Der Stallbrand von Kölsa letztes Jahr wurde durch einen Waldbrand ausgelöst. (c) Feuerwehr Falkenberg

Brandschutz in der Landwirtschaft: Prävention schützt am besten

Die Tierverluste aufgrund von Stallbränden sind viel zu hoch. Auf dem Kongress „Effektiver Brandschutz in der Nutztierhaltung“ Ende März in Seddiner See wurden Ursachen und vorbeugende Maßnahmen vorgestellt.

Von Wolfgang Herklotz

Es war der blanke Wahnsinn!“ So beschreibt Sören Diecke, Stadtbrandmeister von Falkenberg/Elster, den verheerenden Waldbrand vom 25. Juli 2022, der deutschlandweit für Schlagzeilen und großes Entsetzen gesorgt hatte. Als gegen 13.28 Uhr der Alarm ausgelöst wurde, loderten die Flammen auf rund zwei Hektar Forstfläche. Trotz des raschen Einsatzes der Kameraden konnte das Feuer nicht aufgehalten werden, zumal es sich durch wechselnde Winde in verschiedene Richtungen ausdehnte.

Gegen 19 Uhr brannte es bereits auf 170 Hektar, erinnert sich Sören Diecke. „Durch Funkenflug entzündeten sich mehrere Spotfeuer in den gut einen halben Kilometer vom Brandherd entfernten Getreidefeldern.“ Als dann eine sehnlichst erwartete Gewitterfront eintraf, kam damit verbunden ein Sturm mit einer Geschwindigkeit von bis zu 110 km/h), der sich zum Tornado entwickelte. Der angekündigte Starkregen blieb aus. Die starken Böen sorgten für eine heftige Rauchentwicklung und eine Feuerwalze, die sich durch Felder und Wälder fraß.

Plötzlich waren die Einsatzkräfte eingeschlossen und konnten sich in den dichten Qualmschwaden nicht mehr orientieren. „Meine Kameraden sind um ihr Leben gerannt. Zum Glück konnten sich alle vor dem Feuersturm retten“, so Diecke. Mehrere Feuerwehrleute wurden aber verletzt, vier davon so schwer, dass sie in ein Krankenhaus mussten.

Aktuelle Ausgabe
Bauernzeitung 17/2024

Unsere Top-Themen

  • BraLa 2024: Trecker, Tiere und Talente
  • Strategien im Maisanbau
  • Wertvoller Wirtschaftsdünger
  • Märkte und Preise
Zur aktuellen Ausgabe

Sauenzuchtanlage Kölsa: Sauen und Ferkel sind verbrannt

Obwohl mittlerweile mehrere Wehren, so auch aus dem benachbarten Sachsen, mit insgesamt 700 Kräften im Einsatz waren, eskalierte die Lage weiter. Die Brandfläche vergrößerte sich in der Sturmphase, die 20 Minuten andauerte, um 375 ha! Die Feuerwalze zog über Ställe und Scheunen bis in die Ortslage Kölsa-Siedlung. Gegen 20.27 Uhr brannte der erste Stall der östlich gelegenen Sauenzucht-Anlage Kölsa, eine halbe Stunde später der zweite Stall.

Die nur wenige Kilometer entfernten Ortslagen Kölsa und Kölsa-Siedlung mussten evakuiert werden, um nicht noch weitere Menschenleben in Gefahr zu bringen. Gegen Mitternacht schließlich konnte das Feuer eingedämmt werden. Es wütete jetzt auf einer Fläche von rund 800 ha. Die Flammenfront um den brennenden Bereich betrug 15 km. Während 14 Tiere aus dem brennenden Stall gerettet werden konnten, kam für 134 Ferkel und rund 400 Sauen jede Hilfe zu spät. Weitere 5.000 Schweine blieben zum Glück unversehrt.

Vor Ort war in diesen dramatischen Stunden auch der amtliche Tierarzt Burigk, zusammen mit seiner amtstierärztlichen Kollegin Wohlert vom Amt für Veterinärwesen, Lebensmittelüberwachung und Landwirtschaft des Landkreises Elbe-Elster. Beide konnten beim Eintreffen zwar feststellen, dass das schlimmste Szenario nicht eingetreten war.

Zusammenarbeiten im Ernstfall

Die Feuerwehr hatte den Brand unter Kontrolle, ein Übergreifen auf die anderen Ställe konnte verhindert werden. Aber sollte man die Lüftung im Stall ausschalten, damit keine Rauchgase ins Stallinnere gezogen würden? Diese und viele weitere Fragen beschäftigten die Tierärzte, die in engem Kontakt zum Betriebsleiter und zum Krisenstab des Landkreises standen. „Es war besonders wichtig, strukturiert und klar zu handeln und das Gedankenkarussell zu beherrschen, das sich permanent drehte“, so Burigk.

Nach Rücksprache mit der Feuerwehr und dem Betriebsleiter wurde beschlossen, auf eine Evakuierung des restlichen Tierbestands zu verzichten, da die Versorgung sichergestellt werden konnte. Die Belüftung blieb aktiv und sorgte für Frischluft und die Verdrängung von Schadgasen. Klar war jedoch, dass in solch einer Krisensituation die Seuchen-Prophylaxe vernachlässigt werden musste. Burigk: „Die Verhinderung von weiteren Schäden und toten Tieren stand an erster Stelle!“

Brandschäden in der Landwirtschaft: Keine offiziellen Zahlen

Diese sehr emotionalen Erinnerungen kamen während des dreitägigen Kongresses zum effektiven Brandschutz in der Nutztierhaltung Ende März zur Sprache, über den wir bereits in der 17. Woche berichteten. Gerade der Stallbrand in Kölsa hatte viele Fragen aufgeworfen. Nach Abschluss der Löscharbeiten gab es einen riesigen Trümmerhaufen von gefährlichen Abfällen. Ehe diese entsorgt werden konnten, war ein bürokratischer, 28 Tage währender Hürdenlauf zu absolvieren.

Als großes Problem stellt sich zudem das Fehlen einer offiziellen Statistik der Brandschäden in der Landwirtschaft heraus. Das Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung gibt zwar auf Grundlage gemeldeter Versicherungsschäden als Hauptursachen Brandstiftung, menschliches Fehlverhalten und feuergefährliche Arbeiten an. Doch über die Zahl der Brände in Deutschland gibt es keine genauen Angaben, denn sie werden hier, anders als beispielsweise in Österreich, statistisch nicht erfasst.

Seit 2019 ist allerdings Stefan Stein mit seinem Team „Stallbrände“ dabei, entsprechende Daten aufgrund von Veröffentlichungen zu sammeln. Demnach kam es 2020 zu 2.366 Bränden, im Folgejahr zu 2.343 und 2022 zu 3.099 Bränden. Nahezu zwei Drittel davon entfielen auf Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, berichtete Stein auf dem Kongress am Seddiner See. „Brandenburg bewegt sich da im Mittelfeld. Doch schon die Zahl der im vergangenen Jahr durch Brände getöteten Tiere gibt mehr als zu denken.“

Diese lag im Vorjahr bei mehr als 8.660 Tieren, deutschlandweit waren es 89.421. Registriert wurde ein Sachschaden von 249 Mio. Euro beziehungsweise 241 Mio. Euro in den vergangenen zwei Jahren. „Doch nur in 30 bis 40 Prozent der Berichte wird ein Sachschaden benannt, die Dunkelziffer dürfte also deutlich höher liegen“, so Stein. Er bilanzierte deutschlandweit für 2021 einen durchschnittlichen Sachschaden von rund 428.000 € bei Bränden in der Tierhaltung, über die berichtet wurde. „Der Trend geht nach oben, der Handlungsbedarf ist offensichtlich!“

Auch interessant
Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Götz packen zusammen
Die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Götz packen zusammen. Es war der Abschluss des dreitägigen Kongresses „Brandschutz in der Nutztierhaltung“. Der Umgang mit den Tieren und deren sichere Evakuierung im Ernstfall standen im Vordergrund. (c) Sabine Rübensaat

Brandschutz: Brandstiftung und Fehlverhalten häufigste Brandursachen

Als Hauptursachen für Brände in der Landwirtschaft gelten Brandstiftung, menschliches Fehlverhalten wie der nachlässige Umgang mit Kerzen und Zigaretten sowie feuergefährliche Arbeiten wie Schweißen und Trennschleifen. Darauf verwies Dr. Matthias Klaper vom Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung der öffentlichen Versicherer e.V. „Kurzschlüsse und überlastete Elektroleitungen stellen ebenfalls Brandursachen dar, spielen in der Anzahl jedoch nicht solch eine gravierende Rolle wie bei Bränden außerhalb der Landwirtschaft.“

Losgelöst davon kämen jedoch bei elektro-technischen Defekten statistisch die meisten Tiere zu Schaden. Eine mögliche Begründung sah Dr. Klaper in der späten Entdeckung und einer längeren initialen Schwelphase. Daher sei eine regelmäßige Überprüfung der elektrischen Komponenten zu veranlassen. Welche Fehler an der Elektrik sowie Photovoltaikanlage führen hauptsächlich zu Stallbränden?

Lutz Erbe, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger bei der Ingenieurkammer Niedersachsen, führte mehrere Beispiele an, darunter mangelhafte Klemmverbindungen an PV-Anlagen. „Dies kann zu Lichtbögen führen, die dann brennbare Dämmstoffe unter dem Dach entzünden.“ Häufig würden Fehlerstrom-Schutzschalter mangelhaft eingebaut, überbrückt oder gar nicht angeschlossen.

Weitere Ursachen:

  • überalterte elektrische Anlagen,
  • unzureichende Alarmierungstechnik,
  • mangelhafter Blitz-Überspannungsschutz,
  • nicht fachgerecht hergestellte Betriebsmittel wie Verlängerungsleitungen,
  • beschädigte Erd- und Freileitungen der Netzbetreiber,
  • Nichteinhaltung von Schutzabständen besonders bei Freileitungen,
  • unsachgemäßer Betrieb von Biogasanlagen

Brandschutz: Elektiker holen, Flucht und Rettungswege gewährleisten

Erbe wies nachdringlich auf die Pflicht des Landwirts hin, dafür zu sorgen, dass elektrische Anlagen und Betriebsmittel auf ihren ordnungsgemäßen Zustand überprüft werden. Zugleich müssen die Arbeiten von Fachkräften oder unter deren Aufsicht erfolgen. „Aus Kostengründen auf den Einsatz von Elektrikern zu verzichten, kann sehr, sehr teuer werden!“ Hier Sorgfalt walten zu lassen, ist eine Möglichkeit, um Stallbränden vorzubeugen, aber bei Weitem nicht die einzige.

Das machte Jürgen Kunkelmann, ehemals Forschungsstelle für Brandschutztechnik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), deutlich. Neben dem baulichen und technischen müsse auch ein organisatorischer Brandschutz gewährleistet werden. „Die Planung von Flucht- und Rettungswegen gehört ebenso dazu wie die Konzeption einer Brandschutzordnung mit objektbezogenen Regeln, was im Ernstfall zu tun ist.“ Zudem sei es erforderlich, einen Brandschutzbeauftragten zu benennen und die Arbeitnehmer regelmäßig zu schulen.

Wie Kunkelmann einräumte, bereiten viele Brandmeldesysteme in landwirtschaftlich genutzten Gebäuden Schwierigkeiten, da die Detektoren durch Staub, Feuchtigkeit oder Dämpfe leicht verschmutzen. Deshalb sollten spezielle Rauchansaugsysteme zum Einsatz kommen. Er gab viele Hinweise zu Ordnung, Sauberkeit und dem Umgang mit offenem Feuer, aber auch zum Vermeiden von Brandstiftung. „Der wirksamste Schutz besteht darin, den Betrieb vor unbefugtem Betreten zu schützen, durch eine solide Einfriedung des Geländes, stabile Sicherung der Gebäude und Beleuchtung.“

Auch interessant
Feuerwehrauto
Der Kongress „Effektiver Brandschutz in der Nutztierhaltung“ 2023 ist vorüber. Was kommt erzählt Frau Dr. Possardt im Interview. (c) Sabine Rübensaat