Kriegsende im Oderbruch 1945: Landwirt Horst Rambusch erinnert sich
1945 tobte der Zweite Weltkrieg 76 Tage lang mit voller Brutalität entlang der Oder. Mittendrin die Bevölkerung, darunter auch der damals elfjährige Horst Rambusch aus dem Oderbruch (Brandenburg) und seine Familie.
Vor 80 Jahren, am 8. Mai 1945, endete der Zweite Weltkrieg. Doch zuvor erlebten viele Dörfer im Oderbruch schwerste Frontkämpfe, wurden zum größten Schlachtfeld, das es je auf deutschem Boden gab. Landwirt Dr. Horst Rambusch musste diese Zeit als Elfjähriger miterleben. Der heute 92-Jährige hat der Bauernzeitung seine Erinnerungen zum Kriegsende 1945 geschildert. Sie sollen das Geschehene wachhalten und mahnen, dass solch ein Grauen nie wieder geschehen dürfe.
Kindheit im Oderbruch: Eine Idylle zerbricht
Horst Rambusch ist in Neulewin geboren und aufgewachsen, lebte dort mit Eltern, Geschwistern und den Großeltern. Es sei, so sagt er, eine normale Kindheit gewesen – bis zum 31. Januar 1945, als die Rote Armee über das Eis der Oder das Dorf Kienitz erreichte und dann in nur wenigen Tagen in andere Orte entlang der Oder vorstieß.
Zwangsevakuierung im eisigen Winter: Schreckensmarsch Richtung Osten
Bereits am 2. Februar hatten die Rotarmisten auch Neulewin besetzt – und für die Bewohner war eine Flucht vor der Roten Armee unmöglich geworden. „Der Volkssturm wurde in Alarmbereitschaft versetzt und verpflichtet, die Orte zu verteidigen. Und der Bürgermeister hat eine Evakuierung und Flucht der eigenen Landsleute auf Anordnung verhindert.“ Mit fatalen Folgen. Die Zivilbevölkerung – nun im Kriegsgebiet – wurde von der Roten Armee zwangsevakuiert und zwar in Richtung Osten. Rund 5.000 Menschen aus neun Oderdörfern waren davon betroffen, erzählt Dr. Rambusch. Darunter auch seine Familie mit acht Personen im Alter von einem Jahr bis 82 Jahre. „Es war ein eisiger Winter. Nur mit dem, was wir am Leibe trugen, wurden wir übers Eis auf den östlichen Teil der Oder getrieben.“

Tod und Leid auf dem Treck: Familie Rambusch verliert Großvater
Doch die Odyssee war damit nicht zu Ende, sie begann erst noch. Ein Treck mit rund 1.000 Personen, zu dem auch Familie Rambusch gehörte, musste bei Schneetreiben von Bärwalde weiter nach Sellin ziehen. „Dort starb mein Opa Ernst, der während des Marsches Schwächeanfälle erlitten hatte. Aus einem alten Schrank haben wir ihm einen Sarg gezimmert. In einem Selliner Garten wurde er neben einer Fichte beerdigt. Sein Sterbedatum habe ich mit einem Taschenmesser noch in die Rinde geritzt.“
Verschleppung: Das Schicksal des Vaters ist ungewiss
Ernst Rambusch war nicht der Einzige, der starb. Auf dem wochenlangen Schreckensmarsch verloren etliche Menschen ihr Leben oder wurden zur Zwangsarbeit verpflichtet, verhaftet, verschleppt, erschossen, Mädchen, Frauen und Mütter mit kleinen Kindern vergewaltigt. Bis heute weiß Dr. Horst Rambusch nicht, was mit seinem Vater geschehen ist, der bei Bärwalde als Zwangsarbeiter Bäume für einen Flugplatz der Sowjetarmee roden musste, dann mit anderen Kriegsgefangenen nach Sibirien verschleppt wurde und nie wieder nach Hause kam.
Von Sellin aus ging der Schreckensmarsch weiter Richtung Osten. Mitte März erfolgte die Ausweisung aller Bewohner, und der Treck der Vertriebenen zog nach Landsberg an der Warthe. „Dort arbeitete meine Mutter dann in einer Lazarettwaschküche, wo wir auch vom Kriegsende erfuhren.“ Am 8. Mai gab es Artilleriefeuer, MG-Schüsse. „Wir wussten nicht wirklich was los war, hatten kaum verwertbare Informationen und dachten, wir werden von der Wehrmacht befreit. Doch als ein sowjetischer Soldat in die Luft schoss, Wodka trank und rief ‚Gitler kaput‘ ‚Wojna kaput‘ wussten wir, was passiert war.“
Schreckensmarsch Richtung Heimat ins zerstörte Oderbruch
Und während Dr. Horst Rambusch all das erzählt, seine Erinnerungen zum Kriegsende 1945 teilt, sind seine Augen in die Vergangenheit gerichtet. Es scheint, als würde er jeden Schritt, jedes Geschehnis von damals noch einmal hautnah miterleben – auch den Fußmarsch zurück in die Heimat, in das Oderbruch, nach Neulewin. „Unser kleiner Treck bestand aus zwei Familien mit Kindern, zwei Handwagen, ein paar Habseligkeiten.“ In fünf Tagen legten sie wieder zu Fuß 75 km zurück. 75 km, die wieder zu einem Schreckensmarsch wurden. Kolonnen gefangener deutscher Soldaten zogen gen Osten an ihnen vorbei, auf den Wegen lagen tote deutsche, polnische, sowjetische Soldaten, tote Kühe und Pferde, zerstörtes Kriegsmaterial. Häuser, Stallungen, Scheunen waren verwüstet, geplündert, ausgebrannt. Furchtbare Bilder, die sich bis heute eingebrannt haben.
Neulewin nach der Schlacht: Neubeginn in zerstörter Heimat
Angekommen in Neulewin, stand auch dort kaum noch ein Stein auf dem anderen. Die Heimat war eine Ruinenlandschaft. Ganze Häuserfronten waren dem Erdboden gleichgemacht, Felder und Gärten vermint, von Blindgängern und Munition übersät. Überall lagen tote Soldaten, totes Vieh. „Aber für uns war dennoch nur das eine wichtig: Wir waren wieder zu Hause. Unser Haus war zwar beschädigt, aber bewohnbar.“ Und so begann wie für viele andere Familien auch der schwere Neuanfang – mit großen Entbehrungen, Hunger, Krankheiten …
Neuanfang im Oderbruch: Schule, Lehre und die Bewahrung der Erinnerung
Für Horst Rambusch begann im Oktober 1945 wieder die Schule, am 1. Mai 1948 mit der Lehre sein Lebensweg als Landwirt. Seine Erinnerungen an die Kriegszeit und das Kriegsende hat er im vom Landfrauenverein Mittleres Oderbruch herausgegebenen Buch „Erster Oderbrückenkopf 1945 und die Folgen für die Bevölkerung“ niedergeschrieben.
Buchtipp:
Buch: „Erster Oderbrückenkopf 1945 und die Folgen für die Bevölkerung“

Das Buch von Horst Rambusch ist über den Landfrauenverein Mittleres Oderbruch erhältlich.
Bestellungen an:
info@gross-neuendorf-landfrauen.de

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