Uta Franke (l.) bietet auf ihrem Biohof im westsächsischen Crimmitschau als „Anderer Leistungsanbieter“ sechs Menschen mit Behinderung geschützte Arbeitsplätze. Zu ihnen zählen Holger Lohse und Markus Wiegard (r.), die im Betrieb unter anderem bei der Aufzucht von Gemüsepflanzen eingesetzt werden.

„Anderer Leistungsanbieter“: Man macht das nicht nebenbei

Im Rahmen eines EIP-Agri-Projektes ist der Biohof Franke in Crimmitschau „Anderer Leistungsanbieter“ geworden – und hat dadurch soziale Arbeit mit Menschen mit Handicap zu einem Einkommenszweig entwickelt.

Anfang Juli waren es 20 Jahre, die der Biohof Franke in Crimmitschau inzwischen besteht. „Wir haben klein angefangen“, sagt Uta Franke. Am Tapeziertisch vor dem Hof habe sie anfangs das selbsterzeugte Obst und Gemüse verkauft. Irgendwann wurde der Tapeziertisch zu klein und sie begann, auch Abo-Kisten für die Kundschaft zu packen. „Das wuchs sukzessiv“, erinnert sie sich.

Heute verkauft der Betrieb im Hofladen seine Produkte an Verbraucher, die überwiegend Stammkunden sind. Sie kommen nicht nur aus Crimmitschau selbst, sondern auch aus Städten wie Altenburg, Werdau, Schmölln und Zwickau. Der Biohof erzeugt auf viereinhalb Hektar nach ökologischen Grundsätzen Obst und Gemüse vom Feld und aus dem Folientunnel, Aronia-, Johannis- und Himbeeren sowie Säfte aus Äpfeln, Birnen und Quitten von der eigenen Streuobstwiese.

als erster Landwirtschaftsbetrieb „Anderer Leistungsanbieter“ (ALA) anerkannt

Seit Kurzem hat der Betrieb ein weiteres Standbein: Der Biohof ist im Juli vergangenen Jahres als erster Landwirtschaftsbetrieb in Sachsen als sogenannter „Anderer Leistungsanbieter“ (ALA) anerkannt worden und gibt Menschen mit Handicap die Möglichkeit, in einem geschützten Bereich einer Arbeit nachzugehen.

Finanziert wird dies über Leistungen, die behinderten Menschen nach dem Bundesteilhabegesetz zustehen und ihnen im Idealfall den Übergang in den Ersten Arbeitsmarkt ermöglichen sollen. Derzeit sind es sechs Männer und Frauen, die auf dem Hof mit anpacken.

Betreuungsleistung wird bezahlt

Uta Franke hat schon längere Zeit Kontakte zu einer Behindertenwerkstatt. Den Umgang mit behinderten Menschen ist sie gewohnt. Mehrere Jahre bot sie für die Werkstatt auf ihrem Hof Außenarbeitsplätze an. Allerdings zu für sie ungünstigen Bedingungen: Für die Arbeitsleistung der Beschäftigten bezahlte sie die Werkstatt – für den Aufwand der Betreuung erhielt sie indes keinen Ausgleich. Die Anerkennung als ALA bietet ihr die Chance, diese von ihr erbrachte Leistung bezahlt zu bekommen.

Die Möglichkeit, dass Landwirtschaftsbetriebe als ALA einen Anteil ihres Einkommens mit sozialer Arbeit erzielen können, gibt es seit Inkrafttreten des neuen Bundesteilhabegesetzes im Jahr 2018. Es erlaubt, für Betroffene alternative Wahlmöglichkeiten zur „Werkstatt für behinderte Menschen“ zu schaffen. Als solche „Alternativen Leistungsanbieter“ können alle Träger auftreten, die die gleichen Voraussetzungen wie eine Werkstatt erfüllen, wobei einige Ausnahmen Erleichterungen mit sich bringen. Auch Landwirtschaftsbetriebe können ein solcher Träger sein.

Hochschule Mittweida bei EIP-Agri-Projekt mit dabei

In einem EIP-Agri-Projekt untersucht seit knapp drei Jahren die Hochschule Mittweida gemeinsam mit Partnern aus Hamburg, Niedersachsen und Bayern, wie Landwirtschaftsbetriebe in Sachsen sich als ALA betätigen und somit einen neuen Einkommenszweig erschließen können. „In der Landwirtschaft haben ohnehin schon immer Menschen mit Handicap inklusive Beschäftigung gefunden“, sagt Sonja Hoyer, die als Diplom-Agraringenieurin gemeinsam mit Marika Krüger und Heike Delling als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Hochschule Mittweida im Projektteam InnoLAWI beteiligt war.

Für Landwirtschaftsbetriebe selbst habe dafür jedoch bislang eine ordentliche Finanzierungsgrundlage gefehlt, die erst mit dem neuen Gesetz geschaffen wurde. Zuständiger Kostenträger in Sachsen ist der Kommunale Sozialverband. Mit ihm wurde über die Registrierung landwirtschaftlicher Betriebe als ALA – und nicht zuletzt auch über die Kostensätze verhandelt.

Infos und Beratung:

www.hs-mittweida.de/webs/innolawi
www.sw.hs-mittweida.de/webs/teilhabe-landwirtschaft


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Zu Anfang Startschwierigkeiten

Sieben Landwirtschaftsbetriebe unterschiedlicher Größe und Ausrichtung nahmen am Projekt teil. Am konsequentesten und schnellsten verfolgte der Biohof Franke das Anliegen, wurde als erster Landwirtschaftsbetrieb nach Einreichen von Konzept und Kostenkalkulation als ALA anerkannt. Mittlerweile hat auch ein zweiter Pilotbetrieb des Projektes eine Anerkennung erhalten. „Am Anfang gab es Zweifel: Ist es überhaupt gewollt, dass Landwirtschaftsbetriebe ALA werden?“, berichtet Sonja Hoyer. Dass die Vorbereitungen Zeit und Nerven kosteten, bestätigt auch Uta Franke.

Zumal es auch nach der Anerkennung Startschwierigkeiten gab: Beschäftigte, die aus der Behindertenwerkstatt zum Biohof wechseln wollten, waren zunächst verunsichert. Bei anderen Anspruchsberechtigten oder ihren Familien musste sich das Angebot erst rumsprechen. In Gang kam die Sache erst im vorigen September mit dem ersten Beschäftigten. Weitere folgten ab November und Februar.

„Der Aufwand ist schon hoch“

Ihren Einsatz finden die sechs Männer und Frauen bei der Pflanzenaufzucht und -pflege. Auch bei der Ernte und der Vorbereitung der Ware für den Verkauf sind sie tätig. Sie betreuen die Schafe, die Uta Franke zur Pflege ihrer Streuobstwiese hält, helfen bei Weidezaunbau, Grünlandpflege und Fütterung. Perspektivisch will die Hofbetreiberin noch einen Kreativbereich aufbauen, in dem ihre Beschäftigten ebenfalls tätig werden können. Anleitung benötigen sie dabei in unterschiedlichem Maß.

„Ohne Betreuung geht es nicht“, sagt Uta Franke. „Der Aufwand ist schon hoch.“ Nicht umsonst ist es für die Anerkennung als ALA im Rahmen des Projektes nötig, die Qualifikation für die Betreuung von Menschen mit Handicap vorzuweisen. Da es allein wegen einer in der Regel eher geringen Zahl behinderter Beschäftigter unrealistisch ist, dass ein Betrieb eigens hierfür Fachleute einstellt, wurde im Rahmen des Projektes die Vorbereitung zur Prüfung zur „Geprüften Fachkraft für Arbeits- und Berufsförderung“ angeboten. Nach bestandener Prüfung kann der Betrieb die nötige fachliche Betreuungsleistung selbst anbieten.

Bei Uta Franke ist es die Heilerziehungspflegerin Heike Laube, die sich aufgrund ihrer Qualifikation ausschließlich um die Betreuung der behinderten Mitarbeiter kümmert. Was indes zu Beginn ohne eine Förderung der Arbeitsagentur nicht möglich gewesen wäre: Man benötige eine gewisse Teilnehmerzahl, damit die Arbeit als ALA wirtschaftlich werde, macht Uta Franke deutlich. Genau das war am Anfang noch nicht gegeben.

„Anderer Leistungsanbieter“: eine Chance – aber keinesfalls ein Selbstläufer

„Es ist immer noch ein Versuch“, sagt Sonja Hoyer über die laufenden Bemühungen, auf Landwirtschaftsbetrieben feste Beschäftigungsmöglichkeiten für behinderte Menschen zu schaffen. Als „Anderer Leistungsanbieter“ Landwirtschaft mit sozialer Arbeit zu verbinden, ist eine Chance – aber keinesfalls ein Selbstläufer. „Man macht das nicht nebenbei“, gibt Uta Franke zu verstehen.

Dass sie sich entschieden hat, diesen Weg zu gehen, bereue sie aber keinesfalls. „Wir geben Menschen die Chance, einer Arbeit nachzugehen und sich in die Gesellschaft zu integrieren“, sagt sie. „Was wir hier machen können, ist etwas ganz Wunderbares.“


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