Karin Radzewitz und ihre relativ scheuen Soay-Schafe. © Silvia Passow

Soay-Schafe züchten und „immer mal ’ne Runde spinnen“

Bereits auf dem Weg ins Büro fährt Karin Radzewitz die Weiden ab. Bei ihren Soay-Schafen findet die selbstständige Handelsvertreterin Ruhe und Entspannung. Geradezu meditativ wird es, wenn sie sich ans Spinnrad setzt.

Von Silvia Passow

Neugierige Blicke begrüßen die Besucher auf der Weide, noch ein, zwei Schritte, dann setzten sich die Schafe in Bewegung, galoppieren ans andere Ende der Wiese, bleiben stehen, äugen forschend zurück. „Soay-Schafe sind Wildschafe“, erklärt Karin Radzewitz. Im Verhalten erinnern sie eher an Rehwild als an Schafe. Sie legen sogar regelrechte Bocksprünge hin. Die Rasse stammt von der schottischen Insel Soay, nordwestlich vor Schottland. Radzewitz züchtet sie seit 15 Jahren. Rund 50 Tiere stehen auf verschiedenen Weiden rund um Brädikow im Havelland. Die Schafe sind nicht nur Nebenerwerb, sie sind ihr Kraft- und Ruhepol.

Im Jahr 2000 zog Radzewitz mit ihrem Gatten nach Brädikow, einem Ortsteil von Wiesenaue. Zum ehemaligen Vier-Seiten-Hof gehörten auch Wiesen und Flächen, eine davon gleich hinter dem Haus. „Kein besonders guter, er-tragreicher Boden. Eher märkischer Sandboden“, sagt Karin Radzewitz. Zunächst ließ sie dort die Pferde aus der Nachbarschaft weiden, bevor sie aufs Schaf als Landschaftspfleger kam. Dabei war ihr wichtig, eine gefährdete Schafrasse aufzunehmen. Die mit 45–60 cm großen Schafe stehen auf der Roten Liste der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH). „Deutschlandweit gibt es fünf, vielleicht sechs weitere Züchter“, sagt Radzewitz.

Soay-Schafe auf einer Weide
Auen und Böcke stehen zumeist getrennt, hier die Auen. © Silvia Passow

Soay-Schafe: Klein und gefährdet

Außerdem sollten die Schafe nicht allzu groß und schwer sein. Das erleichtert die notwendigen Pflegemaßnahmen, wie den Klauenschnitt, sagt die 58-Jährige. Ihre Schafe leben ganzjährig auf sechs Hektar Weideland. Neben einem hohen Weidezaun sichert ein Elektrozaun die Tiere. „Nicht nur vertrauen, auch hauen“, nennt sie die Methode der doppelten Sicherung. Bisher habe sie noch keinen Wolfskontakt gehabt, sagt sie.

Soay-Schafe beim Fressen
Die Soay-Böcke stehen extra. © Silvia Passow

„Ich versuche alles, was möglich ist, um eine Wolfsbegegnung zu vermeiden. Der soll gar nicht erst auf den Geschmack kommen“, fügt sie hinzu. Denn ein Wolfsriss wäre nicht einfach nur ein finanzieller Verlust. „In diesem Fall geht auch unwiederbringliches Material aus dem Genpool verloren.“

Während Radzewitz von den Soay-Schafen erzählt, bleiben diese weiter auf Distanz. Für die Schäferin im Nebenerwerb ist das okay. „Das ganze Jahr können sie machen, wie sie wollen. Mit einer Ausnahme: Wenn Klauenschneiden angesagt ist, bestimme ich, wo’s langgeht“, beschreibt sie das Schafleben ihrer Herden. Zucht und Erhalt der Rasse stehen bei ihr im Mittelpunkt „Ich verkaufe lieber lebend als am Haken“, sagt Karin Radzewitz. Geschlachtet wird dennoch, und für einen Moment schwärmt sie von der Salami, die es dann wieder gibt.

Mit dem Schlachtbetrieb habe sie Glück: Im rund zehn Kilometer entfernten Berge hat sie einen kleinen Betrieb gefunden. Die Schafe werden bereits am Vortag abgeholt und bleiben über Nacht dort im Stall, bevor sie ihren letzten Weg antreten. Damit wird der Stress möglichst gering gehalten. „Beim Schlachten geht es um den Erhalt durch Nutzen“, erklärt Radzewitz.

Soay-Schafe: Tierwohl kommt zuerst

Die Weibchen, die Auen, stehen auf dieser Weide unter sich. Auch sie tragen Hörner, allerdings sind diese nicht ganz so eindrucksvoll wie die der älteren Böcke. Die Böcke stehen einige Orte weiter, auf einer anderen Koppel. „Das sorgt für weniger Stress unter den Tieren“, so Radzewitz.

„Während die Männchen sich rund ums Jahr verpaaren möchten, ist die Aue nur saisonal, ab September bis in den November, bereit dazu.“ Nach etwa 165 Tagen werden die Lämmer geboren. Neben den Jungtieren aus ihrer Herde nimmt Radzewitz auch Soay-Schafe von Haltern, die die Tiere nicht mehr versorgen können. „Die möchten, dass es ihren Tieren gut geht. Und genau das möchte ich auch“, sagt Radzewitz mit Nachdruck. Viel brauche es dafür nicht: neben ausreichend großen Weiden etwas Heu und Wasser. Die robusten Tiere stellen keine großen Ansprüche.

Araucana-Hühner auf dem Karinenhof

Araucana-Huhn
Araucana-Hühner legen grüne Eier. Der Rasse fehlen nicht nur die Schwanzfedern, sondern auch Schwanzwirbel und Bürzeldrüse. © Silvia Passow

Die Schafe sind nicht die einzigen Tiere auf ihrem Karinenhof, wie der Vier-Seiten-Hof heißt. Neben den braunen Legehennen tummeln sich hier auch Araucana-Hühner. Die ursprünglich aus Südamerika stammende Rasse legt grüne Eier, die den Frühstückstisch der Pensionsgäste bereichern. Sechs Gästezimmer gibt es im Karinenhaus.

Bis vor Kurzem arbeitete Radzewitz noch nach Biostandard. Doch das habe sie aufgegeben, sagt sie, die Auflagen seien nicht nur hoch, sondern aus ihrer Sicht auch nicht immer nachvollziehbar.

Ihre Hühner tapsen fröhlich durch den Garten, die Hennen ärgern Prinz Harald. Der Hahn ist neu und muss sich erst noch behaupten beim Hühnervolk. Namen für die Tiere sind bei Radzewitz nicht unbedingt üblich. „Mir ist es wichtig, dass das Tier ein Tier sein kann“, sagt sie. Vom Verhätscheln hält sie nicht viel, dagegen sehr viel von artgerechter Haltung.

Bienenstöcke im Garten und Regiomat

Ein Stück weiter stehen die Bienenstöcke. Neun Bienenvölker hält Radzewitz in ihrem Garten. Während einige ihrer Produkte wie die Eier, Honig und selbst gekochte Marmeladen auf dem Frühstückbuffet landen, werden andere im nahe gelegenen Kinderbauernhof Marienhof verkauft. Radzewitz bestückt den sogenannten Regiomaten, einen mit Produkten aus der Region befüllten Automaten, mit ihren Produkten. Schaffelle können auf dem Karinenhof selbst erworben werden.

Kaum zu glauben, dass da noch Zeit für weitere Hobbys bleiben soll. Ist aber so. „Wir sind auch Wollsammelstelle“, sagt Radzewitz Die eingesammelte Wolle wird von ihr versponnen. Fünf unterschiedliche Spinnräder stehen bei ihr im Haus. Spinnen, sagt sie, gehe wie von selbst. „Man kann dabei fernsehen oder auch einfach die Gedanken treiben lassen“, beschreibt sie die Vorzüge des Spinnens am Spinnrad.

Tatsächlich gibt das hölzerne Rad kaum Geräusche von sich, sie tritt mit dem Fuß rhythmisch auf ein Pedal und lässt die Wolle, in diesem Fall von Pommernschafen, durch die Finger gleiten. Und weil stricken zwar schön, aber auch nicht sonderlich originell ist, hat sie auch noch das Weben erlernt. Kleine Sitzunterlagen und gemusterte Decken, eine davon mit Ostereierfarbe eingefärbt. Doch statt die Lorbeeren für ihr Schaffen einzusammeln, verweist sie auf ihren Ehemann. „Ohne seine Unterstützung würde ich das alles nicht schaffen“, sagt sie und gibt zu: Ein straffes Zeitmanagement gehöre auch dazu.

Züchterin für Soay-Schafe am Spinnrad
Am Spinnrad: Für unterschiedliche Wolle gibt es verschiedene Spinnräder. © Silvia Passow
Bienenstöcke
Auch Bienen leben auf dem Karinenhof: neun Völker sammeln Honig für die Pensionsgäste. © Silvia Passow

KArinenhof: „Ruhm und Ehre“

Und, lohnt sich das? Radzewitz lacht. „Der Lohn sind Ruhm und Ehre“, sagt sie, „leben kann man davon nicht.“ Dabei sei es ihr Glück, dass zu ihrem Haus die Flächen gehören, denn Flächen für die landwirtschaftliche Nutzung zu bekommen, sei heute sehr schwierig. „Investoren kaufen sie als Wertanlagen. Dabei sollten die Flächen vorrangig an die Landwirte aus den Regionen verkauft werden“, sagt Radzewitz.

Hier würde sie sich mehr Unterstützung aus der Politik wünschen. Ebenso wie beim Schaffen regionaler Schlachthäuser. Radzewitz würde das Fleisch ihrer Schafe gern auf dem eigenen Hof verarbeiten. Hygiene, sagt sie, sei dabei ganz selbstverständlich. Damit fühlt sich die Pensionswirtin gut vertraut.

Tipp: Der Karinenhof beteiligt sich an der Brandenburger Landpartie. Karin Radzewitz sagt, sie möchte auch im nächsten Jahr wieder dabei sein.


Weitere Infos gibt es auf www.karinenhof.de


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