Leindotter blüht, wenn in der Kulturlandschaft sonst wenig sonst wenig blüht, und tut dem Boden gut. (c) Sabine Rübensaat

Leindotter: Bioökonomie beginnt auf dem Acker

Der Praxis-Talk ist die digitale Veranstaltungsserie von Farm & Food, Landakademie und Bauernzeitung. Thema diesmal: Leindotter – Lohnt sich der Anbau? In Kooperation mit dem Leindotter Projekt der DAW, im Bundesprogramm Biologische Vielfalt durch das BfN mit Mitteln des BMUV gefördert, statt. Freundlich unterstützt vom ILU.

Von Ralf Stephan

Über mehrere Monate beobachtete die Bauernzeitung zwei brandenburgische Betriebe, die Erfahrungen mit dem Anbau von Leindotter sammeln (Kasten). Den vorläufigen Abschluss bildete am 10. November der Praxis-Talk #10. Per Video konnte man sowohl den Anbauern als auch den Initiatoren des Projektes online Fragen stellen.

Das Interesse an der vielseitigen, aber etwas vergessenen Ölfrucht scheint groß, denn die zugeschalteten Praktiker wollten es genau wissen. Ihre Fragen gaben dem Gespräch die Richtung. Insgesamt handelt es sich beim Leindotter um eine interessante Nische, die gerade auf leichteren Böden gut passen kann. Die Bauernzeitung wird diese Kultur im Auge behalten.

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Landwirtschaftsbetrieb Schulze: Alternative zum Raps gesucht

Martin Schulze und seine Söhne Stefan und Carsten bauen seit drei Jahren Leindotter in ihrem Familienbetrieb in Dolgelin an, einem Höhendorf am Rande des Oderbruchs. Sie waren seinerzeit auf der Suche nach einer Alternative zum Raps, der in den trockenen Jahren immer schlecher lief, bis er ganz aus der Fruchtfolge flog. Besonders interessant am Leindotter war für sie die gesicherte Abnahme über die Projektbeteiligten. Begonnen wurde, wie in den Projektvorgaben vorgesehen, der Anbau in Mischkultur.

Leindotter in Reinsaat

„Allerdings war auf den leichten Standorten abzusehen, dass es die vorgeschriebene Erbse nicht schafft, sondern im Leindotter oder im Beikraut untergeht – was sie dann auch getan hat“, berichtete Carsten Schulze von den Erfahrungen der ersten beiden Jahre. „Auf wirklich leichten Standorten wie bei uns kommt man mit Leindotter in Reinkultur eher besser klar“, so sein Fazit. „Wer etwas dazunehmen möchte, sollte kleinwüchsigen Klee oder Seradella mit unterpacken. Das funktioniert.“

Mischfruchtanbau mit der Erbse?

Grundsätzlich sei die Ölfrucht im Anbau eher unkompliziert, fasste Carsten Schulze die Erfahrungen aus drei Jahren zusammen. Dr. Katharina Spethmann, die Ansprechpartnerin für Landwirte im Leindotterprojekt ist, räumte ein, dass anfangs der Fokus auf den Mischfruchtanbau, speziell mit Erbsen, gelegt wurde. Das war auch dem Umstand geschuldet, dass man nicht in die leidige Tank-oder-Teller-Diskussion geraten wollte.

Das sei nach den gemachten Erfahrungen inzwischen jedoch nicht mehr zwingend Programmpunkt. Heute sind auf leichten Standorten – Staunässe mag die Kultur ohnehin nicht – sowohl die Reinkultur möglich als auch Kombination mit Erbsen, Seradelle oder Getreide, die gut funktionierten, berichtet sie.

Video: Praxis-Check Leindotter auf dem Landwirtschaftsbetrieb Schulze

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Agrargenossenschaft Ländchen Bellin eG: Leindotter und seine Anbaumöglichkeiten

Hannes Deter, Pflanzenbauleiter in der Agrargenossenschaft Ländchen Bellin eG, nordwestlich von Berlin in Fehrbellin-Lentzke gelegen, rutschte „irgendwie in diese Nische Leindotter“, als er dabei war, die aus der „Aneinanderreihung von Monokulturen“ bestehenden klassischen Fruchtfolgen aufzubrechen, schilderte er anschaulich.

Mischkulturen mit Hafer und Co.

Dabei stieß er auf Mischkulturen und begann, mit ihnen zu experimentieren. Angefangen hat er sogar mit einem Dreiermix aus Ackerbohnen, Hafer, Leindotter. Das bedeute praktisch, auf den Pflanzenschutz zu verzichten, machte Deter klar und räumte ein: „Da haben wir viel Lehrgeld bezahlt.“ Deswegen blieben die Experimentierflächen auf dem Ländchen Bellin, einem Höhenrücken im Havelluch, mit 10 bis 20 ha „übersichtlich“. Gute Erfolge habe man im Mix mit Sommergerste erzielt, wenn sauberes Getreide geerntet werden konnte.

Leindotter als Zwischenfrucht

Wichtig ist Deter die Wirkung der Zweitfrucht Leindotter auf den Boden. Sie wird nach der Wintergerstenernte in Direktsaat und Reinkultur als Zwischenfrucht bestellt. Denn ökonomisch sei das Ganze anhand der Erträge nur schwer darzustellen. „Also wir sehen es als rein bodenverbessernde Maßnahme, weil wir davon überzeugt sind, dass ein Boden am besten das ganze Jahr bewachsen ist.“ Das preisgünstige Saatgut und die geringen Ansprüche der Pflanze sprächen in dieser Hinsicht für den Leindotter.

Saatgut, Sortenschutz und Förderung

Katharina Spethmann verwies auf die Projektförderung für das Saatgut. Zudem sei für die Sorte Calena mit besonders guten Trocknungseigenschaften der Sortenschutz ausgelaufen, sodass Landwirte ihr Saatgut selbst nachbauen dürfen. Das nutzt Familie Schulze, die das Erntegut selbst reinigt und aufbereitet. „Mit Transport und Reinigung können die Kosten deutlich unter 20 Euro pro Hektar in der Aussaat bleiben“, so Spethmann. Das mache das Ganze auch für den bodenbedeckenden Zwischenfruchtanbau interessant, etwa in Mischungen mit Kleegras.

Anbauzeit: Früh säen oder erst zur Schlehenblüte?

Chat-Teilnehmer wollten wissen, mit welcher Fläche man in die Wertschöpfungskette einsteigen kann. Familie Schulze verwies auf die Anbaupausen für die Ölfrucht. Daraus ergeben sich Obergrenzen. Als Untergrenze nannte Katharina Spethmann „einen Lkw voll“, also etwa 15ha. Dafür könnten sich benachbarte Betriebe auch zusammentun, um den wesentlich teureren Transport in Bigbags zu umgehen.

Nicht jeder kann sein Erntegut selbst reinigen oder – bei Mischkultur – trennen. Damit dies nicht zum KO-Kriterium wird, kooperiert das Projekt mit dem BaroLagerhaus in Pritzwalk, ergänzte Spethmann. Frühe Aussaat ist möglich, bestätigt Familie Schulze, die bislang immer Ende März, Anfang April gedrillt hat. Man wisse aber, dass Kollegen im letzten Frühjahr schon die erste wärmere Februarwoche genutzt hätten. „Es gibt einige, die probieren jetzt aus, wie weit man da nach vorne gehen kann.“

Aussaat Tipp vom Landwirt

Hannes Deter zeigte sich in diesem Punkt deutlich zurückhaltender. „Es heißt ja: Bevor die Schlehen blühen, hat man im Boden nichts zu suchen, um nicht unerwünschte Beikräuter zu pushen“, gab er zu bedenken. Er plädierte dafür, betriebsindividuell „in den Boden zu gucken“ und sich nicht von Empfehlungen in Prospekten leiten zu lassen.

PraxisErfahrungen: Ertrag und Boden

Auch die Frage nach dem Ertrag blieb nicht aus. „2020 hatten wir mit zweieinhalb Tonnen den besten Ertrag – Anfängerglück“, berichtete Martin Schulze. In den beiden letzten Jahre waren es knapp zwei Tonnen, gereinigt anderthalb. Ausgesät wurden 6 bis 7 kg/ha, im ersten Jahr sogar nur 2,5 kg, was den guten Ertrag am Ende noch überraschender erscheinen ließ.

Hannes Deter rechnete nach der Trockenheit im August mit 200 bis 400 kg Ertrag für den Leindotter, der zum Zeitpunkt des Praxis-Talks noch auf elf Hektar in Reinkultur als Zweitfrucht im Feld stand. Für eine bodenverbessernde Maßnahme macht das aus seiner Sicht trotzdem Sinn.

Öko-Leindotter anbauen?

Die Frage, ob es zertifiziertes ÖkoSaatgut gibt, beantwortete Katharina Spethmann mit Ja. Es sei auch als Nachbau nicht mehr geschützter Sorten erhältlich, produziert von Biolandwirten, die seit mehreren Jahren am Projekt teilnehmen. Ökoware würden die Verarbeiter gern mehr annehmen, teilte Matthias Körber mit. Er leitet das Leindotterprojekt der Firma Worlée seit 2015.

„Öko ist aus Sicht der Nachhaltigkeit logischerweise ein starkes Argument“, begründet der Diplomchemiker. Kostenmäßig halte es sich für das Unternehmen die Waage: „Wir bezahlen mehr für die Ölsaat, bekommen aber auch mehr für den Presskuchen, den uns Ökorinderhalter abnehmen.“ Nennenswerte Unterschiede beim Ölgehalt gebe es zwischen den gängigen Sorten nicht.

Wertschöpfung: Presskuchen und Leindotteröl

Im Übrigen funktioniert die Wertschöpfung ganz ähnlich beim Raps, ergänzte Katharina Spethmann. „Würde man versuchen, den gesamten Preis vom Raps auf das Rapsöl umzulegen, wäre auch Rapsöl prohibitiv teuer, denn die zwei Drittel der Masse sind nun mal Presskuchen. Und solange Leindotter nicht auf den EU-Futtermittellisten stand, war das Interesse von Unternehmen am Presskuchen gering. Inzwischen hat das Projekt zwei Ölmühlen unter Vertrag, von denen eine das Produkt in der eigenen Viehhaltung einsetzt und die andere regionale Tierhalter beliefert.

Die Frage, woher das plötzliche Interesse an der Ölfrucht kommt und ob es anhalten wird, beantwortete Worlée-Vertreter Körber so: In Vergessenheit geraten war der Rohstoff Leindotteröl für den Verarbeiter eigentlich nie. Allerdings waren andere Öle wie Leinöl „sehr, sehr günstig“ zu haben – gerade, wenn sie aus der Ostukraine kamen. Das habe sich nun grundsätzlich geändert.

Biodiversität auf dem Acker stärken

Die Wirkung des gelbblühenden Kreuzblütlers auf die Biodiversität im Acker hat Dr. Stefanie Göttig in einer dreijährigen Studie zur Biodiversität innerhalb des Leindotterprojektes untersucht. Reich an Pollen und Nektar, ist die Ölfrucht eine attraktive Nahrungspflanze für viele Bestäuber und andere Insekten. „Durch den relativ frühen oder auch späten Anbau im Jahr schließt Leindotter Trachtlücken – er blüht also, wenn sonst in der Agrarlandschaft gerade nicht so viel blüht“, berichtete Göttig.

Lust auf eigenen Leindotter?

Interessenten können sich vorab im Rahmen des Projektes umfassend informieren (Kasten „Anbausaison 2023“). Auch nach der Aussaat seht ein Netzwerk für den fachlichen Austausch bereit, es gibt regelmäßig Infoveranstaltungen in den Regionen.

Anbausaison 2023
Das Anbauziel liegt im nächsten Jahr bei 1.000 ha, um 300t Öl zu gewinnen. Weitere Steigerungen werden angestrebt, denn die Firma DAW sieht einen Bedarf für Ernteware von 2.000 ha bundesweit. Der Abnahmepreis orientiert sich an dem von Raps bei einem Mindestpreis von 500 €/t. Für die Ernte 2022 gab es im konventionellen Anbau 650€, für Ökoware etwa 900 €.

Ansprechpartnerin für Interessenten ist Dr. Katharina Spethmann, E-Mail: leindotter@worlee.de, Tel. 0151 61443024.