Milchquote ade: Die dramatischen Folgen für Milchbauern in Ostdeutschland
Zehn Jahre nach Quotenende wird in Ostdeutschland rund eine Million Tonnen Milch weniger erzeugt. Der Ausstieg weiterer Betriebe aus der Milcherzeugung hält unvermindert an. Wie geht es weiter?
Am 31. März 2015 war das Milchquotenregime sprichwörtlich am Ende. Mit der Einführung der Quoten waren hohe Erwartungen in der Milchwirtschaft in Ostdeutschland verbunden. Die Überproduktion sollte abgebaut, die Intervention verringert, die Milchpreise und die Einkommen der Milcherzeuger stabilisiert und der Fortbestand möglichst vieler Milchbetriebe gesichert werden.
Ende der Milchquote 2015: Erwartungen und Realität für Ostdeutschland
Schon lange vor dem Auslaufen der Milchquote war klar, dass grundlegende dieser Ziele nicht zu erreichen waren und zudem ein enormer bürokratischer und institutioneller Aufwand zur Verwaltung des Quotenregimes aufgebaut und erhalten werden musste. 1990/1991 wurde die EG-Milchgarantiemengenregelung für Ostdeutschland wirksam, mit einschneidenden strukturellen Einschnitten, die bis heute nachwirken.
Alle Entscheidungen zur Transformation der ostdeutschen Milchwirtschaft in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre bestimmen seitdem die strukturelle Entwicklung und wirken noch weit in die Zukunft.
Ab ca. 2010 gab es, bedingt durch die quasi „Auflösung“ des Quotensystems bis zum endgültigen Auslaufen 2015, einen gewissen Aufschwung, einschließlich wieder leicht steigender Kuhbestände. 2015 wurden mit 7,10 Mio. t die höchste Milcherzeugung und mit 6,85 Mio. t die höchste Milchanlieferung für die ostdeutschen Bundesländer ausgewiesen.
Dramatischer Rückgang der Milch-Betriebe in Ostdeutschland seit 2015
In den 20 Jahren von 1995 bis 2015 hatten jedoch schon rund die Hälfte aller ostdeutschen Milchbetriebe aufgegeben bzw. den Zweig Milchproduktion eingestellt.
Der weitere dramatische Rückgang der Milchbetriebe von 2015 bis heute um rund 45 % und des Milchkuhbestandes um rund 25 % waren aber nur eine Seite der strukturellen Entwicklung in Ostdeutschland.
Auch interessant: Rhinmilch in Fehrbellin setzt weiter auf Milchkühe
Wachstum großer Milchbetriebe und Investitionen in moderne Technik
Auf der anderen Seite haben sich gerade in den vergangenen zehn Jahren vor allem große Milchbetriebe mit Bestandsgrößen von über 500 bzw. über 1.000 Milchkühen noch stärker am Markt etabliert und hier vor allem solche, die in neue oder modernisierte Ställe mit entsprechender Produktionstechnik und in ein professionelles Unternehmens- und Herdenmanagement investiert haben, darunter Landwirte aus den Niederlanden und den westdeutschen Bundesländern.
Tabelle: Anteil MLP-Milchkühe nach Bestandsgrößen
Bestandsgröße | 2000 in % | 2024 in % |
1–199 | 27,5 | 9,4 |
200–499 | 40,0 | 28,0 |
500–999 | 21,0 | 33,2 |
über 1.000 | 11,5 | 29,4 |
Kühe insg. Tsd. Stück | 847,2 | 545,3 |
Tabelle: Anzahl der MLP-Milchbetriebe im Bundesgebiet Ost 1995 und 2024 nach Bestandsgrößen
Bestandsgröße | 1–99 | 100–199 | 200–499 | 500–999 | ab 1.000 | insgesamt |
Betriebe 1995 | 2.147 | 932 | 1.246 | 338 | 101 | 4.764 |
Betriebe 2024 | 372 | 227 | 454 | 264 | 112 | 1.429 |
2024 zu 1995 | ||||||
Differenz | -1.775 | -705 | -792 | -74 | +11 | -3.335 |
2024 zu 1995 in % | 17,3 | 24,4 | 36,4 | 78,1 | 110,9 | 30,0 |
Überblick: Milcherzeugung, Betriebe und Leistung in Ostdeutschland (1995-2024)
Die nachfolgenden Abbildungen und Tabellen zur Milcherzeugung bzw. Milchanlieferung, zur Anzahl der Milchbetriebe und Milchkuhbestände und zur Leistungsentwicklung geben einen Überblick und lassen zudem eine Bewertung von Szenarien für künftige Entwicklungen zu.
Die Tabelle 3 ermöglicht eine zusammenfassende Bestandsaufnahme von validen Daten der Vereinigten Informationssysteme Tierhaltung w.V. (vit) Verden und der Landeskontrollverbände. Des Weiteren wurde auf Datenreihen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) und auf die Viehzählung von destatis zurückgegriffen.
2015 wurden in den ostdeutschen Bundesländern in den MLP-Betrieben (MLP = Milchleistungsprüfung) noch 746.000 (1995 = 996.000) Milchkühe (Prüfdichte zum damaligen Zeitpunkt 95 %) und 2.496 (1995 = 4.764) Milchbetriebe bzw. Unternehmen mit einem Zweig Milchproduktion ausgewiesen.
Tabelle3: Die ostdeutsche Milcherzeugung nach Quotenende 2015 –
ein Überblick
2015 | 2024 | Differenz | Prozent | |
Milchbetriebe (MLP) | 2.496 | 1.429 | -1.067 | 57,3 |
Milchkühe (MLP) 1.000 Stück | 746 | 545 | -201 | 73,1 |
Milchleistung (MLP) kg/Kuh | 9.404 | 10.651 | 1.247 | 113,2 |
Milchanlieferung (BLE) 1.000 t | 6.850 | 5.900 | -950 | 86,1 |
Hohe Dynamik: Deutlicher Rückgang der Milchanlieferung trotz Leistungssteigerung
Gegenüber 2015 mit der oben genannten bisher höchsten Milchanlieferung von 6,85 Mio. t wurden 2024 trotz des gesunkenen Kuhbestandes „nur“ 950.000 t beziehungsweise 15 % weniger Milch angeliefert. Der Rückgang der Kuhbestände um 200.000 Stück wurde dabei durch die nochmalige Steigerung der Milchleistung von 1.247 kg je Kuh auf 10.651 kg 2024 teilweise ausgeglichen.
Betriebsaufgaben: Gründe und Beschleunigung nach Quotenende
Die Dynamik des Ausstiegs von Betrieben in Ostdeutschland aus der Milchproduktion hat sich seit 2015 mit dem Ende des Quotenregimes verstärkt und war bis 2020 besonders hoch, hält aber weiter an.
Die Tabelle 4 gibt dazu einen Überblick. Die Gründe für die Entscheidung, die Milchproduktion aufzugeben, sind hinreichend bekannt. Sie reichen von einem enormen Investitionsstau bis zu einer fehlenden rechtzeitigen Unternehmensstrategie bzw. einer Entscheidung zur Weiterführung der Milchproduktion. Ein Hauptargument für die Einstellung der Milchproduktion sind fehlende Arbeitskräfte, sowohl für das Herdenmanagement als auch für Melker. Die enorme Bürokratie bei Antragstellung und Genehmigung für die Modernisierung und für den Neubau von Milchställen sind dann darüber hinaus oft das letzte Argument für die Einstellung der Milchproduktion.
Tabelle 4: Dynamik des Rückgangs der ostdeutschen Milchbetriebe (MLP)
Rückgang seit 1995
1995 | 2000 | 2005 | 2010 | 2015 | 2020 | 2024 | 2024/25 | |
Anzahl Betriebe | 4.764 | 4.404 | 3.740 | 2.956 | 2.496 | 1.779 | 1.429 | – |
Rückgang Betriebe | – | -360 | -664 | -784 | -460 | -717 | -350 | -3.335 |
um Prozent | – | 7,6 | 15,6 | 21,0 | 15,6 | 28,7 | 19,7 | 70,0 |
Auch interessant: Warum das Ökodorf Brodowin seine Milchviehhaltung aufgab
Konzentration: Immer mehr Milchkühe in Großbetrieben
Mit dem Ausstieg vor allem kleiner und mittlerer Betriebe aus der Milchproduktion in Ostdeutschland ist zugleich der Anteil der Milchkühe in großen Beständen weiter deutlich gewachsen, wie aus den Tabellen 3 und 4 abzulesen ist.
Standen 2000 in Betrieben mit Bestandsgrößen bis 499 Kühen noch rund 68 % der Milchkühe, waren es 2024 nur 37 %. Deutlich gewachsen ist dagegen der Anteil der Kühe in Bestandsgrößen von über 1.000 Kühen, nämlich von elf auf 29 %. Dagegen steht allerdings, dass zuletzt auch Unternehmen mit größeren und großen Kuhbeständen aufgeben.
Trendwende? Auch größere Milchviehbetriebe geben auf
Haben von 1995 bis etwa vor zwei bis drei Jahren vor allen Unternehmen mit kleinen und mittelgroßen Kuhbeständen ihre Milchproduktion aufgegeben, sind gerade 2023 und 2024 auch Betriebe mit großen Beständen aus der Milchproduktion ausgestiegen. Das zeigen die durchschnittlichen Kuhzahlen der Betriebe, die die Milchproduktion aufgegeben haben. Vom 1. Oktober 2023 bis 30. September 2024 errechnen sich nach vit-Daten die Bestandsgrößen dieser Betriebe für Thüringen mit 491, für Brandenburg mit 357, für Sachsen-Anhalt mit 322 und für Mecklenburg-Vorpommern mit 272 Kühen.
In Sachsen mit der noch größeren Anzahl von kleineren Milchbetrieben lagen die vergleichbaren Durchschnittsbestände der aufgebenden Betriebe mit 122 Kühen deutlich niedriger.
Die Entwicklung der Milchproduktion in Ostdeutschland verläuft in den einzelnen Regionen bzw. Bundesländern nach 2015 zunehmend differenziert, am stabilsten im Milchland Sachsen (Eigenbezeichnung) und in den vergangenen Jahren zunehmend in Mecklenburg-Vorpommern. In der 2024 aufgelegten Nutztierstrategie wurde das Ziel formuliert, Mecklenburg-Vorpommern zu einer „Gunstregion“ für die Milchproduktion zu etablieren.
Milchanlieferung: Sachsen bleibt stabil
Die Abbildung 1 gibt einen Überblick der differenzierten Entwicklung anhand der Höhe der Milchanlieferung von 2015 gegenüber 2024. Während in Sachsen nach dem Quotenausstieg kaum ein Rückgang erfolgte, verringerte sich die Milchanlieferung in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen von 2015 bis 2024 jeweils um rund ein Fünftel. Im bundesweiten Vergleich werden für die drei ostdeutschen Bundesländer die weitaus höchsten Rückgänge ausgewiesen.

Milchwanderung: Westdeutsche Regionen profitieren vom Rückgang im Osten
Noch mehr Milch in diesem Zeitraum produzierten die Landwirte in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen und das in etwa in der gleichen Höhe wie in Ostdeutschland weniger Milch erzeugt wurde. Damit setzt sich die Milchwanderung in die sogenannten Gunstregionen auch nach Quotenende weiter fort, wie Abbildung 2 zeigt.

Wie geht es mit der ostdeutschen Milchproduktion bis 2030, 2035 oder 2040 weiter? Fest steht, dass zunehmend Betriebe den Zweig Milchproduktion aufgeben, weil sie den notwendigen Investitionsaufwand für nachhaltige und tierwohlgerechte Ställe nicht leisten können oder nicht wollen.

Förderprogramme und Genehmigungen: Entscheidend für die Zukunft der Milchbetriebe
Offen ist zudem, ob und wie die neue Regierung versprochene Förderprogramme wie die von der Borchert-Kommission empfohlenen umsetzen kann und ob einfachere und schnellere Genehmigungsverfahren bis in die zuständigen Behörden in den Landkreisen vordringen und auch Bestandserweiterungen für Milchbetriebe möglich sind, die wachsen wollen.
Prognose: Weniger, aber größere und professionellere Milchbetriebe
Insgesamt wird die Anzahl der Milchbetriebe weiter zurückgehen und die verbleibenden noch größer werden. Nur die Unternehmen haben zukünftig am Markt Chancen, die die notwendigen Innovationen über ein hohes Leistungsniveau wirtschaftlich umsetzen können und die zudem ihre Mitarbeiter gut entlohnen und ihnen ein gutes Arbeitsklima bieten können.
Vor dem Hintergrund enorm hoher Anforderungen an die Milchproduktion dürfte es in zehn Jahren, oder schon eher, in Ostdeutschland lediglich noch rund 1.000 professionelle Milchbetriebe geben.

Unsere Top-Themen
- Friedenstreck 2025
- Roboter im Ökolandbau
- Schwerpunkt Kälbergesundheit
- Märkte und Preise
Informiert sein

Fachliche Qualität – jetzt digital mit dem gratis Upgrade!
Sie sind bereits Abonnent:in der gedruckten Bauernzeitung und möchten die aktuelle Ausgabe zusätzlich auf Ihrem Smartphone, Tablet oder in der Browseransicht lesen? Erweitern Sie einfach Ihr Abonnement:
- Jetzt ein Jahr kostenlos upgraden
- Zuverlässig donnerstags lesen
- Offline-Modus: E-Paper auch ohne Internetzugang lesen
- Lesemodus nutzen, Artikel speichern, Suchfunktion
- Zugriff auf das Ausgaben-Archiv
Die Bauernzeitung jetzt digital lesen – immer und überall!