Nachbaugebühren

Erntegut-Bescheinigung: Warum Landwirte ihr Getreide ohne Zertifikat nicht mehr loswerden

Muss für das Saatgut Nachbaugebühr gezahlt werden? Das BGH-Urteil besagt, dass der Handel sich aktiv erkundigen muss, ob geliefertes Erntegut sortenschutzrechtlich einwandfrei ist. (c) Sabine Rübensaat
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Der Streit um die Nachbaugebühren eskaliert! Warum Landwirte, Saatgutzüchter und Händler wegen eines BGH-Urteils von 2023 aneinandergeraten – und was das für 2025 bedeutet. Agravis & BayWa fordern eine Erntegut-Bescheinigung und nehmen Getreide ohne Nachweis nicht ab. Wie sich der Handel absichert und welche Rolle die Saatgut-Treuhandverwaltung (STV) spielt.

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Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem November 2023 zur Erkundigungspflicht des Handels bei Erntegut sorgt für heftige Auseinandersetzungen zwischen Landwirten, Saatgutzüchtern und dem Agrarhandel. Im Zentrum des Konflikts steht die von der Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH (STV) geforderte Erntegut-Bescheinigung, die Landwirte über die sortenschutzrechtskonforme Erzeugung ihres Ernteguts abgeben sollen. Große Händler wie Agravis und BayWa haben bereits angekündigt, ab 2025 kein Getreide ohne diese Bescheinigung anzunehmen. Der Deutsche Bauernverband (DBV) läuft dagegen Sturm und kritisiert das Vorgehen der STV scharf.

BGH-Urteil zum Erntegut: Nachbaugebühren nicht bezahlt

Was ist passiert?
Das BGH-Urteil besagt, dass der Handel sich aktiv erkundigen muss, ob geliefertes Erntegut sortenschutzrechtlich einwandfrei ist. Die STV interpretiert dies so, dass eine detaillierte Erntegut-Bescheinigung der Landwirte notwendig ist, um die Einhaltung der Nachbaugebühren sicherzustellen. Sie wirft Landwirten vor, jährlich rund 13 Mio. Euro an Nachbaugebühren zu hinterziehen.

Bauernverband kritisiert Druck und Bürokratie

Der DBV, dessen Vizepräsident Torsten Krawczyk aus Sachsen für Getreide- und Saatgutfragen zuständig ist, sieht in der Forderung der STV ein „überzogenes und übergriffiges“ Vorgehen. Krawczyk als sächsischer Landesbauernpräsident bemängelt, dass selbst Landwirte, die ordnungsgemäß Nachbau betreiben oder Z-Saatgut einsetzen, bürokratischen Aufwand und datenschutzrechtlich fragwürdige Prozeduren aufgebürdet bekommen. Der Bauernverband betont, dass das BGH-Urteil lediglich eine allgemeine Erkundigungspflicht des Handels feststellt, jedoch keine konkreten Vorgaben zur Ausgestaltung macht. Eine einfache Selbsterklärung des Landwirts sollte demnach ausreichen.

Torsten Krawczyk
Torsten Krawczyk, Landesbauernpräsident Sachsen. (c) Sabine Rübensaat

Landhändler unter Druck

Der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) und Der Agrarhandel (DAH) warnen vor undifferenzierten Schuldzuweisungen. Sie machen deutlich, dass Agrarhändler ihrerseits unter enormem Druck stehen, da ihnen bei falschen Angaben Strafen im fünfstelligen Eurobereich pro Fall drohen. Sie betonen, dass sie alles daransetzen, die Landwirte bei der Erfüllung der Nachweispflicht zu unterstützen, aber auch ihre eigenen Unternehmen vor Schaden schützen müssen. „Probleme entstehen durch wenige unredliche Landwirte“, so DRV-Geschäftsführer Dr. Philipp Spinne und DAH-Geschäftsführer Martin Courbier.

Pflanzenzüchter sehen Legitimität ihrer Forderungen

Der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) weist die Vorwürfe des DBV entschieden zurück. Er betont, dass die Geltendmachung der legitimen Ansprüche der Sortenschutzinhaber auf gesetzlichen Bestimmungen basiert und der Vorwurf der Übergriffigkeit „jeglicher Grundlage entbehrt“. Der BDP argumentiert, dass eine Selbsterklärung des Landwirts nicht ausreicht, um die Nachweispflicht des Handels zu erfüllen. Die Erstellung einer Erntegut-Bescheinigung sei in weniger als 15 Minuten möglich.

Sorgen um Vertrauen und Daten

Viele Landwirte, besonders im Osten Deutschlands, die bisher oft unkompliziert ihre Nachbaugebühren entrichtet haben, fühlen sich durch die aktuelle Entwicklung bestraft. Die Befürchtung ist groß, dass sensible Betriebsdaten an die STV weitergegeben werden könnten, was zu einem Vertrauensverlust zwischen Landwirten und Züchtern führen könnte. „Ehrliche Bauern werden bestraft“, findet Torsten Krawczyk. Die komplizierte Handhabung des STV-Portals und die Notwendigkeit, teilweise einen ganzen Tag für das Ausfüllen aufzuwenden, werden kritisiert.

Krawczyk selbst hat es für seinen Betrieb ausprobiert und hatte beispielsweise bei Gemüseerbsen erhebliche Probleme, weil im Saatgutportal falsche Mengen hinterlegt sind. Das erfordere Zeit und erschwere die Eingabe. Krawczyk sieht seine eigene Glaubwürdigkeit in Gefahr. Denn er habe immer für eine Unterstützung der heimischen Züchter geworben, erklärte er gegenüber der Bauernzeitung.

DBV und DRV hoffen, dass wieder verhandelt wird

Fazit:
Der Ruf wird lauter, die Nachbaugesetzgebung anzupassen und eine bestehende Lücke zu schließen. DRV und DAH sehen hier das „Grundübel“. Der DBV hofft, dass die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch zurückkehren, um eine Lösung zu finden, die den Schutz der Züchter gewährleistet, ohne die Landwirte übermäßig zu belasten oder das Vertrauen in der Wertschöpfungskette zu zerstören. Im Raum steht die Frage, ob andere Nachweismöglichkeiten, wie eine persönliche Erklärung mit Bereitschaft zu Kontrollen, eine Alternative zur umstrittenen STV-Bescheinigung darstellen könnten. Jedoch: „Eine Selbsterklärung des Landwirts reicht nicht aus“, stellte der BDP klar. Diese Vermutung sei unzutreffend und finde im Erntegut-Urteil des BGH keine Stütze.

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Die Firma BayWa ist in finanziellen Schwierigkeiten. Viele Landwirte fragen sich, ob sie ihre Ernte an BayWa verkaufen sollen. (Symbolfoto) (c) piter2121 – stock.adobe.com

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