Nebenerwerbslandwirtschaft: Ein Drittel will wachsen

Mit Schleppern, und seien es ältere oder gebrauchte Maschinen, sind die meisten ostdeutschen Nebenerwerbsbetriebe ausgestattet. (c) Detlef Finger

Eine Umfrage zur Nebenerwerbslandwirtschaft in Ostdeutschland, online durchgeführt und ausgewertet von der Hochschule Neubrandenburg, zeigt viele interessante Ergebnisse, so zu Perspektiven dieses Betriebstyps. Teil 2 der Umfrage.

Von Prof. Dr. Theodor Fock und Christian Brechler, Hochschule Neubrandenburg, Fachbereich Agrarwirtschaft und Lebensmittelwissenschaften, Agrar- und Umweltpolitik*

Nebenerwerbslandwirtschaft trägt in Ostdeutschland nur bedingt zum Familieneinkommen bei. Auf die Frage, wie das Einkommen wirkt, gaben in der Umfrage zur Nebenerwerbslandwirtschaft lediglich 23 % der Teilnehmenden an, dass sie einen soliden Zuverdienst zu ihren außerlandwirtschaftlichen Einkünften haben, während 55 % kostendeckend arbeiten und es für immerhin 22 % der Betriebe mehr kostet, als es einbringt.

Die wirtschaftliche Situation für ihre Betriebe im Nebenerwerb (NE) wird mehrheitlich als unverändert oder mit dem Trend einer Verbesserung bewertet. Während 23 % eine geringfügige oder deutliche Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Situation sehen, hat sich für 43 % die Situation verbessert (Abb. 1). Angesichts der schwierigen Gesamtsituation in der Landwirtschaft in den letzten Jahren überrascht diese eher positive Einschätzung durchaus.

Umfrage zur Nebenerwerbslandwirtschaft: Probleme und Wünsche

Auf die Frage, wie sich ihr NE-Betrieb in den kommenden Jahren entwickeln soll, antworteten 35 % der Befragten, dass sie gern möchten, dass dieser wächst. Die Mehrheit, 59 %, will dessen jetzige Größe beibehalten, und nur in wenigen Fällen soll der Betrieb verkleinert oder eingestellt werden (zusammen sechs Prozent).

Die Betriebsinhaber/innen wurden gefragt, welche Schwierigkeiten sie für ihren NE-Betrieb in den kommenden Jahren sehen. Als wichtigster Punkt wurde die Überregulierung mit 36 % genannt, mit 21 % folgten Flächenknappheit und die Bodenpreise sowie an dritter Stelle mit 17 % allgemeine strukturelle Nachteile gegenüber größeren Betrieben (mehrere Antworten waren möglich).

Als weitere Punkte wurden wachsende Kosten, Umweltbedingungen (Dürre, Wolf etc.), niedrige Verkaufspreise und auch die Sozialversicherungen genannt. So wurden u. a. „die Inakzeptanz in der Politik und Bevölkerung“, „der sehr hohe Verwaltungsaufwand“, „sich widersprechende Verordnungen und steigende Auflagen“ angeführt. Preissteigerungen beim Boden, der teurere Landkauf und „dass man kaum Flächen bekommt, weil die Großbetriebe einem alles wegschnappen und zahlen können“, waren typische Äußerungen zum Problemkreis Boden. Eine ganze Reihe von Befragten ist mit den Regelungen in der Sozialversicherung unzufrieden: „fehlende Hilfe bei Krankheit durch die Berufsgenossenschaft“ oder die „sehr hohen Beitragszahlungen bei mittlerer Betriebsgröße“ wurden genannt.

Die Frage nach verbesserten Bedingungen für die Nebenerwerbslandwirtschaft wurden in der Umfrage daher in ähnlicher Weise wie die vorher angeführten Probleme beantwortet. Mit Abstand am häufigsten wurde der Wunsch nach weniger Bürokratie geäußert (34 %). Mehr Informationen für die Nebenerwerbslandwirtschaft wünschten sich 22 %, einen generellen Abbau der Benachteiligungen für Nebenerwerbler 19 %. Eine Reform der Sozialversicherungsbeiträge wünschten sich immerhin weitere zehn Prozent, eine bessere Interessenvertretung sieben Prozent der Befragten.


Die Geflügelhaltung im Nebenerwerb dient vielfach der Eigenversorgung, in spezialisierten Betrieben aber auch der Direktvermarktung.
(c) Detlef Finger

Meist Vieh auf dem Hof

Eine Umfrage zur Nebenerwerbslandwirtschaft in Ostdeutschland, online durchgeführt und ausgewertet von der Hochschule Neubrandenburg, brachte interessante Ergebnisse zur Strukturierung dieses Betriebstyps. Teil 1 der Auswertung. mehr


Zu viel Bürokratie

Weitere Punkte waren ein besserer Zugang zu Fördermitteln, weniger Umweltauflagen und Vorteile beim Flächenkauf. Viele Befragte haben hier ihre Unzufriedenheit mit den bestehenden Rahmenbedingungen ausgedrückt und entsprechende Forderungen und Wünsche für eine Veränderung formuliert. Am meisten drückt die Bürokratie. Hier einige beispielhafte Wortmeldungen:


  • „Der behördliche Aufwand steht gerade für die kleineren Betriebe nicht mehr im Verhältnis zur eigentlichen Arbeit im Betrieb.“
  • „Greeninganforderungen von 5 % sind bei einer geringen Flächenausstattung schwierig …“
  • „… vereinfachen für kleine Betriebe, weil für uns sich in alles einzulesen und alles zu erfüllen sowie alles zu beantragen den Rahmen sprengt.“
  • „Bürokratie abbauen. Gesetze und Vorschriften sind auf große Betriebseinheiten ausgelegt mit extra Mitarbeitern …“
  • „Ein kleiner Betrieb ist mit zunehmenden Anforderungen überfordert – Buchführung, Düngeverordnung, Statistik, Agraranträge, Veterinäramt, Hygiene usw.“

Viele andere Aspekte spielen ebenfalls eine Rolle:

  • „Zur Weiter- bzw. Fortbildung für Nebenerwerbslandwirte sehe ich in Sachsen keine guten Möglichkeiten.“
  • „Es ist nahezu unmöglich, neben einem Vollzeitjob … mit zuständigen Stellen wie Landwirtschaftsamt, Hauptzollamt in Kontakt zu treten, da nach der eigenen Arbeit niemand zu erreichen ist.“

Und familiäre Fragen sind ebenfalls wichtig:

  • „Die Spannungen in der Familie, wo sich jede Freizeit und Urlaub immer nach dem Betrieb und den Arbeitsspitzen richten müssen.“

Motivationsfaktoren

Abbildung 2 zeigt die Antworten der Befragten auf einige Aussagen zur Nebenerwerbslandwirtschaft. Alle sehen ihre Tätigkeit in der Landwirtschaft als erfüllend an, für den überwiegenden Teil (93 %) ist die Tätigkeit ihr Lebenstraum. Zudem ist nur für weniger als ein Fünftel die Landwirtschaft nicht Familientradition. Schließlich sind die Befragten auch zum überwiegenden Teil gern in der Selbstständigkeit. So scheint die Nebenerwerbslandwirtschaft durch hoch motivierte Landwirte ausgeübt zu werden, die ihrer Arbeit gern und aus Überzeugung nachgehen.

Trotz der hohen Motivation stimmt allerdings fast die Hälfte der Befragten (44 %) der These zu, dass unter den aktuellen Rahmenbedingungen der Betrieb eine zunehmende Last für sie wird. Die oftmals genannte geringe Akzeptanz der Landwirtschaft spiegelt sich unter den Befragten indes kaum wider. Nur etwas über ein Fünftel gab an, dass die Menschen in ihrer Umgebung wenig Verständnis für die landwirtschaftliche Tätigkeit haben. Fast zwei Drittel stimmen der These „Die Menschen in meiner Umgebung haben Verständnis für meine Tätigkeit“ immerhin „eher zu“.

Umfrage Nebenerwerbslandwirtschaft Teil 2, Tabelle

Vielfältige Betriebe

Mithilfe der Befragungsergebnisse lässt sich ein gutes Bild der aktuellen Situation der ostdeutschen Nebenerwerbslandwirtschaft zeichnen. Die Unternehmen sind überaus vielgestaltig und sehr unterschiedlich aufgestellt – vom „schlanken“ Ackerbaubetrieb bis zum von der Fläche kleinen, aber arbeitsintensiven Ökobetrieb mit breitem Produktionsprogramm und Direktvermarktung.

Die heutigen NE-Betriebe sind alle in den Jahren nach der Wende, manche auch erst in den vergangenen zehn Jahren entstanden. Einige knüpfen als Wiedereinrichter an Betriebe aus der Zeit vor der LPG-Gründung an, andere sind dagegen gänzlich neu entstanden. Aber fast alle Betriebe wollen „im Geschäft bleiben“.

Neue Agrarpolitik

Viele haben in den zurückliegenden Jahren investiert und planen auch weitere Investitionen. Ein gutes Drittel will wachsen, während die meisten Betriebe ihre jetzige Größe beibehalten möchten. Die Betriebe sind zudem bei der Bewertung ihrer eigenen wirtschaftlichen Situation erstaunlich gelassen. Trotz der zuletzt wirtschaftlich schwierigen Jahre sehen nur relativ wenige der Befragten eine deutliche Verschlechterung ihrer Lage.

Dagegen sind sich viele in einem Punkt einig: der gerade für kleinere Betriebe zu hohe Aufwand für die Bürokratie. Und dies dürfte die eigentlich sehr hohe Motivation für ihre Landwirtschaft bestimmt nicht fördern. Die neuen Regelungen zur Umsetzung der EU-Agrarpolitik sehen grundsätzlich praktikable Lösungen vor. Der „aktive Landwirt“ muss nach den europäischen Vorgaben eingegrenzt und definiert werden. Der Vorschlag des Bundeslandwirtschaftsministeriums sieht hierfür als Kriterium die Mitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung vor. Dies dürften alle NE-Betriebe sein.

Die neuen Regelungen zu den Direktzahlungen bieten für Nebenerwerbslandwirte gute und schlechte Nachrichten zugleich. Für die Förderung der ersten Hektare sind höhere Beträge vorgesehen, wovon NE-Betriebe als kleinere Betriebe profitieren können. Gibt es bislang einen Aufschlag von 50 bzw. 30 €/ha für die ersten 30 ha und die nächsten 16 ha, wird es ab 2023 70 €/ha für die ersten 40 ha und 40 €/ha zusätzlich für die nächsten 20 ha geben. Allerdings wird die Grundprämie deutlich absinken und wie gut die neuen Ökoregelungen passen, bleibt auch noch abzuwarten.

Nebenerwerb: Wichtig für die Dörfer

Die Nebenerwerbslandwirtschaft kann eine wichtige gesellschaftliche Rolle in einer vielfältigen und zukunftsorientierten Agrarstruktur einnehmen. Zunächst gibt es die traditionellen Aspekte, die weiterhin Bedeutung haben. Historische ländliche Bausubstanz wird am besten durch Nutzung gepflegt, somit kann ein attraktives Dorfbild erhalten bleiben.

Das Dorfleben wird durch Landwirtschaftsbetriebe vor Ort befördert. Grünlandflächen, kleinere „Restparzellen“ oder Weinbau am Hang, die für große Betriebe nicht attraktiv sind, werden in Nutzung gehalten und erhöhen die ökologische Vielfalt in der Landschaft. Mutterkühe, Schafe oder kleinere Geflügelbestände können besonders tiergerecht gehalten werden.

Über die Nebenerwerbslandwirtschaft werden bäuerliche Wirtschaftsweisen und Familientraditionen gepflegt. In der Familie vorhandene Kapazitäten – Gebäude, Flächen, Arbeitskraft und Engagement – werden genutzt und sinnvoll verwertet. Im günstigsten Fall erhöht sich das Familieneinkommen. So können selbstbestimmte Teilzeitarbeitsplätze in ländlichen Regionen entstehen.

Umfrage zur Nebenerwerbslandwirtschaft: Gut fürs agrare Image

Generell wird Landwirtschaft im kleineren Maßstab für die restliche Bevölkerung leichter verstehbar und attraktiv. Dies zeigen ja auch die Befragungsergebnisse, denn aus Sicht der befragten Landwirte zeigt die Umgebung viel Verständnis für ihre Tätigkeiten. Dadurch kann ein wichtiger Beitrag für ein positives Bild der Landwirtschaft in der Gesellschaft geleistet werden. Außerdem können neue, selbstständige Existenzen in ländlichen Regionen entstehen. Die Ergebnisse dieser Befragung unterstreichen dies. Denn es wurden in den vergangenen Jahren relativ vielen neue Betriebe gegründet, manche sicherlich mit dem Ziel, sich zum Haupterwerb weiterzuentwickeln, andere mit der Perspektive, auch auf Dauer im Nebenerwerb zu verbleiben.

Gerade in Ostdeutschland hat Nebenerwerbslandwirtschaft in den letzten Jahren wenig politische und gesellschaftliche Aufmerksamkeit erfahren. Gesetzliche Regelungen, die Förderlandschaft, aber auch Weiterbildung und Beratung sind vielfach auf großbetriebliche Verhältnisse ausgerichtet. Trotzdem gibt es offensichtlich eine lebendige, hoch motivierte und dynamische Nebenerwerbslandwirtschaft, wie viele Details der Befragungsergebnisse zeigen. Es wäre daher sehr wünschenswert, wenn die Politik auf Bundes- und Landesebene, wie auch Interessensverbände die Potenziale zukünftig mehr fördern.

Gutscheine verlost
Als Dankeschön für die Beteiligung an der Befragung wurden unter den Teilnehmenden fünf Gutscheine im Wert von jeweils 100 Euro für den Shop der Bauernzeitung verlost. Die Auslosung fand unter Aufsicht des Justiziars der Hochschule Neubrandenburg statt. Die fünf Gewinner wurden bereits informiert.


*Kontakt zum Autoren: fock@hs-nb.de; Postanschrift: 17033 Neubrandenburg, Brodaer Straße 2k

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