Erneuerbare Energie: Für mehr Unabhängigkeit
Der Praxis-Talk ist die digitale Veranstaltungsserie von Farm & Food, Landakademie und Bauernzeitung. Thema diesmal: Erneuerbare Energie am Hof produzieren und selbst nutzen, in Kooperation mit dem ILU.
Von Matthias Lech und Christoph Feyer
Der Energiebedarf in der Landwirtschaft ist immens. Ob im Stall oder auf dem Acker, die steigenden Energiekosten belasten die Bauern. Hinzu kommt die Gefahr einer Energiemangellage über den Winter. Höchste Zeit also, die Energiewende selbst in die Hand zu nehmen und in Sachen Energieversorgung unabhängiger von Lieferanten und Preiserhöhungen zu werden.

Unsere Top-Themen
- Landessortenversuche Winterweizen
- Biomilch aus frischem Grün
- Intelligent Diesel sparen
Praxis-Talk #11: Power to the Bauer
Wo liegen Einsparpotenziale? Wie können Landwirte Energie für den Eigenverbrauch erzeugen? Ist der energieautarke Bauernhof ein erstrebenswertes Zukunftskonzept? Und wie steht es um Biomethan als Treibstoff der Zukunft? Diese und weitere Fragen diskutierten wir am 15. Dezember 2022 live im Praxis-Talk #11 mit unseren Gästen. Mit dem Praxis-Talk wollen wir gemeinsam Wissen vermitteln, das für Innovationen und die Zukunft der Landwirtschaft wichtig ist.
Die Teilnehmer des Online-Praxis-Talks waren sich von Anfang an so gut wie einig: Für 89 % von ihnen sind energieautarke Betriebe erstrebenswert. Erfragt hatten das die beiden Moderatoren, Matthias Lech (dbv network GmbH) und Maxie Grüter, Institut für Lebensmittel- und Umweltforschung (ILU), gleich zu Beginn der Veranstaltung. Damit hatten sie auch sofort ausgelotet, welche Route mit den geladenen Expertinnen und Experten befahren werden sollte.
Die spannende Reise begann mit Hanka Mittelstädt, Geschäftsführerin der Ucker-Ei GmbH. Ihr Ziel ist es, im elterlichen Familienunternehmen in den nächsten ein oder zwei Jahren möglichst klimaneutral zu produzieren.
Ziel: klimaneutrale Eier
Für uns steht natürlich auch die Klimaneutralität im Fokus“, erklärt die Brandenburgerin. „Wir überlegen, wie wir in den nächsten Jahren fossile Energieträger aus unserem Betrieb herauskriegen.“ Der erste Schritt dazu sei die Installation einer 730-kWp-Photovoltaikanlage auf ihrem Legehennenstall gewesen. „Wir sind heute damit zu knapp 90 Prozent im Bereich der Tierhaltung autark. Wir produzieren nachhaltig Strom und verbrauchen ihn dann auch am Standort.“ Nun scheine nicht jeden Tag die Sonne und nachts erst recht nicht, fuhr die Landwirtin fort. Deswegen versuchten sie die letzten zehn Prozent auch noch hinzubekommen.
„Alles das, was wir als Überstrom haben, wollen wir weitestgehend vermarkten und die CO2-Einsparung im Bereich der Klimaneutralität einsetzen.“ Aufgrund von Materialengpässen bei Wechselrichtern und Trafos könnten sie ihren Strom aber noch nicht einspeisen. „Wir hoffen, dass wir im nächsten oder übernächsten Jahr dann endlich das erste klimaneutrale Ei anbieten können.“
Zudem überlege der Betrieb, die 16 ha Auslauf mit PV zu versehen, um eine Doppelnutzung zu erreichen. „Das ist ein Projekt, das wir erst angeschoben haben“, erklärt die Betriebsleiterin. Aber auch da gäbe es genehmigungsrechtliche Hürden. Trotzdem sei dies eine hervorragende Möglichkeit, Energie zu erzeugen, klimaneutral zu werden und gleichzeitig Tierwohlaspekte umzusetzen. Das Stichwort hier sei Beschattung.
Darüber hinaus strebten sie im Ackerbau Autarkie an. „Wir versuchen, bei uns am Standort eine Elektrolyseanlage zu installieren, um auch bei den Traktoren auf fossile Energieträger verzichten zu können.“ Das Nächste sei die Vermarktung der Eier. Auch im Bereich Logistik würden sie gern alle Dieselfahrzeuge umstellen. „Man muss bei der Nachhaltigkeit aber alle drei Säulen betrachten“, betont Mittelstädt. „Nicht nur die Ökologisierung, auch die Ökonomie und den sozialen Aspekt.“
Flächen doppelt nutzen
Die PV-Anlage im Hühnerauslauf war das perfekte Stichwort für Thies Schrum von der SUNfarming GmbH. Das mittelständische Unternehmen mit Sitz in Erkner bei Berlin projektiert, investiert und betreibt Agri- und Freiflächen-PV-Anlagen unter anderem in weiten Teilen Ostdeutschlands und in Schleswig-Holstein. „Wir beschäftigen uns schon sehr lange mit der Frage, wie wir klimaneutral werden können. Ich glaube, die politische Ausgangslage ist ziemlich klar. Wir haben das 1,5-Grad-Ziel“, erklärt der PV-Fachmann. Die Regierung wolle bis 2030 80 % des Energiebedarfs durch Erneuerbare decken, was ein Ausbauziel von 20 Gigawatt (GW) pro Jahr für den Solarbereich bedeute. Aktuell sei man bei 5 GW. „Wie soll man das schaffen, und auf welchen Flächen?“ Deshalb gerieten landwirtschaftliche Flächen dafür mehr und mehr in den Fokus.
„Wir beschäftigen uns schon seit Jahren mit der Doppelnutzung und haben ein Agrosolarkonzept entwickelt, wo wir auf herkömmliche Freilandanlagen aufsetzen und sie höher stellen“, erkläre Schrum. Zudem nutzten sie bifaziale Module und Regenwasserverteilungssysteme, sodass unter den Modulen Pflanzen gut wachsen würden.
„Um den landwirtschaftlichen Status zu erhalten, ist es notwendig, dass weiterhin landwirtschaftliche Aktivität auf der Fläche stattfindet. Das können wir und unsere Partner umsetzen“, so der Solarspezialist. Bei ihren Agri-PV-Anlagen betrage die Flächenversiegelung nur 2 % und neben der Hühner- und Mutterkuhhaltung hätten sie schon Obst, Gemüse, Heilkräuter, Hanf und Wein und vieles mehr erfolgreich unter den Modulen kultiviert. Parallel dazu testeten sie gemeinsam mit Universitäten Agro-Roboter. „Auch hier sehen wir sehr großes Potenzial.“ Auf Nachfrage aus dem Auditorium berichtete der Solarprofi noch, dass man bei Agri-PV-Anlagen ungefähr 10 % höhere Investitionskosten habe als bei Standardanlagen.
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Wasserstoff vom Hof: Treibstoff selbst produzieren
Die PV-Möglichst viel erneuerbare Energie selbst nutzen, war auch der Antrieb für die „H2 Wasserstoffregion Uckermark-Barnim“. Sven Herrmann ist ihr Projektmanager und erklärte das Projekt: „Hier in der Region produzieren wir ungefähr siebenmal so viel erneuerbare Energie, wie wir selbst verbrauchen können. Das ist der Grund, warum wir hier mit der Wasserstofferzeugung durch Elektrolyse gern tätig sein wollen, um weitere Wertschöpfung zu erreichen. Das Ganze wird vom Land Brandenburg gefördert. Wasserstoff passt in der Landwirtschaft ganz gut in den Bereich Mobilität.“ Der Dieselbedarf sei im Jahresverlauf immer dann sehr hoch, wenn auch viel PV-Strom anfällt.
Er rechnete vor, dass die Produktionskosten für Wasserstoff relativ nahe an die Dieselpreise kämen und eine Ein-Megawatt-Anlage knapp 2 Mio. kWh H2 erzeugen kann und damit umgerechnet etwa 165.000 l Diesel ersetzen könne. „Das werden für die gesamte Region 25,3 Millionen Liter Diesel“, rechnete Herrmann weiter. „Ein Kilo Wasserstoff kann in etwa vier bis fünf Liter Diesel ersetzen.
Was wäre denn, wenn wir versuchen, die gesamte Landwirtschaft oder den Diesel, der in der gesamten Landwirtschaft benötigt wird, umzustellen auf zum Beispiel Wasserstoff?“ Er ist überzeugt: „Der Landwirt der Zukunft sollte seinen Treibstoff selbst produzieren.“ Damit die Industrie entsprechende Traktoren zur Verfügung stellt, sei es notwendig, dass der Markt sie nachfragt. Mobilität sei aber nur eine Möglichkeit, Rückverstromung eine andere, oder auch nur der Verkauf von Wasserstoff in verschiedene Sektoren.
Wertvolle Stoffkreisläufe
Für Björn Förster ist Autarkie in der Landwirtschaft tief verwurzelt, denn von der Subsistenzwirtschaft hätten sie sich erst durch immer stärkere Spezialisierung entfernt. Er steht als geschäftsführender Gesellschafter den Agrarbetrieben Schliebener Land, einem klassischen Gemischtbetrieb mit der Milchviehhaltung als Schwerpunkt, vor. Zu ihm gehören auch zwei Biogas-, eine Trocknungs-und mehrere PV-Anlagen. „Wir haben hier ungefähr ein Verhältnis von einer Milchkuh pro Hektar und bewirtschaften rund 2.000 Hektar Fläche, die Hälfte davon ist Grünland“, berichtet der Südbrandenburger. „Und da haben wir gesagt: Okay, die Stoffkreisläufe, die in so einem Betrieb mit Tierhaltung existieren, die sind durchaus komplex, aber auch sehr wertvoll. Lass uns die doch nutzen, um da die Wertschöpfung im Unternehmen zu halten, weil wir sind als Landwirte immer angehalten, etwas zu produzieren.“
Kreisläufe sind die Basis
Dafür nutzt der Betrieb nur Reststoffe, die schon einmal durch die Tiere veredelt wurden. Er erzeugt damit Biogas und wertvollen Dünger, Wärme sowie Strom und nutzt all das so gut es geht im eigenen Betrieb. Nur, was übrig bleibt, wird vermarktet. Rückwirkend betrachtet habe das in den schwierigen Jahren der Tierhaltung mit Trockenheit und sehr volatilen Preisen viel Sicherheit gegeben und dem Betrieb letztlich ermöglicht, sich weiterzuentwickeln. „Deswegen ist das bei uns ein ganz klares Zusammenspiel der einzelnen Betriebszweige. Wir sehen das immer als ganzheitliches System, was wir immer weiter ausbauen“, betont der Landwirt.
Aktuell sei die Lage aber sehr schwierig, da die Politik ihnen keinen verlässlichen Rahmen vorgäbe. „Völlige Unfähigkeit, muss man sagen, auf allen Fronten“, hält er kein Blatt vor den Mund. „Als Landwirte sind wir dazu ausgebildet worden, über mehrere Generationen in die Zukunft zu denken. Und da müssen wir uns auch freimachen von der Politik, weil die nicht so denkt. Sie macht einfach einen blinden Aktionismus an allen Fronten.“ Landwirte seien ja angehalten, das private Geld, was sie investierten, auch irgendwo wiederzusehen und als Betrieb nicht Kopf und Kragen zu riskieren. Deswegen bräuchten sie Konzepte, die sich auch ohne die aktuelle Politik rechnen, die einfach sinnvoll sind. Das Thema Nachhaltigkeit werde mittlerweile in der Gesellschaft sehr inflationär benutzt. Aber was sei eigentlich nachhaltig? Er denke, all das, was in einem geschlossenen Kreislauf funktioniert und reproduzierbar ist, sei nicht so weit davon entfernt.
Der Betriebsleiter rief die Landwirte dazu auf, das Thema Nachhaltigkeit auch mal aus Sicht der Verbraucher zu sehen und weitestgehend neutral zu bewerten. Klimaneutralität, also der CO2-Fußabdruck, sein ein ganz wichtiger Punkt. „Ich denke, den müssen wir aktiv aufnehmen. Das geht immer am besten, wenn man die Möglichkeit hat, als Landwirtschaftsbetrieb in Richtung CO2-Neutralität zu kommen.“ Dazu gehöre auch die Energieautarkie.
Doppelte Einnahmen
Mit Friedrich Brandes und Oliver Viertmann kamen dann zwei Fachleute vom Beratungsunternehmen Institut für Biogas, Kreislaufwirtschaft und Energie aus Weimar zu Wort. Sie plädierten dafür, Biogas auf Biomethanqualität aufzuarbeiten, um es ins Netz einzuspeisen oder vor Ort zu nutzen, z. B. um Traktoren zu betanken. Wer alternativen Kraftstoff in Verkehr bringt, verfüge zudem über eine handelbare Treibhausgas-Minderungsquote, die ökonomisch bedeutsam sein könne. Für ihre Zertifizierung müsse man allerdings erst alle Emissionen der gesamten Herstellungskette einmal ausrechnen und bilanzieren. Die verkauften Zertifikate werden dann laut Viertmann zu einer Art Quersubventionierung der Biogastankstelle. „Es gibt dann zwei Einnahmequellen“, so der Berater. „Einmal die vermiedenen Dieselkosten, die nicht mehr anfallen, und auf der anderen Seite noch Extraeinnahmen aus dem Beitrag zum Klimaschutz.“ Je höher dabei der Autarkiegrad von Biogasanlage und Tankstelle ist, desto besser sei dann auch der CO2-Wert des Biomethans.
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