Fruchtausdünnung im Obstbau

Äpfel aus Sachsen-Anhalt: Warum der Obsthof Müller dieses Jahr auf Chemie setzt

Alexander Müller nutzt in diesem Jahr eine chemische Maßnahme, um den Blütenbesatz an den Apfelbäumen zu regulieren. © Detlef Finger

Frost versus Blütenfülle: Nach dem Frostschock im Vorjahr setzt Alexander Müller vom Obsthof Müller auf chemisches Ausdünnen. Wie unser Praxispartner in Sachsen-Anhalt seine Ernte sichert und was das für die Qualität bedeutet – jetzt lesen:

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„Jetzt ist die spannendste Zeit“, sagte Alexander Müller beim letzten Betriebsbesuch der Bauernzeitung. Mit der Apfelblüte stehen in der Hauptkultur des Querfurter Obstproduzenten die Entscheidungen zur gezielten Ertragsregulierung an. Letztere gehört zu den wichtigsten Maßnahmen im Erwerbsobstbau. Ziel des Ausdünnens der Blütenfülle der Apfelbäume sind optimale Fruchtbehänge, um hohe Fruchtqualitäten zu erzielen und gleichzeitig regelmäßige Erträge von den Bäumen zu sichern. So geht es insbesondere beim Ausdünnen der Apfelbäume auch darum, damit der Alternanz, also Schwankungen des Obstertrages im zweijährigen Rhythmus, vorzubeugen.

Alexander Müller nutzt in diesem Jahr eine chemische Maßnahme, 
um den Blütenbesatz an den Apfelbäumen zu regulieren. © Detlef Finger
Alexander Müller nutzt in diesem Jahr eine chemische Maßnahme, um den Blütenbesatz an den Apfelbäumen zu regulieren. © Detlef Finger

Mechanische Ausdünnung mit Skepsis betrachtet

Im vergangenen Jahr stutzte Müller die Blütenpracht des Kernobstes mechanisch mit dem Faden-Ausdünngerät zurecht. Auf diese mechanische Fruchtausdünnung verzichtete der Betriebsleiter in diesem Jahr. „Nach den Erfahrungen von 2024 bin ich skeptisch“, sagte er. Denn im Vorjahr folgte auf das maschinelle Fruchtausdünnung Spätfrost, der die verbliebenen Blüten massiv schädigte und für enorme Ertragsausfälle sorgte. Dabei würden bei dem Kernobst 5–7 % der Blüten schon für eine Vollernte ausreichen, wenn man eine Vollblüte der Stärke 10 hat. Über Ostern hatte der Betriebsinhaber bereits Blüten gezählt und bonitiert, um auf eine sachgerechte Entscheidung vorbereitet zu sein.

Chemische Fruchtausdünnung mit ATS: Gezielte Blüten-Reduktion

Alternativ setzt der 48-Jährige vom Obsthof daher in diesem Frühjahr auf die chemische Fruchtausdünnung beim Ausdünnen der Apfelbäume. Hierzu nutzt er Ammoniumthiosulfat (ATS), einen schwefelhaltigen Stickstoff-Blattdünger. Mit der Anhänge-Pflanzenschutzspritze zum richtigen Zeitpunkt auf die in der Blüte stehenden Bäume ausgebracht, wirkt der in dem Flüssigdünger enthaltene Stickstoff nur auf sich öffnende, aber noch nicht bestäubte Blüten und verätzt deren Blütenorgane sowie teils auch die Blütenblätter. Im Nachgang wirken sich die im Blattdünger enthaltenen Nährstoffe (34 Volumen-% Schwefel, 16 Volumen-% Stickstoff) positiv auf die Fruchtgröße und auch auf die Blütenbildung für das Folgejahr aus.

Der Spezialschlepper des Querfurter Obstbaubetriebes mit Mulcher im Frontanbau und dem Anhängesprühgerät für den Pflanzenschutz.
Der Spezialschlepper des Querfurter Obstbaubetriebes mit Mulcher im Frontanbau und dem Anhängesprühgerät für den Pflanzenschutz.
© Detlef Finger

Mit dem maschinellen Ausdünnen der Apfelbäume lässt sich der Arbeitsaufwand für die Ertragsregulierung auf ein betriebswirtschaftlich vertretbares Maß reduzieren. Wobei die mechanische Variante am besten im Ballonstadium der Blüten eingesetzt wird, was aber der frühestmögliche Ausdünnungszeitpunkt überhaupt ist.

Wegen der Spätfrostgefahr wählte Müller daher die beschriebene chemische Variante des Ausdünnens. Zudem wären bei Bedarf weitere chemische Maßnahmen im Verlauf der Vegetation möglich. „Das Ausdünnen von Hand ist die ungünstigste Variante“, macht Müller deutlich. Zu berücksichtigen sei außerdem der sogenannte Junifruchtfall, mit dem die Bäume ihren Behang in gewissem Maße selbst regulieren.

Frostgefahr gebannt? Aprikosen leicht getroffen

Die Aussichten auf eine auskömmliche Ernte sind in diesem Jahr bis dato besser als 2024. Dabei waren die Nachttemperaturen Anfang April mehrfach leicht in den kritischen Minusbereich abgerutscht. „Die frostempfindlicheren Aprikosen haben einen Schuss abbekommen, aber es ist noch etwas da“, blickte Müller zurück, der ausgerechnet zu jener Zeit für einige Tage mit seiner Familie im Urlaub war und das Witterungsgeschehen daheim mit einiger Sorge nur aus der Ferne verfolgten konnte.

Auch an den Aprikosenbäumen, hier die Aromasorte Kuresia, finden sich Früchte.
Auch an den Aprikosenbäumen, hier die Aromasorte Kuresia, finden sich Früchte. © Detlef Finger

Frost-Buster im Einsatz: Mobile Heizung für empfindliche Blüten

Tatsächlich finden sich an den Zweigen der Aprikosenbäume längst zahllose kleine Früchte, ebenso an den frühen Süßkirschen. Äpfel und Kirschen hatten nur leichtere Frostschäden erlitten. Der Betriebsleiter will deshalb noch abwarten und dann schauen, ob nicht eventuell auch die Aprikosen noch etwas ausgedünnt werden müssten. Bei den Kirschen hat er das bislang noch nicht in Erwägung gezogen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass sich die Nachttemperaturen zwischenzeitlich bereits zweimal in Richtung des kritischen Bereiches um den Gefrierpunkt bewegten. So war Müller zunächst am letzten Aprilsonntag mit seinem Frostbuster in der Anlage unterwegs, um insbesondere die frostempfindlicheren Aprikosen und Kirschen zu schützen. Und auch am frühen Dienstagmorgen dieser Woche Anfang Mai schaltete er vorsichtshalber die stationären Heizer ein und drehte mit dem Frostbuster seine Runden.

An den frühen Süßkirschen haben sich zahlreiche kleine Früchte entwickelt.
An den frühen Süßkirschen haben sich
zahlreiche kleine Früchte entwickelt.
© Detlef Finger

Das mobile Gerät zum Heizen hat Müller von sechs auf acht Gasflaschen erweitert, um im Ernstfall mit dem größeren Brennstoffvorrat länger fahren zu können. „Damit ein Schutzeffekt erreicht wird, muss man nach spätestens sieben Minuten wieder an derselben Stelle in der Obstanlage sein. Meist sind es nur wenige Minuten“, macht Müller deutlich. Anderenfalls kühle die Luft zu schnell wieder ab.

„Selbsthilfegruppe“ im Obstbau: Erfahrungsaustausch im Pflanzenschutz

Am vergangenen Dienstagvormittag traf sich die „Selbsthilfegruppe“ von regionalen Obsterzeugern, wie Müller seinen Kollegenkreis mit einem Schmunzeln nennt, auf dem Betriebshof in der Bauernsiedlung in Querfurt, um ihre Erfahrungen im Pflanzenschutz auszutauschen.

Zukunft Obstbau: Automation und autonome Systeme

Tags darauf besuchte Müller auf Einladung des Obstbauverbandes Sachsen & Sachsen-Anhalt eine Fachveranstaltung zum Thema „Zukunft Obstbau – Effizienz durch Automation & Autonome Systeme“ in Dresden-Pillnitz am dortigen Standort des Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie.

Neben mehreren interessanten Fachvorträgen, etwa zur Baumstreifenbearbeitung, zur Digitalisierung, zur Agri-Photovoltaik und zu autonomen Fahrzeugen im Obstbau, gab es praxisnahe Maschinenvorführungen und natürlich die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch. Diese sogenannte Transferwerkstatt fand im Rahmen eines neuen, vom Bündnis Land.Vision getragenen Veranstaltungsformats „AgrarImpulse“ statt und wurde im Auftrag des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft aus Mitteln der Wirtschaftsförderung des Freistaates unterstützt.

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Alexander Müller kontrolliert seine Apfelbäume auf Krankheits- und Schädlingsbefall. © Detlef Finger

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