Agrarsoziale Gesellschaft tagt in Leipzig

Regionale Produkte im Fokus: So gelingt die Transformation der Agrarwirtschaft

Beispiele regionaler Wertschöpfung lernten die Teilnehmer der Frühjahrstagung der Agrarsozialen Gesellschaft bei einer Exkusion kennen, die unter anderem in den "Gläsernen Kuhstall" der Agrarprodukte eG Kitzen führte. (c) ASG e. V.
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Experten und Praktiker diskutierten auf der Frühjahrstagung der Agrarsozialen Gesellschaft in Leipzig Strategien zur Stärkung regionaler Produkte und Wertschöpfungsketten. Von Bio-Förderung bis zur Bewahrung lokaler Strukturen – lesen Sie, über welche Herausforderungen und Chancen die Teilnehmenden sprachen.

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Regionale Wertschöpfung und Wege, sie zu stärken, waren das bestimmende Thema der Frühjahrstagung, zu der die Agrarsoziale Gesellschaft (ASG) in diesem Jahr in die Leipziger Baumwollspinnerei eingeladen hatte. Die Teilnehmer, die aus ganz Deutschland in die sächsische Messestadt gekommen waren, erlebten Vorträge, die sich verschiedenen Aspekten der Thematik widmeten, und besichtigten am zweiten Tag des Treffens bei Exkursionen verschiedene Standorte der Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung regionaler Produkte im Großraum Leipzig. Dazu zählten die Solidarische Landwirtschaft KoLa Leipzig eG, die Köhra Frische GmbH und die Agrarprodukte Kitzen eG sowie die Lerchenbergmühle Jesewitz und das Landgut Nemt.

Regionalität zu stärken, genoss in den vergangenen Jahren einen hohen Stellenwert im Freistaat Sachsen. Darauf machte Daniel Gellner, Abteilungsleiter Landwirtschaft im sächsischen Agrarministerium und Vorstandsmitglied der ASG, in seinem Grußwort aufmerksam. Der Umstand, dass im Freistaat inzwischen viele der entsprechenden Ansätze den notwendigen Haushaltskürzungen zum Opfer fallen sollen, blieb dabei indes unerwähnt.

Regionale Wertschöpfung als „Hebel für die Transformation“

Dass die Förderung regionaler Wertschöpfungsketten mitunter auch der Durchsetzung weiterreichender politischer Ziele dienen soll, wurde im Vortrag von Dr. Charis Braun vom Beratungsunternehmen zwischen_feld deutlich. Der Ansatz sei ein zentraler Hebel, um die Transformation hin zu einem nachhaltigeren Agrar- und Ernährungssystem anzustoßen.

Hier zählten Teilziele wie die Ausweitung des Ökolandbaus und des Anteils von Bio-Lebensmitteln in der Außer-Haus-Verpflegung, aber auch beispielsweise die Moorwiedervernässung und das Tierwohl. In dem notwendigen Transformationsprozess, der auch auf Widerstand und Sorgen stoßen könne, sei die Rolle der Beratung zentral. Die bereitstehenden Beratungsstrukturen benötigten indes langfristige Perspektiven und eine gesicherte Finanzierung.

Förderangebote für regionale Wertschöpfung häufig auf Bio beschränkt

Fördermöglichkeiten für den Aufbau bio-regionaler Ansätze stellte Julia Hochscheid vom Bundesprogramm Ökologischer Landbau (BÖL) vor. Ein zentrales Instrument sei hierbei die Richtlinie zur Förderung von Biowertschöpfungsketten (RIWERT), die finanzielle Unterstützung für Initialveranstaltungen und die Einrichtung von Koordinationsstellen bietet, um Partnerschaften entlang der Wertschöpfungskette aufzubauen und die Vermarktung heimischer Bioprodukte zu stärken. Kritisch angemerkt wurde aus dem Auditorium, dass sich die Förderung regionaler Wertschöpfung nicht nur auf Bio beschränken, sondern auch die konventionelle Erzeugung stärker einbeziehen sollte.

Regionale Versorgungsstrukturen verzeichnen dramatischen Rückgang

Eine besorgniserregende Situation bezüglich regionaler Versorgungsstrukturen konstatierte Nicole Nefzger vom Bundesverband der Regionalbewegung. Bäcker, Fleischer, kleine Mühlen und Schlachthöfe „sterben uns alle weg“, warnte sie. Dies sei kein Gefühl, sondern durch Zahlen belegbar. Sich verschlechternde Wirtschaftlichkeit, aber auch Fachkräftemangel und strukturelle Probleme seien die Ursache. Neben ihrer Versorgungsfunktion hätten die wegbrechenden regionalen Strukturen jedoch auch gesamtgesellschaftliche Aufgaben, sodass es geradezu geboten sei, ihrem Verlust entgegenzuwirken. 

Die Akteure vor Ort bräuchten Unterstützung, um bestehende Strukturen zu erhalten und neue zu entwickeln.  Dazu gehöre auch, re­gionale Wertschöpfung stärker als bisher als Ziel von Förderung zu verankern. Zudem müsse das Thema größer gedacht werden. Es gehöre nicht nur zur Aufgabe des Landwirtschafts-, sondern auch des Wirtschafts-, Bau- und Gesundheitsministeriums.

Menschen auf einer Freifläche mit Gewächshäusern im Hintergrund informieren sich über regionale Wertschöpfung
Solidarische Landwirtschaft im großen Maßstab betreibt die KoLa Leipzig, die ebenfalls Station einer Exkursion der Frühjahrstagung war. (c) ASG e. V.

Auch Nicole Nefzger betonte die Rolle der Beratung. Um Wertschöpfungsketten zum Laufen zu bringen, bedürfe es besonderer Manager, die entsprechend ausgebildet sein sollten. Zudem sei ein langfristiger Förderrahmen nötig, damit erfolgversprechende Projekte nicht bereits nach wenigen Jahren wieder enden.

Gemeinschaftsverpflegung: Hürden und Chancen für Bio-Regionalität

Dass Regionalität dennoch Wachstumschancen hat, verdeutlichte Prof. Linda Chalupnovà von der Hochschule Fulda. Denn Nachhaltigkeitsthemen wie Bio und Regionalität spielten eine wachsende Rolle in der Außer-Haus-Verpflegung. Dies liege zum einen an den Kunden, die zunehmend entsprechende Wünsche artikulieren, zum anderen würden auch die gesetzlichen Anforderungen wachsen oder bestimmte Standards beispielsweise in Ausschreibungen öffentlicher Kantinen vorausgesetzt.

Allerdings ergäben sich hierbei auch ein Spannungsfeld durch wirtschaftliche Erwägungen, Konsumzurückhaltung, aber auch Fragen wie die Verfügbarkeit regionaler Waren, so die Professorin für Nachhaltigkeitswissenschaften. Dennoch suchten Betriebe in der Gemeinschaftsverpflegung jetzt Partner. Für Erzeuger und Verarbeiter sei es der richtige Zeitpunkt, sich als bioregionaler Anbieter zu positionieren. Um die Akzeptanz der Gäste zu erhöhen, sei es ratsam, über Herkunft und Vorteile regionaler Erzeugnisse aufzuklären und hierbei idealerweise auf das Format des Storytellings zurückzugreifen.

Unterstützungsleistungen für regionale Wertschöpfung

Mit welchen Leistungen die Sächsische Agentur für regionale Lebensmittel AgiL in den vergangenen Jahren den Aufbau von Wertschöpfungsketten unterstützt hat, stellte deren Teamleiterin Heike Delling vor. AgiL hilft dabei, passende Geschäftspartner zusammenzubringen, berät zu fachlichen Fragen wie Produktkennzeichnung, Marketing und Förderung und begleitet Prozesse. 

Praxisbeispiele für die Schaffung regionaler Wertschöpfungsketten aus der Region Leipzig wurden zum Abschluss in kurzen Pitches vorgestellt, unter anderem von Matthias Schneider (DenkwerkstattFood), der über die Bemühungen des Projektes „Zukunftsmarkt Regional“ berichtete. Das Vorhaben zielt insbesondere darauf ab, die strukturbestimmenden großen Agrarbetriebe stärker in regionale Vermarktung einzubinden.   

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