Gülle als flüssiger Volldünger: Werden die Inhaltsstoffe bei der Ausbringung fortlaufend bestimmt, kann genau nach Bedarf gedüngt werden. (c) Werkbild

NIR von Gülle: Inhaltsstoffe in Echtzeit

Obwohl immer mehr sensorgestützte Messsysteme zur Online-Bestimmung von Gülle-Inhaltsstoffen verfügbar sind, gilt die chemische Analyse als Referenz. Doch welche Methode ist genauer? 

Von Dr. Frank Voll (DLG-Testzentrum Technik und Betriebsmittel)

Für die Erfassung und Dokumentation der ausgebrachten Nährstoffe konnten die Nährstoffgehalte bisher entweder aus Standardtabellen übernommen oder im Labor (nass-)chemisch ermittelt werden. Die Tabellenwerte gelten aber inzwischen als überarbeitungswürdig, da sie in der Regel die hohe Varianz der Nährstoffzusammensetzung auf den Betrieben nicht mehr abbilden. Auf der Ebene der Einzelprobe gilt die Laboranalyse als wissenschaftliche Referenz zur Bestimmung der Nährstoffgehalte.  

Viele Fehlerquellen

Abbildung 1: Messunsicherheiten in der Prozesskette

Betrachtet man jedoch den gesamten Prozess von der Probennahme bis zum Analyseergebnis (Abbildung 1) kann der dabei entstehende, zufällige Fehler große Abweichungen vom tatsächlichen Nährstoffgehalt verursachen. Um dem entgegenzuwirken, geben die Bundesländer Empfehlungen für die Vorgehensweise bei der Entnahme von Gülleproben. Üblicherweise werden zufällige Einzelproben am Vorratsbehälter entnommen und zu einer Mischprobe zusammengeführt. Diese Mischprobe wird dann in ein Transportgefäß umgefüllt und oft mit Zeitverzug an ein Labor geschickt. 

Abbildung2: Zusammensetzung Gärreste

Nach der Untersuchung der Probe im Labor, die mit verschiedenen Methoden erfolgen kann, werden die Ergebnisse zeitversetzt an den Landwirt gegeben, der den Laborbericht dann vor allem für seine Dokumentation nutzen kann. Wie intensiv Gülle oder Gärreste vor der Probennahme aufgerührt wurde und wie somit die Zusammensetzung der Einzelproben aussieht (Abbildungen  2 und 3), welche Nährstoffverluste von der Probennahme bis zur Analyse im Labor auftreten und ob verschiedene Labore mit verschiedenen Probenaufarbeitungs- und Analysemethoden zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, bleibt dabei allerdings offen. Hinzu kommt, dass die gesetzlich geforderte Analyse vor Ausbringung aufgrund der langen Zeitdauer kaum zu leisten ist. In Summe betrachtet werden die aktuell eingesetzten Verfahren zur Nährstofferfassung und -dokumentation daher den Anforderungen aus der Verordnung oft nur noch unzureichend gerecht. 

Abbildung 3: Nährstoffgehalte der einzelnen Fässer bei der Leerung eines Güllelagers

Online-Analysen 

Seit Kurzem sind neue Technolo­gien auf dem Markt verfügbar, die Messungen der Nährstoffgehalte von flüssigen Wirtschaftsdüngern während der Befüllung oder der Ausbringung ermöglichen. Auch wenn zur Agritechnica erstmals ein auf NMR (Nuclear Magnetic Resonance, Kernspinresonanz) basiertes System vorgestellt wurde, sind in erster Linie Systeme auf dem Markt, die eine kontinuierliche Bestimmung von Inhaltsstoffen an vorbeiströmenden Gütern über Nah-Infrarot-Sensoren (NIR-Sensoren bzw. NIRS) durchführen. NIRS haben sich als System inzwischen sowohl in der Laboranalytik als auch im industriellen Umfeld etabliert, z. B. auf Förderbändern oder in Rohrleitungen. 

Auch im Agrarbereich wird NIRS seit vielen Jahren routinemäßig eingesetzt, ob bei der stationären Bestimmung von Inhaltsstoffen in Ernteprodukten und Futtermitteln im Labor oder bei der mobilen Feuchtebestimmung von Erntegütern am Feldhäcksler. Der Einsatz der NIRS-Technologie ermöglicht es nun auch, die Inhaltsstoffe von flüssigen Wirtschaftsdüngern am Ort des Geschehens und mit einer Genauigkeit zu messen, die – zumindest über den Gesamtprozess der Inhaltsstoffbestimmung von der Probennahme bis zum Laborergebnis betrachtet – das bisherige Methodenspektrum erweitert und zu einer Reduzierung der Messungenauigkeiten beitragen kann. 

Methodisch bedeutet Spektrometrie, dass einem Stoff beziehungsweise seinen chemischen Bindungen Energie beispielsweise aus dem Nah-Infrarot-Bereich zugeführt wird und dieses teilweise absorbiert und wieder abgestrahlt sowie teilweise reflektiert wird. Dadurch entsteht eine messbare Farbverschiebung zwischen dem eingestrahlten und reflektierten beziehungsweise wieder emittierten Licht. Die Auswahl der entsprechenden Filter und die mathematischen Algorithmen bestimmen dabei die Möglichkeiten der überwachten Parameter. Die Funktion eines NIR-Sensorsystems ist in Abbildung 4 dargestellt.  

Abbildung 4: Funktionsschema einer NIR-Sensoreinheit

Das vorbeiströmende Gut ist vom eigentlichen Sensor durch ein NIR-durchlässiges Saphirglas getrennt. Das Gut wird mit einer NIR-Lichtquelle mit Nahinfrarotlicht mit bekanntem Spektrum bestrahlt und das reflektierte bzw. re-emittierte Lichtspektrum des Guts detektiert. Über eine Auswerteeinheit werden die Messdaten aufbereitet und im Microcomputer mithilfe entsprechender, für die zu bestimmenden Kenngrößen hinterlegten Kalibrierkurven in die richtigen Einheiten und Zahlenwerte überführt bzw. umgerechnet. 

Die Sensoren können für den Einsatz in Gülle in das vorhandene Rohrsystem nahezu jeder Behälterentnahmestelle, Pumpstation oder auch jedes Gülletankwagens bzw. Transport-Lkw eingebaut werden. Der Messvorgang erfolgt kontinuierlich an dem vorbeiströmenden Wirtschaftsdünger. Im Messmodus werden Messwerte im Sekundentakt ausgegeben. Je nach Bedarf können die aktuellen Werte in Echtzeit oder Mittelwerte für anwenderbestimmte Zeitintervalle angezeigt und dokumentiert werden. Die Kenntnis der aktuellen Nährstoffgehalte beim Ausbringen der Gülle schafft zusätzliche Eingriffsmöglichkeiten, wie zum Beispiel die Anpassung von Volumenstrom oder die Vorfahrtsgeschwindigkeit oder auch das Beimengen limitierter Nährstoffe aus separaten Tanks. In Kombina­tion mit GPS-Systemen und Applikationskarten werden somit punktgenaue Nährstofffrachten planbar und realisierbar.

Prüfverfahren entwickelt 

Zur Bestimmung der Messgenauigkeit der NIR-Sensoren werden je Wirtschaftsdüngerart fünf einzelne, möglichst unterschiedliche Güllen auf verschiedenen landwirtschaftlichen Betrieben gemessen und beprobt. Hierfür wird aus dem zuvor aufgerührten Güllelager jeweils eine Teilmenge von 3 bis 5 m3 in einen Zwischentank gepumpt. Dort verbaut sind eine Pumpe und ein praxisübliches Rohrleitungssystem mit einem oder mehreren zu prüfenden Sensoren, ein Durchflussmengenmesser zur Kontrolle der Fließgeschwindigkeiten sowie ein Bypass zur Probenentnahme. 

Nach einer Vorlaufphase zur intensiven Homogenisierung werden die von den Sensoren für diese Fracht ermittelten Sensorwerte erfasst und bei Aufrechterhaltung des geschlossenen Kreislaufs Proben über den Bypass genommen. Die Proben werden gekennzeichnet und sofort für die Zwischenlagerung tiefgefroren. Von jeder Gülle werden auf diese Weise mindestens 15 Teilproben hergestellt. Anschließend werden von jeder Gülle jeweils drei Teilproben anonymisiert und – ohne dass sie auftauen – an fünf fachkompetente Labore geschickt und mit anerkannten, vorzugsweise nasschemischen Verfahren analysiert. Aus diesen fünfzehn Einzelergebnissen je Gülle und Inhaltsstoff wird ein Labormittelwert berechnet, der dann als Referenzwert zur Bewertung der Sensoren herangezogen wird. 

Die Systeme verglichen

Liegt die Vergleichbarkeit zwischen dem Labormittelwert und dem Sensorwert innerhalb einer zulässigen Toleranz, spricht die DLG spezifisch für Gülleart und Nährstoff(e) eine DLG-Anerkennung aus. Mindestens müssen aber die Anforderungen für die Bestimmung des Gesamtstickstoffgehalts erfüllt werden (Tabelle 1). Während der Vorteil der sensorgestützten Online-Messung in der Häufigkeit der Messungen, im geringen Aufwand und vor allem auch in der sofortigen Verfügbarkeit und Dokumentation der Ergebnisse vor Ort zu finden ist, liegen die Vorteile der bisherigen Laboranalyse in der Rechtssicherheit, denn bisher erkennen nur Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen NIR-Sensorwerte für die Dokumentation an. Zu berücksichtigen ist, dass optische Messtechnik, also auch die NIR-Spektrometrie, eine Sekundärmethode darstellt, die eine andere Analysetechnik als Referenz-/Primärmethode voraussetzt.

Die Präzision der Sensorergebnisse hängt also auch von der Genauigkeit der Referenzmethode und der Eignung der hinterlegten Kalibrierkurven und -modelle ab. Im Rahmen der Entwicklung des DLG-Prüfrahmens für NIR-Sensoren im Gülleeinsatz wurden vom DLG-Testzentrum und nach den Vorgaben der zuständigen, unabhängigen Prüfungskommission umfangreiche Betrachtungen von Messgenauigkeit und Messunsicherheit der marktverfügbaren Verfahren durchgeführt. Hier zeigten ringversuchsähnliche Untersuchungen, dass trotz extrem sensiblen Umgangs mit den Gülleproben (intensivste Homogenisierung, Tiefkühllagerung und Tiefkühltransport der Proben zu den Laboren) und vorgegebenen Analysemethoden (amtlich zugelassene, vorzugsweise nasschemische Verfahren) nicht unbeträchtliche Schwankungen auch in den Ergebnissen der verschiedenen beteiligten, fachkompetenten und akkreditierten Labore auftreten können. 

Hinzu kommt die bereits oben beschriebene Messunsicherheit durch Fehler bei der Probennahme und der Probenhandhabung auf dem Weg ins Labor. Aus dem Vergleich aller Laborergebnisse und unter Berücksichtigung aller prozessbedingten Fehlermöglichkeiten hat die DLG-Prüfungskommission ein darauf abgestimmtes Bewertungsschema erarbeitet (Tabelle 1). Dieses beinhaltet trotz der darin eingeräumten, zulässigen Toleranzen anspruchsvolle Anforderungen, die den heutigen Stand der Technik, aber auch die Messunsicherheiten bei den derzeit üblichen Verfahren berücksichtigt. Wie passend das Bewertungsschema für die aktuellen Anforderungen ist, zeigt die Tatsache, dass auch nicht immer jedes in den DLG-Versuchen beauftragte, akkreditierte Labor für jeden Inhaltsstoff in den unterschiedlichen Güllearten die DLG-Prüfung für mobile Online-Sensoren bestanden hätte (Tabelle 2). 

In Summe betrachtet lässt sich aufgrund der vielfach durchgeführten DLG-Vergleichsmessungen sagen, dass unter Berücksichtigung der Prozesskette die Bestimmung von Gülleinhaltsstoffen mittels Online-Sensorik auf gleicher Ebene mit der (nass-)chemischen Labor-Referenzmethode steht. Tatsächlich konnten mit der Sekundärmethode in Einzelfällen sogar Schwächen des Referenzverfahrens aufgedeckt werden. Trotzdem bleibt die Weiterentwicklung der Kalibrierkurven eine große Herausforderung für die Sensorhersteller. Wegen der Vielfalt an verschiedenen flüssigen Wirtschaftsdüngern ist nicht jedes System für alle Anwendungen geeignet. Vor diesem Hintergrund muss der Landwirt oder Lohnunternehmer als Anwender – auch bei rechtlicher Anerkennung der Methode – sich im Vorfeld immer darüber informieren, ob seine Technik den aktuellen Einsatzbereich auch tatsächlich abdeckt. 

Eine Bewertung 

Über den Einsatz von NIR-Sensoren zur Bestimmung der Inhaltsstoffe von Wirtschaftsdüngern steht der Praxis ein System zur Verfügung, das – über die gesamte Prozesskette betrachtet – der herkömmlichen Vorgehensweise mit Probennahme am Güllelager, Probenversand und Laboranalyse mindestens ebenbürtig ist. Mit NMR-Sensoren steht ein weiteres System „in den Startlöchern“. Die großen Vorteile der Sensortechnologie liegen in der sofortigen Verfügbarkeit der Messwerte, der hohen Anzahl an Messwerten und der darüber realistischeren Abbildung der tatsächlichen Nährstofffrachten einer Fuhre. 

Wird die Dokumentation der Gülle- und Gärreste-Inhaltsstoffe über eine entsprechende Sensorik gesetzlich anerkannt, wie dies in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein bereits der Fall ist, wird das System gerade im hochprofessionellen, das heißt auch im überbetrieblichen Einsatz und/oder bei einer Verbringung von Güllen aus viehstarken in viehschwache Re­gionen entscheidende Impulse setzen. Die aktuellen Vorschriften in der DüV (2017) fordern, dass die Gehalte an Gesamtsticksoff, verfügbarem Stickstoff oder Ammo­niumstickstoff und Gesamtphosphat vor dem Aufbringen bekannt sind oder ermittelt wurden (§ 3, Abs. 4). Zulässig sind hierbei die Verwendung von Einzelergebnissen aus Laboranalysen oder das Ansetzen von Tabellenwerten.

Gerade vor diesem Hintergrund spricht aus fachlicher Sicht vieles für die Zulassung von geprüften Sensorsystemen als anerkannte Methode für Dokumentationszwecke in der Düngeverordnung. Denn diese tragen den hohen Schwankungen der Nährstoffgehalte deutlich mehr Rechnung, als wenn die erhobenen und dokumentierten Daten auf nur einer Probennahme pro Betrieb oder gar auf Tabellenwerten basieren. Darüber hinaus ermöglichen solche Sensorsysteme eine konkrete und feinstrukturierte räumliche Zuordnung der ausgebrachten Nährstofffrachten, also eine echte Nährstoffbilanzierung auf einzelnen Schlägen bis hin zu einer Applikationskarte. 

FAZIT: Es ist zu erwarten, dass die Online-Sensormessungen durch die Weiterentwicklung der Kalibriermodelle weiter verbessert werden. Die nasschemische Laboranalyse verliert hierdurch aber nicht an Bedeutung, denn sie ist als Referenzmethode für die Entwicklung von Kalibriermodellen und für die Prüfung der Funktionalität von Online-Sensoren auch in Zukunft unabdingbar. 


Das DLG-Kompakt zum Thema kann hier kostenfrei heruntergeladen werden.