Nachhaltige Milchproduktion: Warum Effizienz auch gut fürs Klima ist
Auf der 12. öffentlichen IVM-Fachtagung in Brandenburg ging es um das Thema nachhaltige Milchproduktion. Experten diskutierten das Warum und Wie.
Die Rahmenbedingungen der Milchproduktion sind gut. Seit drei bis vier Jahren können Milcherzeuger in einem stabilen Marktumfeld bei ordentlichen Auszahlungspreisen wirtschaften. Beachtliche 24–25 % der landwirtschaftlichen Wertschöpfung kommen mittlerweile aus der Milchproduktion. So lauteten einige Feststellungen bei der 12. Öffentlichen Tagung des Interessenverbandes Milcherzeuger (IVM). Dieser fand am 21.5. in der Heimvolkshochschule am Seddiner See (Brandenburg) statt und war mit über 160 Teilnehmern komplett ausgebucht.
Milchproduktion: Gute Preise, sinkende Betriebe – Ein Paradox?
Diese positiven Aussagen stehen allerdings im Widerspruch zu den Meldungen über etliche Betriebsaufgaben in der jüngeren Vergangenheit, die auch größere Bestände betrafen. Und auch auf der IVM-Tagung wurde nicht verschwiegen, dass künftig weitere hiesige Betriebe ihre Milchproduktion aufgeben werden, wenn sie den notwendigen Investitionsaufwand für nachhaltige und tierwohlgerechte Ställe nicht leisten können oder nicht wollen, weil ihnen ein enormer Kostenanstieg, Fachkräftemangel und Bürokratieaufwand diese Entscheidung aufdrängen.
Keine höheren Hürden
„Nachhaltige Milcherzeugung müsse immer auch ökonomisch nachhaltig sein“, kommentierte beispielsweise Jörg Migende, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Raiffeisenverbandes, in seinem Vortrag. Wenn beim Thema Nachhaltigkeit die Politik immer höhere Hürden setzen würde, müssten stets nur die Landwirte das ausbaden. Der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) wäre nicht bereit, für etwas zu bezahlen, was ohnehin Gesetz ist. Deshalb appellierte er an die politischen Entscheidungsträger, unbedingt mit den Erzeugern und ihren berufsständischen Vertretern zu reden, bevor sie neue Normen setzen. Und an die Milcherzeuger gerichtet, sagte er: „Ändern Sie etwas, bevor die Krise kommt.“

Milchpreise: Protein-Trend als Motor der Nachfrage
Warum sich die Auszahlungspreise für Milch in der jüngeren Vergangenheit positiv entwickelt haben, erläuterte anschließend Mathias Hauer, Vorsitzender der Geschäftsführung Sachsenmilch Leppersdorf GmbH. „Milch ist wieder gesellschaftsfähig“, sagte er und verwies auf den guten Butter- und Käsemarkt.

Zwar gebe es aktuell leichte Rückgänge im Trinkmilchbereich. Diese würde das Unternehmen aber mit anderen Produkten auffangen. Dabei spiele vor allem der „Protein-Trend“ eine große Rolle, der aus dem Fitness- und Sportbereich mittlerweile auf den LEH übergesprungen sei und die Konsumgewohnheiten – vor allem junger Verbraucher – massiv beeinflusst habe.
Der Wettbewerb um Milch sei anhaltend und international. Wobei sich das europäische Milchpreisniveau langsam vom Weltmarktgeschehen löse, teilweise sein es sogar signifikant höher sei als in den USA oder Neuseeland. Anschließend warnte er vor einer weiteren Zuspitzung dieser Entwicklung, sonst würden wir uns vom Weltmarkt entkoppeln, was für den Export negative Folgen haben würde.
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CO2-Fußabdruck in der Milchproduktion: Wie Landwirte Nachhaltigkeit gestalten
„Das Thema Nachhaltigkeit ist auch für uns in Lepperdorf sehr wichtig, weil wir am Weltmarkt teilnehmen wollen“, erklärte anschließend Tina Albrecht. Sie ist Managerin für Nachhaltigkeit und Transformation bei der Sachsenmilch Leppersdorf GmbH. „Auch wenn seit dem Regierungswechsel dieser schon fast überstrapazierte Begriff scheinbar keine Rolle mehr spielt, sei er nicht aus der Welt“, versicherte sie. Ganz im Gegenteil. Die Lebensmittelindustrie sei mittlerweile zur CO2-Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet und das Pariser Klimaabkommen würde die Ziele vorgeben. Der Wunsch des LEH sei es, jeweils den produktspezifischen Fußabdruck genau zu kennen. „Und rund 80 Prozent der CO2-Emissionen in der Lieferkette Milch entfallen dabei auf ihre Erzeugung, also die Landwirtschaft“, so Albrecht.

Anschließend zählte die Nachhaltigkeitsmanagerin wichtige Stellschrauben auf, die die Milcherzeuger kennen sollten, damit sie den klimatischen Fußabdruck pro Kilogramm Milch so klein wie möglich halten können. Als Erstes nannte sie die Tiergesundheit: „Phasen, in denen die Milchrinder nicht ihre volle Leistung bringen können, sollten vermieden werden.“ Zudem müsse die Futterqualität immer so gut sein, dass die Rinder auch ihr volles Leistungsvermögen ausschöpfen können.
Hohe Milchleistung sorgt für kleineren CO2-Fußabdruck pro Kilogramm Milch
Da Jungvieh nur CO2 und keine Milch produziert, wäre auch eine hohe Nutzungsdauer wichtig für die Nachhaltigkeit. „Hohe Milchleistung sorgt für einen kleineren CO2-Fußabdruck pro Kilogramm Milch“, fasste Albrecht zusammen. Kein Betrieb sei perfekt, aber große Betrieb würden hier tendenziell besser abschneiden. Künftig werde es für all jene schwer werden, die schon bei den aktuellen Auszahlungspreisen nicht effizient wirtschaften können. Der Verbraucherwunsch nach mehr Nachhaltigkeit fördere somit ein Stück weit auch den Strukturwandel.
Nachhaltigkeit als Katalysator für Innovationen
Auf die Frage, wie weit man den CO2-Ausstoß in der Milchproduktion senken kann, erklärte Tina Albrecht ganz klar: „Nicht unendlich weit, es gibt Grenzen.“ Auch methanreduzierende Futtermittelzusätze und eine entsprechend ausgerichtete Rinderzucht werden Methanemissionen aus der Kuh nicht verhindern können. Wichtig wäre, dass man erfasst, was die Landwirte hier schon Positives bewirken. Nachhaltigkeit sollten sie nicht als neue Hürde sehen, sondern als Katalysator für Innovationen. Die Betriebe müssten dabei aber ihre spezifischen Wege finden. Und sie forderte die Landwirte dazu auf, die Molkerei zu kontaktieren, um zu erfahren, wo Prämissen liegen.
„Milch hat Zukunft“
Auf die Frage, ob die Kühe künftig ganz aus der Lieferkette verschwinden werden, worauf beispielsweise die Proteinstrategien von Rewe oder Lidl bereits ausgerichtet wären, antwortet Mathias Hauer mit Augenzwinkern: „Solange der Mensch kein Gras auf der Wiese fressen kann, brauchen wir die Kuh.“ Anschließend etwas ernster: „Milch hat Zukunft. Die weltweite Nachfrage wird weiterhin das Aufkommen übersteigen.“ Wenn der Wohlstand in einer Gesellschaft steigt, steige auch die Nachfrage nach tierischem Eiweiß. Zum Abschluss dieses Vortragsblocks resümierte dann ein Zuhörer im Auditorium: „Für mich bedeutet das: Wer seine Leistung im Griff hat, braucht sich um Nachhaltigkeit keine Sorgen machen.“

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