Teilnehmer des zweiten Praxis-Talk; Screenshot: Klaus Meyer

Digitaler Agrarhandel: Leichter einkaufen und vermarkten

Der digitale Agrarhandel war Thema beim zweiten Praxis-Talk von Farm & Food 4.0, Bauernzeitung und Landakademie. Drei Experten und zwei Landwirtinnen diskutierten mit Matthias Lech, Projektleiter Farm & Food, über Chancen und Risiken.

Von Klaus Meyer

Ein Handelsunternehmen wie Agrando, das erst seit drei Jahren am Markt aktiv ist, in der Anmoderation als „Alte Hasen im Geschäft“ zu bezeichnen, könnte gewagt sein. Ist es aber nicht, denn die digitale Welt dreht sich schnell. Die Digitalisierung soll den Landwirten riesige Chancen bieten. Eine relativ junge Branche ist der digitale Agrarhandel. Er wirbt bei den Landwirten mit besseren Preisen, mehr Transparenz, Zeitersparnis und Einfachheit. Unter anderem darüber wurde beim zweiten Praxis-Talk von Farm & Food 4.0, dem Innovators Network der dbv network GmbH, diskutiert. Mit dabei Johanna von Münchhausen (Landwirtin und Agrarhändlerin), Martina Junker (Landwirtin), Jonathan Bernwieser von Agrando, Tobias Fallmeier von cropspot und Gunnar Zinkhahn von FarmFacts.


Live Praxis Talk Landakademie

Direkt von den Inhalten des Praxis-Talks #2 profitieren

Der Praxis-Talk #2 zum Thema „Digitaler Agrarhandel“ hat viel Interessantes hervorgebracht. Das Wichtigste haben wir in einem Whitepaper sowie als e-Learning der Landakademie zusammengefasst.


Junker ist über ein Börsenspiel, das die Warenterminbörse dem Agrarbereich näherbringen soll, und einen Lehrgang zum Thema zum digitalen Getreidehandel gekommen. Sie kann sich sehr gut vorstellen, online Futter-, Dünge- und andere Betriebsmittel zu bestellen, aber wenn es um Landtechnik oder Maschinen geht, hat sie doch lieber einen persönlichen Ansprechpartner, der sie hinsichtlich der Funktionen und Ausstattung berät. Standardisierte Produkte kann man dagegen leicht online kaufen.

Von Münchhausen sieht das genauso, da es bei Betriebsmitteln klare Regeln gibt. Aber Technik würde auch sie nicht online kaufen. Etwas kritischer ist die Agrarhändlerin beim Getreidehandel, insbesondere im Ökobereich. Hier sind die Mengen kleiner als im konventionellen Bereich und die Qualitäten heterogener. Gleichzeitig fordern die verschiedenen Ökohändler beim Getreide unterschiedliche Parameter.

Bernwieser sieht das etwas anders. Er glaubt, dass gerade ein digitaler Marktplatz Transparenz in einen Nischenmarkt bringen kann, eine Vergleichbarkeit von Preisen ermöglicht, aber auch Kunden zusammenbringen kann, die vielleicht nur 20 km voneinander entfernt sind, aber sich kaum analog kennenlernen würden.

Entscheidungsfindung erleichtern

Passend zum Thema wurde das Publikum (über 300 Zuhörer) gefragt, wie viele schon mal Betriebsmittel online bestellt beziehungsweise gekauft haben. Immerhin 44 % haben mit „ja“ geantwortet.

Für Bernwieser geht es beim Onlinehandel, aber auch allgemein bei der Digitalisierung um Informationstransparenz zur Entscheidungsunterstützung. Ob Händler oder Hersteller, alle haben es mit landwirtschaftlichen Geschäftsführern beziehungsweise Betriebsleitern zu tun, deren Job es ist, richtige Entscheidungen zu treffen, um für die kommenden zwölf Monate den maximalen Profit für das eigene Unternehmen zu erwirtschaften. Entscheidungen, die dafür sorgen, dass auch in den kommenden fünf oder zehn Jahren das Unternehmen weiterhin erfolgreich sein wird. Er betonte: „Es geht nicht um Preisdumping, nicht darum, althergebrachte Geschäftsbeziehungen kaputt zu machen, sondern um Informationstransparenz, damit der Landwirt seine verschiedenen, zur Verfügung stehenden Alternativen erkennt.“ Bernwiesers Meinung nach ist die Art und Weise, wie die Gesellschaft, wie die Landwirtschaft heutzutage arbeitet, in zehn Jahren zu teuer. Die Zeit ist dabei vor allem für Betriebsleiter das kostbarste Gut und deshalb müsse sie in Zukunft so effizient wie möglich eingesetzt werden.

Marina Junker

Martina Junker

Martina Junker mästet 300 Bullen und bewirtschaftet 70 ha Ackerland und 20 ha Grünland in der Nähe von Lüneburg. Dort baut sie Winterweizen, Wintergerste und Silomais an. Die gelernte Landwirtin vermarktet ihr Getreide über die App ihres Landhändlers und kauft auch die Betriebsmittel digital ein. Sie wünscht sich eine App, die ihr tagesaktuell die Kurse für Schlachtrinder liefert und über die sie auch den Verkauf tätigen kann, so wie das beim Getreide schon lange möglich ist.

Die Basisversion von Agrando soll potenzielle Geschäftspartner transparenter machen und damit geographische Barrieren aufbrechen. Die Pro-Version bietet in Zukunft eine Art virtuellen Assistenten, der die agronomischen Daten des Betriebes im Hintergrund für den Landwirt aufbereitet und so die Entscheidungsfindung unterstützen soll. Die Landwirtschaft mit ihren unterschiedlichen Standorten, den verschiedenen Produktionsrichtungen und den individuellen Produktionsfaktoren ist sehr heterogen. Am Ende ist es Bernwieser wichtig, dass er für jeden Landwirt, egal wo er sitzt und egal was er anbaut, ein individuelles Produktsortiment zur Verfügung stellen kann.

Die nächste Frage an die Zuhörer lautete:  Bietet Onlinevermarktung neue Handlungsfreiheiten? Ja oder nein? Mit 88 % „ja“ kam ein eindeutiges Ergebnis heraus.

Auch Tobias Fallmeier hat cropspot gegründet, um die Effizienz des Agrarhandels zu verbessern und die Entscheidungsfindung zu vereinfachen – nach dem Motto: „Wenn man nicht sagt, was man hat, dann kann man auch nicht wissen, was man bekommt.“ Das heißt, Nutzer stellen unverbindlich ein Verkaufs- oder Kaufinserat auf der Plattform ein, das anschließend anonym auf einer virtuellen Karte sichtbar wird. Sobald es zu einem Verkaufs- oder einen Kaufinteresse kommt, kann man ein Gebot oder eine Offerte abgeben und hebt somit die Anonymität auf. Die Kontaktdaten werden ausgetauscht und die Verhandlung und Abwicklung findet in einem Chat statt. Somit schmälern digitale Lösungen nicht den persönlichen Kontakt.

Sicherheit der Daten ist wichtig

Wenn über Digitalisierung gesprochen wird, kommt man nicht um die Themen Datensicherheit und -missbrauch herum. Für Fallmeier sind Google, Facebook und Co. die Bösen, die einen negativen Schatten auf die digitale Welt werfen. Die digitale Affinität in der Landwirtschaft ist seiner Meinung nach vielleicht deshalb nicht sehr hoch, es sind oft Vorbehalte vorhanden.

Johanna von Münchhausen

Johanna von Münchhausen

Johanna von Münchhausen ist studierte Landwirtin. Sie kennt die Agrarpraxis durch ihren eigenen Betrieb ebenso wie die Welt des analogen Agrarhandels: Während sie früher das Schlossgut Alt Madlitz leitete, arbeitet sie nun im familieneigenen Unternehmen, der Handelsgesellschaft für Naturprodukte Gut Rosenkrantz in Neumünster. Das Unternehmen beliefert Kunden im In- und Ausland mit Getreide, Saatgut, Dünger, Futtermitteln und Backrohstoffen in Bioqualität.

www.gut-rosenkrantz.de

Von Münchhausen hat grundsätzlich keine Angst vor Datenmissbrauch. Wer seine Daten Amazon und Facebook gibt, macht sich angreifbar. Da muss sich jeder selbst fragen, wo seine Hürde ist. Sie wünscht sich eine Plattform, auf der sie sich nur einmal anmelden muss, und die ihr alle digitalen Dienstleitungen bietet. Sie hat als Praktikerin keine Lust, sich auf verschiedenen Plattformen immer mit neuem Benutzernamen und Passwort anzumelden. 

Digitalisierung in der Landwirtschaft ist für Junker keine Gefahr, trotzdem macht sie im Bereich Schlagkartei und Dokumentation noch alles analog, weil sie nicht gläsern sein möchte und Fehler in der digitalen Welt im Nachhinein manchmal schwer auszubügeln sind.

Die meisten Zuhörer sehen die Daten in der digitalen Landwirtschaft in Zukunft als sicher an, denn in einer weiteren Umfrage haben 73 % auf die Frage: „Werden wir in zehn Jahren noch diskutieren, ob wir Daten in der Landwirtschaft nutzen?“ mit „Nein“ geantwortet. 

Informationsfluss ohne Redundanz

Das Farmmanagementsystem NEXTFarming von FarmFacts bietet von der digitalen Schlagkartei, über die Dokumentation und die Lagerverwaltung bis zur Buchführung dem Landwirt ein Rundumpaket. „Wir haben den 360°-Blick auf den landwirtschaftlichen Kunden“, erläuterte Gunnar Zinkhahn von FarmFacts. Ziel ist ein sauberer Prozessfluss der Daten ohne Redundanzen oder Doppeleingaben. Um den Kreis zu schließen, wurde die offene Handelsplattform NEXT Marktplatz ins System integriert. Die schon vorhandenen Daten der Landwirte können dadurch noch besser im Sinne des Kunden genutzt werden, um zum Beispiel den Bedarf an Düngemitteln zu ermitteln.

Jonathan Bernwieser

Jonathan Bernwieser

Jonathan Bernwieser ist Gründer und Geschäftsführer der Handelsplattform Agrando. Landwirte können seit 2018 über die Plattform zeit- und ortsunabhängig Produkte (Futter-, Dünge-, Pflanzenschutzmittel, Saatgut und Treibstoffe) bei einzelnen oder mehreren Händlern gleichzeitig anfragen, Angebote vergleichen und Aufträge zentral dokumentieren. Der Kaufvorgang erfolgt auf dem klassischen Weg. Die Plattform hat das Ziel, den Landwirten dabei zu helfen, durch technisch optimierte Handelsprozesse, datenbasierte Analysen und branchenspezifische Beratung zukunftsfähige Entscheidungen zu treffen.

agrando.com

Der Marktplatz soll auch für Transparenz sorgen. Zinkhahn glaubt nicht an eine ganz klassische Offline- und Onlinewelt, sondern dass diese Bereiche sehr stark ineinander übergehen. Er hat den Eindruck, dass die Digitalbranche teilweise mit zu spitzen, mit zu radikalen Insellösungen in den Markt geht und dabei die Landwirte mit der Komplexität allein lässt.

Gunnar Zinkhahn

Gunnar Zinkhahn

Gunnar Zinkhahn ist Geschäftsführer von FarmFacts, einem Tochterunternehmen für Digital-Farming-Lösungen der BayWa. Seit letztem Jahr ist an das Farmmanagementsystem (FMIS) NEXTFarming die offene Handelsplattform NEXT Marktplatz angebunden. Direkt aus dem FMIS können vorerst Landwirte aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mit nur einer Abfrage von verschiedenen regionalen Anbietern Angebote einholen sowie Kauf- und Lieferverträge abschließen.

www.nextfarming.de

Auf die Frage, was die Barrieren, die Hemmnisse des digitalen Handels sind, nannte Zinkhahn drei Faktoren. Ein Faktor sei die sehr heterogene Kundengruppe vom Nebenerwerbsbauern in Bayern bis zum 2.000-ha-Betrieb in Ostdeutschland. Der zweite Aspekt sei die extrem flache Diskussion im Themenbereich Daten. Es müsse unterschieden werden zwischen personenbezogenen Daten mit Wert und den betriebsbezogenen Daten, die der Entscheidungsfindung nützen. Das Problem oder die Gefahr bei den großen Internetkonzernen sei, dass die Grundlage ihrer Geschäftsmodelle datenbasierte Werbung ist. Laut Zinkhahn gehe es nicht darum, welche Daten die Digital-Start-ups nutzen, sondern darum, wie und wofür sie die Daten nutzen. Da müsse die Branche sehr transparent sein. Die Digitalisierung und die Nutzung von Daten dürfen nur einen Zweck haben. Das sei, ein Produkt (oder Dienstleistung) zu erzeugen, welches einen Mehrwert für den Kunden schaffe.

Bernwieser stimmte zu: „Es geht darum, Informationen zu transformieren, um Entscheidungen abzuleiten beziehungsweise zu erleichtern.“ Der dritte Aspekt, in dem sich alle einig waren, ist, dass der Online- und der Offlinehandel stärker kooperieren müssen und es bei der Erklärung der digitalen Produkte ohne persönliche Beratung kaum geht.

Das Whitepaper zum Praxistalk ist erhältlich unter: www.farm-and-food.com/praxis-talk/whitepaper-download/

Tobias Fallmeier

Tobias Fallmeier

Tobias Fallmeier ist studierter Landwirt im Agribusiness und Gründer und Geschäftsführer von cropspot, einem im April 2019 gegründeten Start-up aus Hamburg. Es ist eine Handelsplattform für Agrarprodukte. Bei cropspot geben die Landwirte ihre zu verkaufende Ware mit den gewünschten Konditionen an, ebenso tun es die Käufer mit der gesuchten Ware. Die Angebote lassen sich auf einer digitalen Karte eingrenzen. Die Parteien können digital Kontakt aufnehmen, das Geschäft weiter aushandeln und abschließen.

www.cropspot.com

Die Digitalisierung spielt laut Zinkhahn bei der Rückverfolgbarkeit und Zertifizierung ebenfalls eine große Rolle. Sein Unternehmen ist im engen Austausch mit dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH). Die Transparenz, wer was wie produziert hat, nimmt beim Verbraucher und damit auch beim LEH einen immer größeren Stellenwert ein.

 

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Der Praxis-Talk #2 zum Thema „Digitaler Agrarhandel“ hat viel Interessantes hervorgebracht. Das Wichtigste haben wir in einem kostenfreien White-Paper sowie als e-Learning der Landakademie zusammengefasst.