Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit:„Beide Enden zusammenbringen“
Wer sagt‘s ihnen? Der Gesellschaft wie den Bauern? Das wollten wir im ersten Praxis-Talk von unseren Gästen wissen. Gesucht wurden Antworten auf die Frage: Wie geht Öffentlichkeitsarbeit?
Der Praxis-Talk ist die neue digitale Veranstaltungsserie von Farm & Food, dem E-Learning-Anbieter Landakademie und von uns, der Bauernzeitung. Mit dem Praxis-Talk wollen wir gemeinsam Wissen vermitteln, das für Innovationen und für die Zukunft der Landwirtschaft wichtig ist. „Kommunikation vom Acker bis zum Teller – Wer sagt’s ihnen?“ war das erste Thema.
Mit fünf Gästen aus der Praxis diskutierten wir darüber, wie Landwirtinnen und Landwirte kommunizieren können – und wie sie es nicht tun sollten. Wenn Sie selbst am 18. November nicht dabei sein konnten, gibt es jetzt viel zu erzählen.
Alle Gäste verfügen über recht unterschiedliche Erfahrungen mit Kommunikation und kommen aus verschiedenen Regionen Deutschlands. Was sie eint: Kommunikation ist ein wichtiger Teil ihrer täglichen Arbeit. Zum Beispiel für Jürgen Paffen.
Mithilfe von Profis im Radio werben
Der Vorstandsvorsitzende der Agrargenossenschaft Weißensee in Thüringen hat im Jahr 2011 die Initiative „Heimische Landwirtschaft“ gegründet. Sie ist ein Zusammenschluss von 1.500 Betrieben, die akzeptieren, dass es jede Art von Betriebsform gibt – vom Familienbetrieb bis zur AG. Für Jürgen Paffen ist klar: „Jede Form der Landwirtschaft hat ihre Berechtigung, wir produzieren nur für unterschiedliche Kundschaft.“
Im Krisenjahr 2011 – erst die Futtermittelkrise, dann der EhecSkandal – haben sich mehrere Landwirte zusammengetan. Sie waren sich einig: Die Landwirt
schaft sollte von der Gesellschaft nicht länger als schuldig für den Ehec-Skandal betrachtet werden. „Es kann doch nicht sein, dass wir für alles was passiert herhalten müssen“, so Paffen. Gemeinsam wurde ein Budget auf die Beine gestellt und eine Erfurter Marketingagentur mit einer Radio-Werbekampagne beauftragt – für Fernsehwerbung reichte schlichtweg das Geld nicht. Von 2011 an sendete die Initiative am Wochenende Werbespots auf zwei großen Thüringer Regionalsendern. Seit 2013 hat sich das auf vier Thüringer Sender und das ganze Jahr verteilt. Dass viele Menschen sich gar nicht aktiv über die Landwirtschaft informieren wollen, zum Großteil aber täglich Radio hören, ist für Jürgen Paffen der Grund, auf Radiowerbung zu setzen. Dort können Landwirte ihre Botschaften platzieren.
Jürgen Paffen
Jürgen Paffen ist Landwirt und Vorstandsvorsitzender der Agrargenossenschaft Weißensee. Gemeinsam mit weiteren Landwirten gründete er 2011 die Initiative Heimische Landwirtschaft, um die Leistungen der Landwirte für die Gesellschaft sichtbar zu machen und Vertrauen zwischen Verbrauchern und landwirtschaftlichen Erzeugern zu schaffen. Der Initiative haben sich mittlerweile viele große und kleine, konventionell und ökologisch arbeitende Agrarbetriebe angeschlossen. Gemeinsam setzen sie sich dafür ein, durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit mehr Wertschätzung für heimische Lebensmittel und die Arbeit der Landwirte zu schaffen. Eine zentrale Rolle spielen dabei Radiospots.

Direkt von den Inhalten des Praxis-Talks #1 profitieren
Der Praxis-Talk #1 zum Thema „Kommunikation in der Landwirtschaft“ hat viel Interessantes hervorgebracht. Das Wichtigste haben wir in einem Whitepaper sowie als e-Learning der Landakademie zusammengefasst.
Einen anderen Ansatz verfolgt Inga Ellen Kastens mit ihrem „Weidefunk“. Vom nordrhein-westfälischen Münster aus besuchen sie und weitere „Weidefunkerinnen“ landwirtschaftliche Betriebe mit dem besonderen Etwas. Das Team um Weidefunk besucht neben Höfen mit klein strukturierter Tierhaltung im besonderen Rahmen auch Gastronomiebetriebe, die sich von anderen abheben.
Von der Weide in die Welt gefunkt
Auch Inga Ellen Kastens hob sich einmal von der Menge ab: Sie lebte vegan. Sie war einfach gegen tierische Erzeugnisse jeglicher Art. Schon früh hatte die Westfälin Kontakt zur Landwirtschaft, lernte auch Schlachthöfe kennen und bildete sich eine Meinung. Doch irgendwann hinterfragte sie sich selbst und ihre Ernährung. Sie suchte nach einer Lösung für sich selbst und begann mit dem „Weidefunk“ ein rein privates Projekt. Sie besuchte Höfe, die aus ihrer Sicht gute Tierhaltung praktizieren, egal, ob Bio oder konventionell. Ihr Blog-Magazin „Weidefunk“ soll zeigen, welche Menschen hinter den Betrieben stecken, mit welcher Haltung sie arbeiten, und was in ihrer Lebensgeschichte passiert ist. Was hat sie darin geprägt? Was machen sie ein Stück weit anders als andere?
Heute isst Inga Ellen Kastens wieder Fleisch – aus Quellen, die sie mit eigenen Augen gesehen hat. Früher hat sie Landwirtschaft auch pauschalisiert, gesteht sie im Praxis-Talk. Doch sie hat erkannt, dass es „die Landwirtschaft“ überhaupt nicht gibt, dass „wahnsinnig tolle Konzepte“ existieren.
Dr. Inga Ellen Kastens
Die Geistes- und Kulturwissenschaftlerin Dr. Inga Ellen Kastens ist selbstständige Kommunikations- und Markenexpertin. Sie dozierte an Hochschulen, publizierte als Fachautorin und Herausgeberin in einschlägigen Medien. Ihr Blog www. weidefunk.de ist ein privates Projekt. Es erzählt Verbraucherinnen und Verbrauchern seit 2019 mutmachende Geschichten von Menschen, die neue Wege in der Tierhaltung gehen. Das aus fünf Frauen bestehende Team ist bundesweit unterwegs, um Klischees aufzubrechen und Interesse an der Landwirtschaft zu wecken.
Zurück auf den Acker. PraxisTalk-Gast Phillip Krainbring ist vielen als Ceres-Gewinner und „Ackerbauer des Jahres“ bekannt. Und als „Erklär-Bauer“ in den digitalen Netzwerken. Der Bauer und Blogger engagiert sich seit 2017 im Forum Moderne Landwirtschaft, seinen Blog „Erklärbauer“ betreibt er mit der Landwirtin Annika Ahlers seit 2018. Er sucht das Gespräch mit der Gesellschaft und will der Landwirtschaft ein Gesicht geben – und das mit persönlichen Geschichten. „Ich habe gemerkt, dass man die Themen, die einen bewegen, mit Persönlichkeit verbinden kann.“ Er betreibt also angesagtes „Storytelling“ – doch nicht mit Geschichten, die er sich aus den Fingern saugt, sondern mit Erlebnissen aus dem Alltag auf seinem Betrieb. „Wenn man das, was man hat, irgendwie in eine Geschichte verpackt, kann man Menschen mitnehmen. Und das funktioniert ganz gut“, sagt Phillip Krainbring im Praxis-Talk.
Wie im Stau vor der Baustelle
Durch die Arbeit im Forum Moderne Landwirtschaft war Krainbring viel in Städten unterwegs, um mit der Gesellschaft ins Gespräch zu kommen. Dabei hat er vor allem in Einzelgesprächen gemerkt, dass das Bild der Landwirtschaft gar nicht so schlecht ist. Diese Erfahrung und der Zuspruch, den er von vielen Menschen bekommt, ermutigen ihn, weiterzumachen.
Phillip Krainbring
Ackerbauer Phillip Krainbring ist gelernter und studierter Landwirt. Über die sozialen Medien und seinen Blog „Erklärbauer“ teilt er seine Arbeit mit der Außenwelt. Doch der persönliche Kontakt mit der Gesellschaft ist ihm nach wie vor wichtiger. Auf Foren, in der örtlichen Grundschule und in Zeitung und Radio versucht er, der Landwirtschaft ein Gesicht zu geben und sie für Verbraucher wieder greifbarer zu machen. Der Landwirt muss, sagt er, wieder „vor die Welle kommen“, proaktiv handeln und nicht immer nur reagieren.
Ähnliches berichtete Stefan Wendtland. Der Milchviehhalter aus Schleswig-Holstein stellt seinen Betrieb in der Nähe von Hamburg gerade auf Ökolandbau um. Für den Landwirtschaftsmeister hat sich, wenn es um Kommunikation in der Branche geht, das Bild einer Baustelle gefestigt. „Es nervt uns, wenn wir im Stau stehen, weil da eine Baustelle ist. Aber man weiß, da wird gebaut, damit man in drei Jahren schneller durchfahren kann.“ Kommunikation ist für ihn also eine Notwendigkeit, um in Zukunft davon zu profitieren – auch wenn es lange dauert und die Beteiligten (Bauarbeiter wie Verkehrsteilnehmer) nervt. Seiner Meinung nach ist mit dem aktuellen System der Landwirtschaft keiner richtig zufrieden – weder „die Gesellschaft“, noch Landwirtinnen und Landwirte selbst.
Stefan Wendtland
Stefan Wendtland ist Milchviehhalter in Schleswig-Holstein und stellt seinen Betrieb gerade auf Ökolandbau um. Kommunikation ist für ihn wichtig, weil sich Landwirte und Gesellschaft voneinander entfernt hätten. Er möchte einerseits Verständnis für die gute landwirtschaftliche Praxis wecken, andererseits aber auch die heimische Landwirtschaft nach vorn denken. Er plädiert deshalb dafür, sich auch mit Tierrechtlern oder „Fridays for Future“ zusammenzusetzen, um mit ihnen gemeinsame Ziele herauszuarbeiten.
„Ich kann mich als Landwirt über ,Fridays für Future‘ aufregen, aber ich kann auch mit den jungen Leuten reden. Und dann stelle ich fest, dass auch sie gegen Mercosur sind, weil die nicht wollen, dass in Brasilien der Regenwald abgeholzt wird, und dass sie darin dem heimischen Landwirt mehr vertrauen als dem in Brasilien“, holt er aus. Für Wendtland ist klar, dass „wir irgendwie die Enden, also die Gesellschaft und Landwirtschaft, zusammenkriegen müssen. Das ist unsere Baustelle.“
Fünfte im Bunde war Svenja Nette. Sie möchte dafür sorgen, dass Kommunikation außerhalb, aber auch innerhalb der Branche besser funktioniert. Dafür hat sie die Serie „Wir stehen drauf“ auf der Videoplattform YouTube gegründet. Darin berichtet sie über verschiedene Konzepte der regenerativen Landwirtschaft. Finanziert wird das Ganze über Crowdfunding und über Stiftungszuwendungen. Ihr Ziel: Neue Formen der Landwirtschaft für die Gesellschaft zugänglich zu machen. Die Themen in ihrer Serie „Wir stehen drauf“ sind Klimawandel, Kohlenstoffbindung im Boden, Bodenaufbau, Bodenschutz und Artenvielfalt in der Landwirtschaft.
Svenja Nette
Svenja Nette fühlte sich schon in ihrer Kindheit auf dem Dorf besonders zur Landwirtschaft hingezogen. Ihre ungebrochene Neugier und Begeisterung lässt sie in ihre Videokampagne „Wir stehen drauf“ fl ießen. Darin präsentiert Svenja die Landwirtschaft als Teil der Lösung für die Probleme der Zukunft in Zeiten der Klimakrise. Zur Finanzierung der Idee startete sie eine Crowdfunding-Kampagne. Mit Erfolg: In 24 Videoporträts zeigt sie nun Menschen und Höfe, die regenerativ arbeiten und von ihren Erfahrungen und Herausforderungen erzählen.
Weiterbildung ins Haus gebracht
„Das ist ein superweites Feld“, sagt sie im Praxis-Talk. „Und da gibt‘s natürlich eine riesige Spannbreite an Landwirtinnen und Landwirten, die so etwas in der Praxis umsetzen.“ Letzendlich geht es der Brandenburgerin darum, Menschen zu zeigen, die den Mut haben, etwas auszuprobieren, für das es wenig Vorgaben gibt. „Das verstehen Menschen in der Stadt nicht unbedingt, sondern das ist eher was für Landwirte. Du kannst Dir ja nicht selbst immer grad freinehmen, zu den Leuten fahren und mit ihnen quatschen. Also bringe ich die Infos zu Dir.“ Diesen „Nebeneffekt“ hatte sie am Anfang der Serie gar nicht unbedingt geplant.
Fast 400 Zuschauerinnen und Zuschauer verfolgten die OnlineDiskussion live über Zoom oder bei Facebook und stellten Fragen an unsere Gäste. Dem ersten Praxis-Talk werden nach diesem ungewöhnlich großen Zuspruch sicher weitere folgen. Die Planungen laufen bereits.