Bundesrat: Keine Einigung über Kastenstand

Große Überraschung im Bundesrat: Die Entscheidung über den Kastenstand in der Sauenhaltung und andere Tierschutzauflagen wurde noch am Morgen von der Tagesordnung abgesetzt. Nun könnte Mitte März ein Beschluss gefasst werden – sofern sich Bund und Länder bis dahin einigen.

Von Ralf Stephan

Über die Neufassung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung hat der Bundesrat wider Erwarten nun doch nicht auf seiner Sitzung am 14. Februar entschieden. Nach Informationen der Bauernzeitung wurde der Punkt am Morgen unmittelbar vor Beginn der Sitzung in der traditionellen „Chefrunde“ als noch nicht entscheidungsreif bewertet. Daraufhin wurde er von der Tagesordnung genommen.

Landwirte und Branchenvertreter demonstrieren am 14. Februar 2020 vor dem Bundesrat in Berlin für die Schweinehaltung in Deutschland. (c) Video: Sabine Rübensaat

Ein Wust von Änderungsanträgen

Offenbar versuchten Bund und Länder auch am Vorabend noch einmal, einen mehrheitsfähigen Kompromiss zu erarbeiten. Das hatte sich schon in den Wochen zuvor als nahezu unmöglich erwiesen. Denn der Agrarausschuss des Bundesrates legte mehr als 20 Änderungsanträge zum Verordnungsentwurf der Bundesregierung vor. Ein Teil davon hatte keinerlei Bezug zur Schweinehaltung. Die aber weist nach dem Magdeburger Urteil von 2015 zum Kastenstand den drängendsten Entscheidungsbedarf auf. So wollten einige Länder bei dieser Gelegenheit auch die ganzjährige Anbindehaltung von Rindern verbieten, die Haltung von Kälbern auf Gummimatten vorschreiben und Vorgaben für die Haltung von Junghennen, Elterntieren von Legehennen und Masthühnern erlassen.

Junge Tierhalter aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein fürchten um den Fortbestand der bäuerlichen Tierhaltung. Sie demonstrierten vor dem Bundesrat in Berlin. (c) Sabine Rübensaat
Junge Tierhalter aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein fürchten um den Fortbestand der bäuerlichen Tierhaltung. Sie demonstrierten vor dem Bundesrat in Berlin. (c) Sabine Rübensaat

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) hatte daraufhin angekündigt, die neue Verordnung nicht umzusetzen, wenn damit für die Tierhaltung nicht zumutbare Belastungen verbunden wären. Ein tragfähiger Kompromiss wurde jedoch offenkundig nicht gefunden. Frühestens auf seiner Sitzung am 13. März kann sich der Bundesrat nun wieder mit der Verordnung befassen. Voraussetzung ist jedoch, dass sich die Länder mit dem Bund bis dahin über die strittigen Punkte einig werden.

Denn die Länderkammer kann den Verordnungsentwurf nicht an den Bund zurückverweisen, damit er dort nachgearbeitet wird. Anders als bei umstrittenen Gesetzentwürfen ist bei Verordnungen auch kein Vermittlungsausschuss vorgesehen. Das letzte Wort hat in diesem Fall also der Bund: Wenn die Bundeslandwirtschaftsministerin in Änderungen, die der Bundesrat mit Mehrheit beschließen sollte, sogenannte Verkündungshindernisse erkennt, kann sie darauf verzichten, die Verordnung in Kraft zu setzen.

Spekulieren auf die nächste Bundesregierung?

Beobachter in Berlin vermuten, dass es neben dem fehlenden Kompromiss einen weiteren Grund für die Verschiebung gibt. Offenbar kursieren bereits Spekulationen über Neuwahlen auf Bundesebene. Von ihnen erhoffen sich besonders die Grünen eine Regierungsbeteiligung. Wie die Änderungsanträge aus Ländern, in denen die Grünen mitregieren, erkennen lassen, gehen deren Pläne für den Tierschutz in der Nutztierhaltung weit über das hinaus, was die Bundesregierung jetzt vorgeschlagen hat.  

Auch Tierschützer protestierten. Ihnen geht der Verordnungsentwurf nicht weit genug. (c) Sabine Rübensaat
Auch Tierschützer protestierten. Ihnen geht der Verordnungsentwurf nicht weit genug. (c) Sabine Rübensaat

Zwischenzeitlich hatte es noch gehießen, dass sich bei der Neuregelung der Kastenstandhaltung von Sauen ein Kompromiss abzeichne. Demnach hätten die Änderungswünsche der Länder aus dem Agrarausschuss im Plenum des Bundesrates keine Mehrheit erhalten. Im Gegenzug sollte die vom Bund vorgesehene Übergangsfrist gesenkt werden, meldete der Pressedienst Agra-Europe (AgE) unter Berufung auf eine Mitte der Woche durchgeführte Probeabstimmung. Danach aber hätten sich die Fronten zwischen den Ländern mit grüner Regierungsbeteiligung und jenen mit unionsgeführten Agrarressorts wie Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bayern offenbar wieder verhärtet.

Reaktionen von Bauern und Tierschützern

Vor Beginn der Bundesratssitzung hatten einige Dutzend Tierschützer und Landwirte gegen die Pläne demonstriert. Tierschützer laufen seit Tagen gegen die Pläne des Bundeslandwirtschaftsministerium Sturm. Sie fordern einen sofortigen Ausstieg aus der Kastenstandhaltung. Landwirte halten schon die vorgelegte Neuregelung für inakzeptabel, weil wirtschaftlich nicht tragbar. Nachdem die Vertagung des Themas bekannt wurde, kritisierten junge Schweinehalter vor Ort gegenüber der Bauernzeitung, dass die Rechtsunsicherheit für Sauenhalter nun weiter fort bestehe.

Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), sieht in der Verschiebung die Chance, doch noch Lösungen mit Perspektive für die Schweinehaltung zu erarbeiten. „Mit dieser widersprüchlichen und unausgegorenen Antragslage konnte keiner arbeiten, am allerwenigsten die Landwirtschaft“, erklärte Krüsken. Jetzt komme es darauf an, die Änderung der Verordnung auf die drängenden Bereiche zu konzentrieren: Kastenstände im Deckzentrum mit angemessenen Übergangsfristen sowie Abferkelbuchten im Neubau. Die Länder müssten nun schnell für Rechtssicherheit und tragfähige Entscheidungen sorgen, mit denen die Sauenhalter im Wettbewerb bestehen könnten.

Auch der Deutsche Tierschutzbund äußerte sich zufrieden, wenn auch aus anderen Beweggründen. „Der Angriff von Bundesministerin Julia Klöckner auf die Sau konnte vorerst abgewendet werden“, so Verbandspräsident Thomas Schröder. Damit meinte er das Vorhaben, „die tierschutzwidrige Haltung von Sauen im Kastenstand weitere 15 Jahre zu verlängern“.