Wenn Ralf Czerwinski von der Arbeit kommt, geht‘s in den Stall. 17 Uhr ist Fütterungszeit. (c) Jürgen Drewes

Uckermärker im Herzen

Nahe Rostock bewirtschaften Ralf Czerwinski und seine Familie 32 Hektar Acker- und Grünland. Angebaut werden Weizen, Raps und Gerste. Auf den Weiden grast ab April eine Mutterkuhherde mit knapp 30 Tieren.

Von Jürgen Drewes

Horst ruft zum Aufstehen. Es ist kurz vor 5 Uhr. Auf dem Hof von Ralf Czerwinski in Groß Bölkow, nahe Bad Doberan, beginnt ein neuer Arbeitstag. Hahn Horst ist der Wecker. Auch für seine 40 Hühner. Sollte er mal nicht gehört werden, hilft Leni. Mit eher leisen Tönen. Die Labradorhündin kam vor ein paar Jahren aus dem Tierheim auf den Hof und passt nun auf, wer da durchs Tor kommt. Nicht jeder ist sofort willkommen. Aber grundsätzlich ist sie zugänglich. Die Familie Czerwinski möchte sie auf keinen Fall mehr missen. Und umgekehrt ist es genauso. Für Ralf Czerwinski endet der Arbeitstag erst, wenn es dunkel wird. Im Hauptberuf arbeitet er auf dem Bau. Die Zeit für seine Landwirtschaft im Nebenerwerb eingerechnet, ist er täglich 12 bis 14 Stunden, mitunter noch länger, unterwegs. Genauso hat er es gewollt.

Auf eigener Scholle wirtschaften

Rückblende. Nach der Wende hatte sich die Familie entschieden, die einst in das benachbarte volkseigene und nun privatisierte Gut Hohen Luckow eingebrachten Flächen nicht zu verkaufen, sondern selbst zu bewirtschaften. Gegen den Trend. Fast alle Nachbarn hatten sich damals von der Landwirtschaft losgesagt. Czerwinskis hingen an ihrer Scholle. Ralfs Eltern waren auf der Flucht am Ende des 2. Weltkrieges aus verlorenen deutschen Ostgebieten in Groß Bölkow gestrandet. Mit einigen Hektar Land starteten sie neu.

Da hat man eine ganz besondere Beziehung zu seinem Boden. „Das gibt man nicht einfach her“, heißt es in der Familie übereinstimmend. Inzwischen sind die Eltern Mitte 80. Für Sohn Ralf war früh klar, dass er die Aufbauarbeit von Vater und Mutter fortführen wird. Längst ist der 55-Jährige voll im Geschäft. Unterstützt von Partnerin Simone Witt. Sie arbeitet als Lehrerin in Rostock. Eine Annonce hat beide vor zehn Jahren zusammengeführt. Die Frau aus der Stadt, der Mann vom Lande – das passt bis heute. Im Nebenberuf ist Arbeitsteilung angesagt.

Klar, dass sich die Mathematiklehrerin um die Buchführung kümmert. Rechnen muss man können. Und immer mehr Büroarbeit aushalten. Auch wenn es nur 32 ha sind, etwa je zur Hälfte Acker bzw. Grünland.

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Nebenerwerb mit Uckermärkern

Im März wurden in den vor wenigen Jahren neu gebauten Ställen zahlreiche Kälber geboren. Aufmerksam beobachtet vom einzigen Vater. Der steht jetzt wieder in seiner eigenen Bucht, während sich die Mütter mehrere Abteile mit ihren Kälbern teilen. Einige fehlen noch. Wenn die Herde komplett ist, geht es auf die Weide. Die Flächen wurden schon gestriegelt, um beste Voraussetzungen für die knapp 30 Tiere zu schaffen.

Nebenerwerbslandwirt Czerwinski hat sich für Uckermärker entschieden. Die Rinderrasse stammt aus Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Die Kreuzungszucht startete in den 1970er-Jahren, als es in der DDR weder eine ausgeprägte noch organisierte Fleischrindzucht gab, sondern lediglich Genreserveherden für Fleckvieh und Charolais. Um deren Reproduktion zu sichern, zum anderen auch Bullen für die Spermabereitstellung zwecks Anpassung an Schwarzbunte Kühe zu haben, begann im deutschen Nordosten die Kreuzungszucht. Im Ergebnis entstand mit dem Genotyp 67 eine Rasse, die 1992 ihre Anerkennung als Uckermärker fand.

Uckermärker: Eine Rasse mit vielen Vorteilen

Die Familie mit Hofhündin Leni,  stets wachsam, aber zugänglich.
Die Familie mit Hofhündin Leni, stets wachsam, aber zugänglich. (c) Jürgen Drewes

Czerwinskis schwärmen von ihren Uckermärkern. Ihre Leichtkalbigkeit, das Gewicht, das bei Kühen und Bullen schon mal deutlich über 1.000 kg liegen kann, und die Hornlosigkeit bieten Vorteile in der Haltung. Da haben sich die besten Eigenschaften beider Ausgangsrassen durchgesetzt, so das Resümee. Auch farblich vereinen sie beide Elternrassen in sich.

Das Spektrum reicht von fast weiß über cremefarben bis gescheckt. Die gute Weidefähigkeit und die Gabe, genügend Grobfuttermengen aufnehmen zu können, komplettieren die Vorzüge.

Es ist kurz vor 17 Uhr. Ralf Czerwinski ist zurück von der Arbeit. Als gelernter Zimmerer arbeitet er für eine kleine Rostocker Baufirma. Spezialgebiet Wohnhäuser. Nun sind erst einmal die Rinder zu versorgen. Die haben sich schon bemerkbar gemacht. 17 Uhr ist Fütterungszeit. Abweichungen vom Standard werden lauthals kommentiert. Sowie ihnen das Heu zugeschoben wird, herrscht wieder Ruhe im Stall. Simone Witt schaut vorbei. In der Schule war’s mal wieder anstrengend. Die nicht enden wollenden Regelungen in der Coronapandemie belasten Lehrer und Schüler gleichermaßen. Bei der Arbeit auf dem Hof kann die Lehrerin entspannen.

Nebenerwerb ist Familiensache

Chris, der Sohn von Ralf Czerwinski, ist als Stahlbetonexperte ebenfalls auf dem Bau. Auf dem Hof hilft er, wann und wo er kann. Am liebsten fährt er Mähdrescher. Das ist aber die einzige Technik, die es auf dem Nebenerwerbsbetrieb nicht gibt. Mit 18 ha Weizen, Gerste oder Raps lohnt sich die Maschine nicht. Da lassen wir lieber ein Lohnunternehmen kommen, macht Mathelehrerin Simone Witt ihre Rechnung auf. Chris freut sich, wenn ihn der Nachbar fragt, ob er nicht beim Dreschen helfen könne.

Czerwinskis Technik steht unter dem neuen Schleppdach; Traktoren, Drillmaschine, Spritze, Düngerstreuer, sogar ein alter Kartoffelroder ist im Bestand. Als geliebtes Museumsstück erinnert er an längst vergangene Zeiten.

Tierische Vielfalt auf dem Hof, nur Schweine fehlen

Neben den Rindern und zwei Deutschen Reitponys gehören Hühner, Tauben und Kaninchen zur Tiervielfalt auf dem Hof. Was inzwischen fehlt, sind Schweine. Im aufwendig sanierten, ehemaligen Wohn-, Stall- und Scheunengebäude war dafür kein Platz mehr. In dem Haus wird nur noch gewohnt, Großeltern und Enkel unter einem Dach. Ralf Czerwinski und Simone Witt haben sich gleich gegenüber ein Eigenheim gebaut, tatkräftig unterstützt vom Sohn.

Probleme bereitete den Landwirten zuletzt das Wetter. Nach Dauerregen im Januar und Februar fiel im März wie fast überall im Land kaum noch ein Tropfen. Zudem gab es nachts oft Bodenfrost. Das ließ die Natur nur schwer in Schwung kommen. Da half auch die erste Düngergabe nur wenig. Aber noch ist nichts verloren, machen sich die Familienmitglieder gegenseitig Mut. Optimismus, Engagement, Freude an der Arbeit weit über das „Normale“ hinaus. Das ist es, was sie auszeichnet.

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