Kleine Wahlhilfe für Brandenburger Landwirte
Welche agrarpolitischen Ziele wollen die Parteien im 8. Landtag verfolgen? Wir haben die Wahlprogramme der bisher im Landtag vertretenen Parteien durchgesehen. Zusätzlich lesen Sie, was das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und die Partei Deutsch-Land-Wirtschaft (DLW) zur Landwirtschaft zu sagen haben.
Von Heike Mildner
Bis Sonntag, den 22. September, kämpfen 134 Frauen und 248 Männer in 44 Wahlkreisen um die Gunst der rund 2,1 Millionen Wahlberechtigten in Brandenburg. Mindestens 88, höchstens 110 von ihnen werden im 8. Landtag die Politik bis 2029 gestalten. 14 Landeslisten – maßgeblich für die Zusammensetzung des Landtages – stehen für die Zweitstimme zur Wahl. Daher haben wir die wichtigsten agrarpolitischen Aussagen der bisher im Landtag vertretenen Parteien (SPD, CDU, Grüne in Regierungsverantwortung, AfD, Linke, BVB/Freie Wähler in der Opposition) zusammengetragen. Sie werden ergänzt um die Aussagen vom Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit (BSW), das bei der Europawahl in Brandenburg mit 13,8 % überraschte, und die Aussagen der jüngst von Landwirten gegründeten Partei Deutsch-Land-Wirtschaft (DLW).
Insgesamt stehen 14 Landeslisten zur Wahl
Insgesamt treten 14 Parteien, politische Vereinigungen und Listenvereinigungen zur Landtagswahl in Brandenburg an. In dieser Reihenfolge werden sie auf den Stimmzetteln stehen:
- Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)
- Alternative für Deutschland (AfD)
- Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU)
- Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)
- Die Linke
- Brandenburger Vereinigte Bürgerbewegungen/Freie Wähler (BVB / Freie Wähler)
- Freie Demokratische Partei (FDP)
- Partei Mensch Unwelt Tierschutz (Tierschutzpartei)
- Plus Brandenburg (Plus)
- Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit (BSW)
- Der dritte Weg (III. Weg)
- Deutsche Kommunistische Partei (DKP)
- Deutsch Land Wirtschaft (DLW)
- WerteUnion (WU)
Die Reihenfolge richtet sich laut Information des Landeswahlleiters nach der Zahl der Zweitstimmen, die sie bei der Landtagswahl 2019 in Brandenburg erhalten haben. Die übrigen Landeslisten schließen sich in alphabetischer Reihenfolge der Langnamen der Wahlvorschlagsträger an.
Die Zukunft der Landwirtschaft spielt in allen Parteien eine Rolle
SPD, AfD und CDU nennen ihre Vorhabenpapiere selbstbewusst „Regierungsprogramm“, die anderen begnügen sich mit einem „Wahlprogramm“. Jedoch ist die Zukunft der Landwirtschaft in all diesen Schriften präsent. Sieht man sich die Programme zur Landtagswahl in Brandenburg der bisher in der Regierung vertretenen Parteien an, wird die Schere zwischen Ideal und Wirklichkeit besonders deutlich. Hätten sich die Vorstellungen von SPD, Grünen und CDU in ihrer „Reinform“ durchgesetzt, sähe die Brandenburger Landwirtschaft anders aus.
SPD: „Verlässliche Rahmenbedingungen und weniger Bürokratie“
Die SPD wolle „auch in Zukunft eine Landwirtschaft, die im Einklang mit der Natur und der Umwelt steht“ und anerkennt, was Landwirte seit Jahren fordern: „verlässliche Rahmenbedingungen und weniger Bürokratieaufwand“. Es gelte, die gewachsene, vielfältige Agrarstruktur zu erhalten, die Flurneuordnung weiter zu entwickeln und sich in Bezug auf die nächste GAP-Förderperiode für Brandenburger Landwirte einzusetzen. „Die Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete werden wir beibehalten.“
Außerdem werde die SPD „die Zuständigkeit für die Lebensmittelwirtschaft stärker bündeln“ und sich dafür stark machen, dass „die Potenziale für eine regionale Lebensmittelkette besser genutzt werden“ und die Tierzahlen wieder steigen, Schwerpunkt: Weidetierhaltung. Man werde „die Prävention gegen Tierkrankheiten und Seuchen verstärken“, „eine intensive Pflanzenzucht und die Nutzung der wissenschaftlichen Kompetenz der in Brandenburg angesiedelten Institute“ befördern und beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln „einen einheitlichen Rahmen in Europa statt national abweichender Regelungen“ anstreben.
AfD: „Renationalisierung der Agrarpolitik“
Da die GAP „nicht die Lösung, sondern das eigentliche Problem“ sei, setzt sich die AfD langfristig für eine „Renationalisierung der Agrarpolitik“ ein. Sie bekennt sich agrarpolitisch zu einem marktwirtschaftlichen Ansatz, sieht eine „stabilisierende Agrarförderung … jedoch unerlässlich, solange für Importe nicht die gleichen hohen Standards und Wettbewerbsbedingungen gelten, wie für die im eigenen Land produzierten Waren.“ Die Ernährungssouveränität soll auf Grundlage einer regionalen Lebensmittelproduktion gestärkt werden, besonders bei Obst und Gemüse. Agrarbetriebe, die die Lebensmittelversorgung in den Mittelpunkt stellen, sollen u. a. durch ein Agrarstrukturgesetz gefördert werden, das „ortsansässigen Landwirten, die einen Betrieb erhalten oder erweitern wollen, einen Investitionsvorrang einräumt“. Flächen über zwei Hektar werden nur noch an natürliche und juristische Personen mit deutschem Wohn- oder Geschäftssitz verkauft.
Die Wirtschaftsförderung solle lokale Erzeuger- und Vermarktungsstrukturen für traditionelle und regionale landwirtschaftliche Produkte unterstützen.
CDU: Ressourceneffizienz durch digitale Technologien
Die CDU setzt auf Ressourceneffizienz und Ertragssteigerung durch digitale Technologien. Sie will „die staatliche Förderung der Ernährungsversorgung“ in der Landesverfassung verankern und Junglandwirte unterstützen. Zudem will sie sich auf EU-Ebene für die heimische Landwirtschaft stark machen, Smart-Farming „mehr Gewicht einräumen und praxisnah begleiten“.
Die „universitäre Forschung in Kooperation mit Landwirten“ will die CDU fördern und dafür sorgen, dass „Investitionen über den gesamten Abschreibungszeitraum unangetastet bleiben“. Tierhaltung und „Verarbeitungsbetriebe der tierischen Wertschöpfungskette“ sollen auf jetzigem Stand erhalten und bei Bedarf ausgeweitet, die regionale Vermarktung gestärkt werden.
Bio-Quoten bei Lebensmitteln lehnt die CDU ab. Milchviehbetriebe will sie als „energieintensiv“ anerkennen und die Beweislastumkehr in puncto guter fachlicher Praxis „entschieden zurückdrängen“. Es sollen keine weiteren Naturschutzgebiete ausgewiesen und „Genehmigungsverfahren zur Gefahrenabwehr auch in Schutzgebietskulissen (PSM-Einsatz, Frostberegnung etc.) vereinfacht werden.
Grüne: Pestizidreduktionsstrategie und Insektenschutzprogramm
Die Grünen wollen mit einem Insektenschutzgesetz sichern, dass in Naturschutz- und FFH-Gebieten keine „Pestizide“ mehr verwendet werden. Pestizidreduktionsstrategie und Insektenschutzprogramm sind dafür Mittel der Wahl.
Die Verpachtung landeseigener Flächen soll nach ökologischen Kriterien erfolgen. „Ökolandbau ist und bleibt unser Leitbild.“ Ziel sind 30 % der Fläche bis 2030. Förderung und Beratung sollen ausgebaut, die Forschung vorangetrieben werden.
Die GAP soll sich künftig noch mehr am Gemeinwohl orientieren, Klima-, Ressourcen- und Biodiversität schützen. Kompostwirtschaft als Alternative zum Einsatz mineralischer Industriedünger soll gefördert werden.
Bei der beruflichen Ausbildung will man Klimawandel, Natur- und Tierschutz stärken. Junglandwirte und der Erhalt alter Sorten sollen gefördert werden.
Am Agrarstrukturgesetz inklusive Gründung einer Siedlungsgesellschaft des Landes halten die Grünen fest. Krisenfeste Wertschöpfungsketten sollen weiter auf- und ausgebaut, Förderbedingungen für Agroforst verbessert, der Tierschutzplan gestärkt werden.
Die Linke: Kein Boden an „nichtlandwirtschaftliche Spekulanten“
Das bei abgeordnetenwatch.de verlinkte Wahlprogramm der Linken zur Landtagswahl in Brandenburg ist nur sieben Seiten stark. Es enthält zum Agrarsektor nur eine „Bodenpreisbremse sowie ein Verbot des Verkaufs an nichtlandwirtschaftliche Spekulanten“. In den 148-seitigen „Fachinformationen“ steht weit mehr. So halten die Linken beispielsweise an der Arbeit am Agrarstrukturgesetz fest und wollen eine Brandenburgische Bodengesellschaft inklusive öffentlichen Bodenfonds einrichten. Der Tierschutzplan soll angepasst, die Seuchenprävention und die ökologische Landwirtschaft gestärkt werden.
Das Moorschutzprogramm will man „in Kooperation und mit Unterstützung der Landwirtschaft“ umsetzen. Ziel sei es, eine betriebswirtschaftlich attraktive Nutzung des größten Teils der vernässten Moorflächen zu gewährleisten.
Die Linke betont die Chancen des Nutzhanfanbaus für Brandenburg, regionale Verarbeitung und Vermarktung will sie fördern. Eine Enquete-Kommission zur Zukunft der Landwirtschaft soll beitragen, die Agrarpolitik im Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichen Anforderungen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen neu auszurichten.
BVB/Freie Wähler: Senkung der Mehrwertsteuer für regionale Lebensmittel
Die Freien Wähler wollen den Selbstversorgungsgrad mit Lebensmitteln aus heimischer Produktion erhöhen. Geeignete Maßnahmen seien u. a. die Senkung der Mehrwertsteuer für regionale Lebensmittel und eine eindeutige Herkunftskennzeichnung. Der Flächenverbrauch soll reduziert werden, ortsansässige Landwirte will man bei der Landvergabe unterstützen.
BVB/Freie Wähler plädieren für Risikovorsorge in Form von staatlichen Unterstützungsmaßnahmen bei nicht durch den Landwirt verschuldeten Ertrags- bzw. Einnahmeausfällen und eine steuerfreie Risikoausgleichsrücklage, für eine praxistaugliche Düngeverordnung, die Ausweisung von „roten Gebieten“ nach dem Verursacherprinzip und Unterstützung bei der Minimierung von Pflanzenschutzmitteln. „Patente auf gezüchtete Pflanzensorten, deren Samen oder auch Tiere lehnen wir ab.“
Artgerechte und regional verträgliche Haltung von landwirtschaftlichen Nutztieren soll gefördert, Wettbewerbsverzerrung eingeschränkt werden. „Lebensmittel, die in die EU importiert werden, müssen nach den gleichen Standards hergestellt werden, die wir von unseren heimischen Landwirtschaftsbetrieben verlangen.“
BSW: „Masterplan zur Stärkung der Tierhaltung“
Das BSW will die „Abhängigkeit unserer Bauern und Landwirte von Grundeigentümern, Großmolkereien und -schlachtereien und das Oligopol der Lebensmittelkonzerne aufbrechen“. Die Abhängigkeit vom Weltmarkt soll verringert, die Ernährungssicherheit durch regionale Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen gestärkt werden.
Beim Bürokratieabbau bezieht sich das BSW auf die „55 Vorschläge“ des Landesbauernverbandes. BVVG-Flächen sollen in Landeshoheit überführt und nur an ortsansässige Familienbetriebe und Agrargenossenschaften verpachtet werden. Boden soll nicht als Spekulationsgut für Investoren dienen.
Auch BSW will ein Agrarstrukturgesetz. „Wir bekennen uns zur flächendeckenden Landbewirtschaftung.“ Maßnahmen zum Humusaufbau, zum Schutz vor Starkregen, Hitze und Spätfrösten sollen unterstützt werden. Ein „Masterplan zur Stärkung der Tierhaltung“ soll dazu beitragen, viehhaltende Betriebe „deutlich besser“ zu unterstützen. Neustrukturierung von Verwaltungsprozessen soll Mehrfachdokumentationen reduzieren, Förderungen sollen praxisnäher erfolgen.
DLW: „Umsetzung des Landwirtschaftsgesetzes von 1955“
Wenn es schon eine Partei gibt, die von Landwirten gegründet wurde, dann schauen wir auch auf ihre agrarpolitische Agenda. Kern ihrer politischen Bemühungen sei die Umsetzung des Landwirtschaftsgesetzes von 1955: „Um der Landwirtschaft die Teilnahme an der fortschreitenden Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft und um der Bevölkerung die bestmögliche Versorgung mit Ernährungsgütern zu sichern, ist die Landwirtschaft mit den Mitteln der allgemeinen Wirtschafts- und Agrarpolitik – insbesondere der Handels-, Steuer-, Kredit- und Preispolitik – in den Stand zu setzen, die für sie bestehenden naturbedingten und wirtschaftlichen Nachteile gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen auszugleichen und ihre Produktivität zu steigern.“
Die DLW will regenerative Landwirtschaft und nachhaltige Landnutzung fördern. „Wir machen uns dafür stark, dass es sich finanziell und sozial wieder lohnt, Landwirt zu sein und dass Landwirte wieder Sinn in ihrer Arbeit sehen“.
Landtagswahl in Brandenburg: Vielleicht hilft der Wahl-O-Mat?
Die erste der 38 Aussagen, die man beim Wahl-O-Mat zur Landtagswahl in Brandenburg zustimmend, ablehnend oder neutral ankreuzen soll, lautet: „Ökologische Landwirtschaft: Brandenburg soll vorrangig ökologische Landwirtschaft fördern.“ Auch These 7: „Wiedervernässung trockengelegter Moore: „Die Wiedervernässung trockengelegter Moore in Brandenburg soll beschleunigt werden“ und These 25: „Brandenburg soll das Ziel verwerfen, klimaneutral zu werden“, streifen agrarpolitische Belange.
Interessant ist es in jedem Fall, sich durch die 38 Aussagen zu klicken. und wenn das auch nicht hilft: In Ausgabe 37 der Bauernzeitung stellen wir ihnen die Frauen und Männer vor, die bei der Landtagswahl in Brandenburg kandidieren und einen landwirtschaftlichen Hintergrund haben.
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