Landwirtschaft in Syrien zwischen den Städten Aleppo und Lattakia. (c) imago images / robertharding

Landwirtschaft in Syrien: Zwischen Meer und Wüste

Eine reiche Vergangenheit hat die Landwirtschaft in Syrien, das einmal Perle des Nahen Ostens war und heute leider zutiefst zerrissen ist. Zunächst ein Blick auf die Vielfalt der bisherigen Produktion.

Von Ahmad Ali, LFA MV
(Text und Fotos)

Der Agrarsektor spielt in Syrien eine wichtige Rolle bei der Sicherung des Lebensunterhalts eines großen Teils der Bevölkerung, da sie etwa 15 % der Erwerbsbevölkerung beschäftigt, die Entwicklung in ländlichen und städtischen Gebieten vorantreibt, die Industrie, insbesondere das verarbeitende Gewerbe, fördert und rund 19 % zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) beiträgt. Wie die Landwirtschaft in Syrien organisiert ist und wie die Agrarberatung in Syrien funktioniert, darüber soll im Folgenden berichtet werden.

Es kann sehr heiß werden

In Syrien herrscht mediterranes Klima mit kontinentalem Einfluss, da es zum einen im Bereich des Mittelmeerklimas liegt, im Osten aber schon vom Trockenklima beeinflusst ist. Daher ist es im Westen von Syrien extrem heiß und trocken, im Winter aber feucht und mild. Die Höchsttemperaturen liegen im Durchschnitt bei 31 °C im Juli und im Winter ist es mit 10 °C ziemlich mild. Im Landesinneren sind die Temperaturen mit 33 bis 40 °C um einiges höher als direkt an der Küste. In der Wüste muss man mit etwa 45 °C rechnen.

Je nach Region sind die Tagestemperaturen sehr unterschiedlich. In Gebieten im Landesinneren beträgt der Unterschied zwischen Tages- und Nachttemperaturen bis zu 32°C, in der Küstenregion etwa 13 °C. Entsprechend schwankt der Jahresniederschlag von 100 mm in der syrischen Wüste bis zu 1.400 mm in den Bergen. Die meisten Niederschläge fallen im Winter von Oktober bis April und die höchsten Temperaturen werden in den Monaten Juni bis September gemessen. Agrarwissenschaftler haben die Fläche Syriens nach jährlicher Niederschlagsmenge in fünf Agrarstabilitätszonen eingeteilt, wobei 1 für die höchsten jährlichen Niederschlagsmengen und 5 entsprechend für die niedrigsten gemessenen Niederschläge steht (Tabelle).

Wasser ist der entscheidende Faktor

Die Gesamtfläche des Landes beträgt circa 18 Mio. ha, die landwirtschaftliche Nutzfläche macht nur 33 % (5,7 Mio ha) der gesamten Fläche aus. Weitere Anteile sind Weiden und Wiesen zu 44 %, Siedlungsgebiete mit 20 % und Waldfläche mit lediglich 3 %. Nur knapp über 21 % der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche werden bewässert.

Hauptwasserressource für die Landwirtschaft ist der natürliche Niederschlag, der von Jahr zu Jahr großen Schwankungen unterliegt. Als zweite Ressource sind die 16 großen Flüsse Syriens und deren Nebenflüsse zu nennen. Am bekanntesten sind Euphrat und Tigris. Die dritte Ressource ist das Grundwasser. Außerdem werden Dämme zur Wasser-Rückhaltung und Kläranlagen eingesetzt, um verschmutztes Wasser wieder nutzbar machen.

Wichtig ist der Umstand, dass in großen Teilen Syriens über lange Zeit unkontrolliert viele Brunnen gebaut und diese immer tiefer gebohrt wurden. Im Ergebnis wandelten sich diese Gebiete nach und nach in trockene Zonen um. Deshalb wurden durch die Regierung Regelungen getroffen, wonach neue Brunnen nur mit Genehmigung gebohrt und nur bestimmte Flächen bewässert werden dürfen.

Die am häufigsten genutzte Bewässerungsmethode ist die Oberflächenbewässerung. Fast 87 % der bewässerten Nutzfläche wird so versorgt, entweder als Beckenbewässerung oder als Furchenbewässerung. In erster Linie wird diese Bewässerungsform für Baumwolle, Gemüse und Weizen genutzt. Eine andere Methode der Bewässerung ist die Beregnung (teilortsfest). Sie wird auf fast 9 % der bewässerten Nutzfläche angewandt. Die gezielte Tropfbewässerung wird nur im Gemüseanbau in Treib- und Gewächshäusern umgesetzt. Dazu werden ca. 4 % des Wassers genutzt.

Landwirtschaft in Syrien: Pistazien und Oliven, Ziegen neben Schafen

Hauptkulturen in Syrien sind Getreide (vor allem Hart- und Weichweizen sowie Gerste), Baumwolle (Gossypium hirsutum) und Leguminosen (Rote Linsen, Kichererbsen, grüne Erbsen). Daneben spielen Obstbäume (Zitrusfrüchte, Feigen, Aprikosen, Tafeltrauben), Pistazien, Oliven und Futterpflanzen (Mais, Wicke, Gerste, Luzerne) sowie Gemüse und Tabak eine wichtige Rolle. Bis zu den Kriegen war Syrien der fünftgrößte Pistazienproduzent der Welt. Die Produktion von Oliven stand weltweit an siebenter Stelle.

Feldtag zu Ernteverfahren von Oliven.

In Syrien hängt die Versorgung mit Milch und Fleisch von der Nutztierhaltung im eigenen Land ab (Milchkühe, Schafe und Ziegen). Ein Import aus anderen Ländern findet so gut wie nicht statt. Die Milcherzeugung liegt hauptsächlich in den Händen von Kleinbauern (95 %), während Großbetriebe im Privatsektor und der Staat die übrigen 5 % ausmachen. Die Größen der Ziegen- und Schafherden sind instabil und die Herden befinden sich nomadisch auf der Suche nach Wasser und Weiden. Die meisten Familien auf dem Land halten Nutztiere, um ihren eigenen Bedarf an Milch, Käse und anderen Milchprodukten zu decken. Für viele Familien ist die Tierhaltung (insbesondere Schafhaltung) zudem die einzige Quelle, um ihren Lebensunterhalt zu sichern.

Landwirtschaft in Syrien: Wichtig ist traditionelle Weidewirtschaft

Die syrische Tierhaltung lässt sich in vier Teilbereiche aufgliedern: Beweidung, landwirtschaftliche Nebenproduktion, halbintensive Produktion und intensive Produktion. Das in Syrien am weitesten verbreitete Produktionssystem ist das traditionelle, nomadische Weiden, auch das Nutzen von Randweiden und Ernterückständen. Schafe, Ziegen, Hausrinder, Büffel und Kamele sind die dominierenden Weidetiere. Niederschlag und Verfügbarkeit von Weiden sind die Hauptfaktoren für die Größe des Systems. Die Größe der Herden reicht bei Schafen von 50 bis zu 5.000 Tieren pro Halter und bei lokalen Rinderrassen und Bergziegen von einem bis etwa 200 Tieren, die sich zu 100 % in Privatbesitz befinden.

In der landwirtschaftlichen Nebenproduktion werden Tiere am Rande von landwirtschaftlichen Betrieben in Städten und Dörfern
aufgezogen, in denen Tiere sich von pflanzlichen Produkten ernähren, von Obst und Blättern bis hin zu Haushaltsabfällen. Das sind etwa 85 % der importierten Kühe, 90 % der einheimschen Rinder und 90 % der Ziegen. Etwa 25 % der Schafpopulation gehören der Privatwirtschaft.

Das halbintensive Produktionssystem, das sich durch eine im Vergleich zu den beiden vorhergehenden Systemen hohe Produktivität auszeichnet, ist sehr begrenzt und beschränkt sich auf die Aufzucht von Schafen in Größen von 300 bis 10.000 Stück, die in staatlichen Betrieben oder in Herden von 2.000 bis 5.000 Tieren von Herdenleitern gehalten werden. Obwohl die Fleischproduktion das Hauptziel dieser Betriebe ist, werden mehr als 50 kg Milch pro Schaf und Jahr erzeugt.

Großbetriebe mit effizienter Tierhaltung

Das Intensivproduktionssystem ist das professionellste System der Tierhaltung und besteht aus etwa 11 staatlichen und 15 privaten Betrieben. Deren Tierbestand liegt bei etwa 2 bis 3 % des Gesamtvolumens der Rinderhaltungsbetriebe in Syrien. Dort wird die Zucht von Holstein-Frisian-Kühen betrieben. Die durchschnittliche Herdengröße liegt bei etwa 1.000 Kühen. Ihre Zucht und Haltung wird von Spezialisten beaufsichtigt. Der Produktionsgewinn einer einzelnen Kuh ist etwa 200 % höher als der Produktionsgewinn einer Kuh in nicht professionellen Betrieben. In Betrieben des Intensiven Produktionssystems werden rund 5 % der gesamten syrischen Milchproduktion erzeugt. Kuhmilch wird das ganze Jahr über produziert, während die Schafmilchproduktion nur halbjährlich erfolgt.

Die Anzahl der Schafe vor dem Krieg betrug etwa 18 Millionen. Während des Krieges dezimierte sich die Zahl auf circa acht Millionen Tiere. Rinder gab es etwa 1,1 Millionen Stück. Während des Krieges ging auch hier die Zahl auf 800.000 Tiere erheblich zurück. Da Syrien ein muslimisch geprägter Staat ist, wird der größte Anteil des Fleischbedarfes der Bevölkerung durch Schaf- und Geflügelfleisch gedeckt. 2010 betrug die Produktionsmenge von Kuhmilch ca. 1,5 Mio. t, bei Schafsmilch 644.000 t, bei Ziegenmilch 139.000 t und bei Büffelmilch ca. 6.000 t. In dieser Zeit galt Syrien als der viertgrößte Schafsmilcherzeuger der Welt.

In Syrien hängt die Tierfutterversorgung von verschiedenen Quellen ab. Allem voran stehen natürliche Weiden in der syrischen Wüste, deren Fläche 55 % der gesamten Fläche einnimmt. Hier fallen durchschnittlich 100 l Niederschlag pro Quadratmeter und Jahr. Weiterhin werden Brachflächen oder nicht abgeerntete Flächen genutzt (wenn die Niederschläge für einen brauchbaren Ernteertrag nicht ausreichen, werden viele Ackerflächen nicht abgeerntet). Außerdem werden Reste von Getreide verfüttert und Flächen nach der Ernte als Weideflächen genutzt.

Einrichtung sorgt für Futtermittel

Die „Allgemeine Einrichtung für Futtermittel“ ist eine wirtschaftliche Dienstleistungseinrichtung, die dem Ministerium für Landwirtschaft und Agrarreform angegliedert ist. Sie befasst sich mit der Bereitstellung von Futtermitteln in der kritischen Jahresperiode, die von Oktober eines jeden Jahres bis Ende Februar des folgenden Jahres reicht. Durch die Einrichtung werden die Herstellung von Milchviehfutter gesichert und Futtermittel mit hohem Nährwert für Viehzüchter bereitgestellt. Diese werden zu subventionierten Preisen angeboten, die weit unter den örtlichen Marktpreisen liegen, um die Tierzüchter und die Tierhaltungen zu unterstützen.

Die Stiftung verteilt sowohl die Rohfuttermittel wie zum Beispiel Kleie, Abfälle aus der Baumwollverarbeitung, Gerste oder Mais als auch die verarbeiteten Futtermittel an die Schaf- und Viehzüchter im Land. Die Menge der Abgabe hängt von zwei Faktoren ab: Verfügbarkeit von Futtermitteln für die Einrichtung, Anzahl aller im Land vorhandenen Nutztiere.