Bio oder konventionelle Landwirtschaft? Warum die Kluft immer kleiner wird
Öko-Feldtage 2025: Experten diskutieren Brückenbau zwischen Bio- und konventioneller Landwirtschaft sowie Erträge im Ökolandbau: Eine ehrliche Debatte über Grenzen und Potenziale.
Auf den diesjährigen Öko-Feldtagen 2025 auf dem Wassergut Canitz in Sachsen fand ein Forum unter dem Motto „Mit und über Bio ins Gespräch kommen“ statt, das unterschiedliche Perspektiven zusammenführte. Diskutiert wurde die Rolle des Ökolandbaus – seine Leistungen, aber auch Grenzen, Vorurteile und offene Flanken. Ein zentrales Thema war die Frage, wie ein ehrlicher Austausch zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft gelingen kann und wie die Landwirtschaft gemeinsam glaubwürdig nach außen kommuniziert werden kann, jenseits romantischer Klischees.
Tamira Zöller (BÖLW, Referentin für Tierhaltung), Prof. Dr. Reinhard Grandke (Unternehmensberater), Marie-Sophie von Schnehen (Bio-Bäuerin vom Hofgut Klein Schneen) und Benedikt Renz (Bio-Bauer) beleuchteten unter der Moderation von Karsten Bär (Bauernzeitung) verschiedene Aspekte.
Leistungen und Grenzen des ökologischen Landbaus
Ein wiederkehrender Diskussionspunkt war die angebliche Insektenschädlichkeit von Hacken und Striegeln im Ökolandbau, eine Behauptung, die kürzlich von einer Agrar-Influencerin aufgestellt wurde. Marie-Sophie von Schnehen widersprach vehement: „Wenn man auf den Bio-Acker geht, sieht man, wie groß der Lebensraum für Insekten ist.“ Studien würden belegen, dass der Biolandbau im Hinblick auf die Biodiversität besser abschneidet.
Ihr eigener Betrieb nahe Göttingen hat 2019 auf ökologischen Landbau umgestellt, setzt auf Direktvermarktung und baut Trockenheit angepasste Kulturen wie Quinoa, Kichererbse und Lupine an, um Blühelemente in die Fläche zu integrieren und so aktiv Lebensräume zu gestalten.
Prof. Dr. Reinhard Grandke war 18 Jahre lang Hauptgeschäftsführer und Vorstand der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG). Er ist selbst Nebenerwerbslandwirt und betonte in der Diskussion, die Notwendigkeit, dass der Ökolandbau „richtiges Geld in die Kasse werfen“ müsse und hier noch Optimierungsbedarf bestehe. Er sieht sich als Brückenbauer zwischen den Systemen und ist überzeugt, dass es keine Gegensätze mehr gibt, sondern es vielmehr darum geht, voneinander zu lernen. Dazu gehöre beispielsweise, wie Unkräuter durch Hacken und Striegeln reduziert werden können, was auch für konventionelle Betriebe relevant sei.
Die Schwächen des Ökolandbaus wurden ebenfalls offen angesprochen. Grandke nannte die Optimierung von Erträgen als eine Hauptschwäche. Benedikt Renz, der auch im Netzwerk Tierwohl aktiv ist, ergänzte, dass jedes System Schwächen habe, an deren Behebung man arbeiten müsse. Den Vorwurf, die Milchviehhaltung sei klimaschädlich, wies er zurück. Im Kreislauf könne die Kuh ein Teil der Lösung sein, insbesondere durch die Verfütterung von Reststoffen wie Zuckerrübenschnitzeln oder Sojapülpe, die für den Menschen nicht verwertbar sind.
Bio oder konventionelle Landwirtschaft: Tierwohl und innovative Ansätze
Tamira Zöller ist Referentin für Tierwirtschaft beim Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Sie widersprach entschieden der These, dass Hacken und Striegeln insektenschädigend seien. Zöller hob hervor, dass der Ökolandbau den Boden ganzheitlich betrachte, beispielsweise durch Zwischensaaten den Humusaufbau fördere und betonte die Innovationskraft des Ökolandbaus, von der auch konventionelle Betriebe profitieren könnten. Ein wichtiger Entwicklungsbereich sei die Schlachtung, da Verbraucher ein tierwürdiges Ende erwarten. Projekte wie der Weideschuss oder die mobile Schlachtung in Sachsen zeigen Möglichkeiten auf, stoßen aber oft an fehlende politische Rahmenbedingungen.
Bio-Bauer Benedikt Renz aus dem Allgäu unterstrich, dass man ständig im Wandel sein müsse und auch bei konventionellen Betrieben nicht alles schlecht sei, insbesondere wenn die Tiere gesund sind. Er forderte, dass der Ökolandbau jung und modern werden und nicht fundamentalistisch gesehen werden sollte. Messen wie die Öko-Feldtage seien ein guter Einstieg, um junge Betriebsleiter zu begeistern. Marie-Sophie von Schnehen ergänzte die Bedeutung des Kreislaufs im Zusammenschluss: Ihr Ackerbaubetrieb arbeitet mit einem Bioland-Milchviehhalter zusammen, der Kleegras erhält und im Gegenzug Dünger liefert.
Erträge und Gentechnik: Kontroverse Themen
Die Kritik geringerer Erträge im Ökolandbau, die oft mit der Frage „Kann man damit die Welt ernähren?“ verbunden ist, wurde ebenfalls diskutiert. Grandke räumte ein, dass man sich der Realität stellen müsse und der Markt nicht allein mit Weideschlachtung bedient werden könne. Er betonte, dass der Ökolandbau ohne Tier nicht möglich sei, um Kreislaufsysteme aufrechtzuerhalten. Er sieht die Diskussion um Kühe als obsolet an und argumentiert, dass es einen Markt für beide Systeme gebe, der sich je nach Personen und Standorten entwickle. Weltweit brauche man beide Ansätze.
Auch die Genschere und neue Gentechnik war ein strittiger Punkt. Tamira Zöller bekräftigte, dass Gentechnik und neue genomische Techniken nicht zum Ökolandbau passen. Benedikt Renz äußerte Bedenken bezüglich unabschätzbarer Folgen. Grandke, aus der Tierzucht kommend, sieht bei der Zucht hornloser Rinder Potenziale für mehr Tierwohl und plädiert dafür, Technologien neu zu bewerten, um Ziele wie den reduzierten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu erreichen. Eine offene Diskussion über Nutzen und Schaden sei unerlässlich.
Bio oder konventionelle Landwirtschaft: Annäherung der Systeme
Die Frage nach dem aktuellen Verhältnis zwischen ökologischer und konventioneller Landwirtschaft wurde von allen Podiumsteilnehmenden positiv beantwortet. Marie-Sophie von Schnehen sieht ein Voneinander-Lernen. Benedikt Renz sprach von einem Prozess, bei dem die Kluft kleiner werde. Tamira Zöller beobachtet viele Landwirtinnen, die sich auf den Weg machen, und betonte, dass extreme Wetterereignisse alle gleichermaßen betreffen und die Grenzen zwischen den Systemen fließend werden ließen. Es bringe nichts, Gräben zu vertiefen.
Grandke prognostizierte eine Angleichung der Systeme, auch getrieben vom Handel. Er wies darauf hin, dass die Preise nicht mehr gekoppelt seien und auch der Ökolandbau seine Systeme optimieren müsse. Verbraucher und Förderprogramme erwarten zunehmend nicht nur das Produkt, sondern auch den Prozess der Nachhaltigkeit.
Insgesamt zeigte das Forum, dass ein konstruktiver Dialog zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft nicht nur möglich, sondern auch notwendig ist, um die Herausforderungen der Zukunft gemeinsam zu meistern.

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