Kein Bürgerentscheid für Gewerbegebiet auf bestem Ackerland
Update 21.11.: Auf mehr als 420 ha Ackerland mit 90 Bodenpunkten soll an der A9/B91 bei Weißenfels (Sachsen-Anhalt) ein Gewerbegebiet entstehen. Der Weißenfelser Stadtrat hat den Weg nun dafür freigemacht.
Der Weißenfelser Stadtrat hat am 7. November nach kontroverser Debatte den Weg für ein Interkommunales Industrie- und Gewerbegebiet (IKIG) am Verkehrsknotenpunkt von A 9 und B 91 freigemacht. Das vermeldete die Mitteldeutsche Zeitung. Demnach stimmte das Gremium mit großer Mehrheit der Satzung eines Zweckverbandes zu, der das Gebiet vorantreiben soll. Zuvor habe der Stadtrat mehrheitlich mehrere Beschlüsse gefasst, um die baurechtlichen Grundlagen für die Errichtung des IKIG zu schaffen.
Für das interkommunales Industrie- und Gewerbegebiet an der A 9/B 91 bei Weißenfels sollen 330 ha landwirtschaftliche Nutzfläche versiegelt werden. Mit den damit verbundenen Ausgleichsmaßnahmen bedeute dies einen Flächenverlust von mehr als 420 ha. Die Böden seien dem Bauernverband Burgenlandkreis nach sehr gutes Ackerland, im Durchschnitt mit 90 Bodenpunkten.
Keine Mehrheit für Bürgerentscheid
Ein Antrag der Fraktion Bürger für Weißenfels/Landgemeinden (BfW) zur Durchführung eines Bürgerentscheids zum Industrie- und Gewerbegebiet, zu dem in der Debatte selbst in der antragstellenden Fraktion unterschiedliche Auffassungen deutlich wurden, habe im Stadtrat keine Mehrheit gefunden. Oberbürgermeister Martin Papke (CDU) habe sich dagegen ausgesprochen, eine solch komplexe Angelegenheit auf eine einfache Ja/Nein-Frage zu reduzieren. Sein Stellvertreter, der Jurist Steve Mämecke, habe zudem die Rechtslage ins Feld geführt: Laut Kommunalverfassungsgesetz des Landes sei ein Bürgerbegehren über die Aufstellung von Bauplänen unzulässig.
Gewerbegebiet an A9/B91: Bauernverband forderte intensive Prüfung
Der Bauernverband Burgenlandkreis und betroffene Landwirte kritisieren den Entzug einiger Hundert Hektar besten Ackerlandes scharf. Sie zweifeln zudem am Erfolg des Industrie- und Gewerbegebietes, in dem die Befürworter ein Leuchtturmprojekt des geförderten Strukturwandels in Sachsen-Anhalt sehen.
Vor dem Hintergrund des regionalen Bevölkerungs- und Fachkräfterückganges sollten bestehende Strukturen verbessert werden, statt wenig zielgerichtet neue Gewerbegebiete zu schaffen, sagte Verbandsgeschäftsführerin Tina Eulau. Ihr zufolge seien alternative Vorhaben für das Gewerbegebiet an der A9/B91 nicht geprüft worden. Das sei auch nicht geplant, weil die Strukturwandel-Gelder schnell ausgegeben werden sollen. Der Verband fordert eine intensive Prüfung, um einen sinnvollen Weg zu finden, wie die Mittel besser genutzt werden können.
Massive Flächenversiegelung bedroht Landwirtschaft im Burgenlandkreis
„Was wir nicht brauchen, sind weitere Gewerbegebiete, die 20 Jahre lang leer stehen – aber die Flächen wurden schon mal gesichert“, erklärte Eulau. Um Weißenfels seien weitere Vorhaben auf dem Tisch, bei denen die regionale Landwirtschaft Flächen verlieren soll, etwa die Ortsumgehung Weißenfels, eine Bahnlinie zum Gewerbegebiet, eine Wasserstoffpipeline und die Stromtrasse SüdOstLink. Den landwirtschaftlichen Betrieben werde fortschreitend die Arbeitsgrundlage entzogen.
Acker statt Asphalt: Landwirte kämpfen um Erhalt wertvoller Flächen
Die Osterland Landwirtschafts GmbH Teuchern und der Kreisbauernverband luden daher am 6. November zu einem Pressegespräch an betroffenen Flächen ein, um eine offene Diskussion zu fordern. Die Machbarkeitsstudie für das Gewerbegebiet ist bereits abgeschlossen.
Geht es nach den Plänen des interkommunalen Gewerbegebietes, sollen dann auf dem Feld, an dem der Vor-Ort-Termin stattfand und auf dem bis vor kurzem noch Zuckerrüben standen, in ein paar Jahren keine Landwirte mehr wirtschaften, sondern Betondecken liegen.
Kreislaufwirtschaft in Gefahr: Flächenverlust bedroht Betriebsablauf
Besonders betroffen von der Flächenversiegelung wäre die Osterland Landwirtschafts GmbH. Geschäftsführer Arnd Helm erklärt, dass nicht nur die Ernte vom Acker abhängt: „Wir haben in unserem Betrieb einen komplexen und weitgehend geschlossenen Kreislauf mit Acker, Grünland und Tierhaltung. Wenn in dieser Rechnung allein für unseren Betrieb 160 ha Fläche wegfallen, geht die Rechnung nicht mehr auf. Das Gewerbegebiet hätte für uns die direkte Folge, dass wir mittelfristig Arbeitsplätze abbauen müssten.“
Jens-Uwe Kraft, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Burgenlandkreis e.V., ist verärgert über den Umgang mit der Kritik der Landwirte: „Das geplante Gewerbegebiet wird als großer Gewinn dargestellt, aber wo sollen die Arbeitskräfte herkommen? Wir fordern eine ergebnisoffene Diskussion. Aber die scheint von den Entscheidungsträgern nicht gewollt zu sein“.
Landwirte plädieren für Nutzung bestehender Flächen
Der Kreisbauernverband Burgenlandkreis e.V. und der Bauernverband Sachsen-Anhalt e.V. haben darüber hinaus Kritik an der maßgeblichen Machbarkeitsstudie zum geplanten interkommunalen Gewerbegebiet an der A9/B91. Offen sind unter anderem Fragen der Entwässerung und des Landesentwicklungsplanes. Darüber hinaus sind im weiteren Umfeld zahlreiche Industriebrachen und leerstehende Gewerbeflächen bekannt, die aus Sicht des Berufsstandes besser geeignet wären, entsprechend entwickelt zu werden.
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