Zahlen und Fakten

Bürokratie in der Landwirtschaft bedroht Betriebserfolg

Fach- und ordnungsrechtliche Vorgaben für die landwirtschaftliche Praxis werden immer umfangreicher © gunnar3000/stock.adobe.com

Hohe Kosten sind die Folge von Bürokratie in der Landwirtschaft. Wie viel Zeit und Geld Ackerbaubetriebe investieren müssen, wurde beim Tag der Betriebswirtschaft der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau (LLG) in Sachsen-Anhalt thematisiert.

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Ein Hauptaugenmerk beim Tag der Betriebswirtschaft der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau in Sachsen-Anhalt galt dem ausufernden Aufwand für Berichts- und Dokumentationspflichten.

So wenden Ackerbaubetriebe je Hektar und Jahr insgesamt 1,5–2,5 Arbeitskraftstunden vor allem für bürokratische, aber auch organisatorische und Managementtätigkeiten auf. Dies ist gleichbedeutend mit Kosten von etwa 50–120 €/ha. Diese Zahlen, die auf Erhebungen in Betrieben fußen, führte Felix Hollmann von der LBB Ländliche Betriebsgründungs- und Beratungsgesellschaft mbH, Göttingen, am 26.02.2025 in einer Diskussionsrunde auf dem Tag der Betriebswirtschaft in Bernburg-Strenzfeld (Sachsen-Anhalt) an.

Bürokratie: Erfüllungsaufwand in der Landwirtschaft – Zahlen und Fakten

Vorangegangen war ein Vortrag von Prof. Dr. Jan-Henning Feil von der Martin-Luther-Universität, Halle (Saale), zum Thema „Bürokratie managen – Freiraum schaffen“. Darin bezifferte der Wissenschaftler die Gesamtbelastung der deutschen Landwirtschaft durch den sogenannten Erfüllungsaufwand (Zeit für und Kosten durch das Befolgen gesetzlicher Vorgaben) für 2021 unter Bezug auf Zahlen der Bundesstatistik mit 620 Mio. Euro.

Davon entfielen etwa 220 Mio. Euro auf Dünge- und Pflanzenschutzmittel, 217 Mio. Euro auf Tierarzneimittel und Tiergesundheit, 101 Mio. Euro auf Tierkennzeichnung und Tierbestände, 14 Mio. Euro auf statistische Erhebungen und den Invekos-Sammelantrag sowie 68 Mio. Euro auf Sonstiges, u. a. Kontrollen.

Neue Vorgaben belasten Landwirte

Feil zeigte außerdem auf, dass im Zeitraum 2014–2023 für die Land- und Forstwirtschaft 208 bundesrechtliche Vorgaben neu hinzugekommen oder geändert worden seien, aber nur 21 abgeschafft und weitere 32 vereinfacht wurden.

Bürokratie in der Landwirtschaft binde personelle und finanzielle Ressourcen, ohne den Ertrag zu heben, und verringere die Wettbewerbsfähigkeit. Hinzu komme eine wachsende Unsicherheit in den Unternehmen, z. B. bei Investitionen. Diese würden verschoben oder unterblieben schlimmstenfalls. Beides zusammen bedrohe den langfristigen unternehmerischen Erfolg in der Landwirtschaft, betonte Feil.

Bürokratie als Wettbewerbsnachteil: Strategien zur Entlastung

Er sagte: „Bürokratiekosten sind Fixkosten“ und insbesondere für kleinere Betriebe problematisch. Strategie von Unternehmern müsse es sein, ihre individuellen Bürokratiekosten „rigoros und dauerhaft“ zu senken, um sich damit unternehmerische Freiheiten, auch für die Zukunft, zu schaffen.

Möglichkeiten hierzu böten sich durch die Automatisierung und Digitalisierung gesamter Workflows (nicht nur einzelner Prozesse), das Standardisieren wiederkehrender Aufgaben, die Kooperation (vor allem kleinerer und mittlerer Betriebe, z. B. in Bürogemeinschaften), und/oder das Auslagern (Outsourcing) der Bearbeitung bürokratiebedingter Tätigkeiten (z. B. Antragstellungen).

Sachsen-Anhalts Agrarstaatssekretär Gert Zender war in seinem Grußwort ebenfalls auf das Thema Bürokratie in der Landwirtschaft eingegangen. Er erinnerte z. B. an die 194 Vorschläge zu deren Abbau, die die Länder im Vorjahr dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unter Cem Özdemir (Grüne) unterbreitet hätten. Nur ein Bruchteil davon sei vom BMEL aufgegriffen worden.

GAP ab 2028: Weichenstellungen für eine entbürokratisierte Landwirtschaft

Zender gab sich zuversichtlich, dass sich hier künftig etwas tun werde. Doch nicht nur in Berlin und Brüssel, auch auf Landes­ebene gebe es Möglichkeiten, „an kleinen Stellschrauben zu drehen“. Der Fokus sollte insgesamt zunächst auf schnell umsetzbaren Regeländerungen liegen, um zeitnah Erleichterungen für die Praxis zu erreichen. Dazu bedürfe es aber auch eines Rucks in den Verwaltungen.

Entbürokratisierung entlaste Praxis und auch Behörden, unterstrich Zender. Jede Sonderregelung bzw. Ausnahme bringe letztlich mehr Aufwand, gab er noch zu bedenken. Zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab 2028 merkte der Staatssekretär an, dass hierfür jetzt die Weichen gestellt werden müssten. Es gelte u. a., eine anreizbezogene Förderung zu etablieren, die Erste Säule zu vereinfachen, die Ökoregelungen in der Ersten Säule abzuschaffen und stattdessen Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen gezielt in der Zweiten Säule zu fördern.

Es geht ums Geld

Ernährungssicherstellung und Existenzsicherung müssten als Prämissen stehen – neben Umwelt- und Klimaschutz. Dies alles unter dem Damoklesschwert der Diskussion um die Finanzmittel. „Das wird kein leichter Akt“, sagte er. Zender verwies auch auf teils unterschiedliche Meinungen der Bundesländer, die in den Agrarstrukturen bedingt seien. Letztlich gehe es um die Mittelverteilung.

Mit Blick auf Agrarminister Sven Schulzes derzeitiges Amt als Sprecher der unionsgeführten Länderressorts rief er die hiesigen Berufsverbände auf, das Magdeburger Ministerium „flankierend zu begleiten“. Es gelte ferner, aus den Problemen der laufenden GAP-Periode zu lernen. Ende März stehe in Baden-Baden auch die nächste Agrar­ministerkonferenz an.

Datenangebot für die Landwirtschaft: Neue Anforderungen und Entwicklungen

Dr. Jan Ole Schroers vom Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e. V. (KTBL), Darmstadt, referierte über immer neue Anforderungen an das Datenangebot des vom BMEL institutionell geförderten Vereins. Hierzu zählte er die Regionalisierung (z. B. Standarddeckungsbeiträge bis auf Landkreisebene), die Historisierung (z. B. Preisentwicklung über lange Zeiträume) oder agrarpolitische Rahmenbedingungen.

Neue Aufgaben ergäben sich etwa durch Produktionsrestriktionen, Herdenschutz oder Moorbewirtschaftung. Schroers verwies dabei auf die enge Zusammenarbeit in KTBL-Gremien mit hiesigen Akteuren, z. B. von der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau (LLG), dem Landeskontrollverband oder der Ökoberatung. So stehe Dr. Volker Rust, der das LLG-Dezernat Betriebswirtschaft leitet, im KTBL-Arbeitsprogramm „Kalkulationsunterlagen“ der Programmgestaltungsgruppe vor.

Landwirtschaftliches Kompetenzzentrum: LLG als wichtiger Akteur

Dem schlossen sich Vorträge von Felix Hollmann, LBB Göttingen, zu Herausforderungen und Chancen für die Landwirtschaft aus Unternehmensberatersicht und von Tobias Kausmann von der LLG zur Frage, ob die Ökoregelungen 2 und 6 eine Chance im Ackerbau darstellen können, an.

LLG-Präsident Prof. Dr. Falko Holz hatte das traditionsreiche Format, dessen Moderation in den Händen von Volker Rust lag, als erste Veranstaltung der LLG im renovierten, proppenvollen großen Tagungsraum eröffnet. Staatssekretär Zender würdigte die LLG, die eng mit der Hochschule Anhalt zusammenarbeitet, zudem als Kompetenzzentrum der Landwirtschaft im Land. Hier balle sich die Wissenschaft mit dem Praktischen und dem Versuchswesen.

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Im Landkreis Anhalt-Bitterfeld, hier zwischen Löberitz und Zörbig, drehen sich derzeit insgesamt 248 Windräder mit 491,4 MW Gesamtleistung. © Detlef Finger

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