvorgänge teilschlagspezifisch geplant werden können.

Um die notwendigen Parameter zu bestimmen und die Wasserbilanz zu berechnen, benötigen wir für unseren Experimentaufbau (Abb. links) aktuell fünf verschiedene Messeinrichtungen:

  • Eine Beregnungseinrichtung, die steuerbar ist und deren Wasserabgabe aufgezeichnet werden kann: Die Bentziner Ackerbau GmbH nutzt hier Trommelsprinkler (Fasterholt FM 4900H), deren Beregnungshöhen auf einer Bewässerungsspur bis zu vier Mal variiert werden können, und das Programm „Raindancer“ (IT-Direkt Business Technologies GmbH), mit dessen Hilfe mittels Drucksensor die tatsächliche Abgabe des Beregnungswassers auf den Beregnungsspuren genau festgestellt werden kann (Abb. links). Die hierbei erzielte Beregnungseffizienz, die sich aus dem Verlust durch Versickerung in nicht pflanzenverfügbare Tiefen bzw. durch Interzeption auf den Blättern ergibt, haben wir ermittelt und erläutern sie in unserem nächsten Artikel. Grundsätzlich ist aber auch die Anwendung anderer Regner und Beregnungssoftware möglich.
  • Eine Einrichtung zur Niederschlagsdetektion: Wir nutzen hier aktuell unser hochauflösendes Furuno Wetterradar, mit dem alle fünf Minuten und einer räumlichen Auflösung von 100 m Niederschlagsdaten detektiert werden können (Abb. rechts). Details hierzu erläutern wir ebenfalls in einem unserer nächsten Artikel. Parallel arbeiten wir auch mit Bodenstationen zur Niederschlagsdetektion (Pessl-Stationen bzw. Arable-Mark-2-Stationen), jedoch hat sich das Wetterradar als zuverlässiger und kostengünstiger herausgestellt – vor allem, wenn es einer großräumigeren Anwendung bedarf. Eine Implementierung der Radolan-Wetterradardaten, wie der Deutsche Wetterdienst sie herausgibt, ist ebenfalls als Versuch in Planung.

  • Um die Evapotranspiration zu bestimmen, nutzen wir aktuell handelsübliche Arable-Mark-2- Bodenstationen. Diese smarten Wettersensoren verfügen über die Besonderheit eines Multispektralsensors, mit dessen Hilfe die Firma Arable Labs den aktuellen, kulturspezifischen Pflanzenkoeffizienten bestimmt. Außerdem kann mithilfe der eingebauten Sensorik die Referenzevapotranspiration bestimmt werden. Aus diesen beiden Werten kann die tatsächliche Evapotranspiration und damit der Verlust von Wasser durch die Kultur und den Boden abgeleitet werden. Diese Daten berücksichtigen allerdings noch keine teilschlagspezifischen Eigenschaften und liegen nur punktuell am Standort der Station vor.

  • Da die Detektion der Arable-Mark-2-Stationen nur punktuell und nicht teilschlagspezifisch erfolgt, unternehmen wir regelmäßige Drohnenbefliegungen, um auch flächenhaft multispektrale Daten zu erhalten. Als Drohne nutzen wir eine handelsübliche DJI Phantom 4 Multispectral. Die Integration ihres Nachfolgemodells ist bereits in Planung. Die unterschiedliche Sensorik sowie die Flughöhe haben wir entsprechend gegen die Aufnahmen der Arable-Mark-2-Stationen kalibriert.

  • Außerdem benötigen wir noch eine anfängliche Bodenfeuchte sowie bestimmte Bodeneigenschaften. Die Bodenfeuchte erhalten wir ebenfalls aus den im Feld installierten Messstationen. Hier nutzen wir während unseres Experimentes neben den bereits erläuterten Arable-Mark-2-Stationen auch Pessl-Stationen. Beide verfügen jeweils über eine 60 cm lange Sentek Drill&Drop Bodenfeuchtesonde. Die benötigten Bodeneigenschaften sind öffentlich verfügbar und können aus der Reichsbodenschätzung abgeleitet werden.
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Landwirte sollen System selbstständig anwenden können

Um im Experiment die Erträge zu beobachten, fanden in den vergangenen zwei Jahren Erntekampagnen statt, bei denen stichprobenartig Pflanztransekte mit einer Länge von jeweils 15 m manuell geerntet und der Ertrag sowie Stärkegehalt nach der Ernte bemessen wurde. Solche Kampagnen sind aber zukünftig nur noch ein einziges Mal notwendig, wenn das Modell auf eine neue Kultur kalibriert werden muss.

2023 werden wir diesen Versuch um ein Eddy-Kovarianz-System ergänzen. Hiermit ist es möglich, direkt den Wasseraustausch zwischen Boden/Pflanze und der bodennahen Luftschicht zu bestimmen. Diese Ergebnisse können wir nutzen, um das Wasserbilanzmodell zu validieren und zu kalibrieren. Als Teil der Helmholtz-Gemeinschaft werden wir das Modell sowie sämtliche Prozesse, auf die es sich stützt, der Öffentlichkeit zur freien Verfügung stellen, sobald es im Rahmen der Dissertation des Autors veröffentlicht wurde.

Somit können potenziell alle interessierten Landwirte das Modell selbstständig anwenden. Aktuell sind die technischen Herausforderungen für den Endanwender allerdings noch sehr hoch und praktisch kaum umsetzbar. Wir arbeiten aber daran, die Bedienbarkeit und damit die Anwendbarkeit deutlich zu vereinfachen. So planen wir, die regelmäßige Befliegung mit Drohnen durch kostengünstige oder sogar freie Satellitendaten zu ersetzen.

Eine zweite Hürde stellt die aktuell noch große Anzahl an Messstationen im Feld dar. Auch diese wollen wir möglichst auf eine Messstation pro Schlag reduzieren, indem wir ab diesem Jahr einen Cosmic-Ray-Sensor zur Bestimmung der flächenhaften Bodenfeuchte einsetzen. Eine dritte Hürde ist die große Rechenkapazität, die benötigt wird. Hier erarbeiten wir innerhalb eines weiteren Teilprojektes eine cloudbasierte Lösung, unseren Open-Data-Cube.

Ein erster Entwurf zur Benutzeroberfläche kann über den unten stehenden QR-Code angesehen werden. Die aktuellen Entwicklungen teilen wir auf dem Portal www.farmwissen.de mit. Außerdem sind wir mit unserem Projektpartner, der GREENSPIN GmbH, im Austausch über eine kommerzielle Anwendung. So soll letztlich jeder Interessierte selbst entscheiden können, welcher Teil selbst übernommen werden kann oder extern übernommen werden soll.