Die Salzpflanze aus der Unterfamilie Salicornia wächst vorwiegend an salzüberfluteten Küsten, aber auch im Binnenland. Nun soll sie hierzulande erstmals angebaut werden. (c) privat

Salzpflanzen anbauen: Salzig-würzig, knackig, grün

Das Kultivieren von Salzpflanzen wollen zwei Jungunternehmer hierzulande etablieren. Dieses ehrgeizige wie innovative Projekt ihrer Grow Up Salicornia GbR wird mit EU-Mitteln gefördert. Ein erster Anbauversuch startet jetzt.

Von Bettina Koch/IMG Sachsen-Anhalt

Pudersalz aus Bernburg, Sole aus Staßfurt, Rückstände aus dem Kalibergbau in Zielitz – im Umland der Landeshauptstadt Magdeburg finden Ken Dohrmann und Julian Engelmann jene Ressourcen, die sie für den Anbau von Queller benötigen.

Die Salzpflanze aus der Unterfamilie Salicornia wächst vorwiegend an salzüberfluteten Küsten, aber auch im Binnenland. Nun soll sie hierzulande erstmals angebaut werden und das Konzept als Vorbild für weitere Standorte dienen.

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Salzpflanzen anbauen mit Förderung

Der Agrarwissenschaftler Dohrmann und der studierte Geologe Engelmann gründeten die Grow Up Salicornia GbR mit Sitz in Magdeburg, bauten in Burg ein Gewächshaus für ihre Anbauversuche um und holten sich Partner an ihre Seite, die Veredelungs- und Vermarktungsmöglichkeiten untersuchen.

Gefördert wird das Innovationsprojekt „Salzpflanzen aus Sachsen-Anhalt“ über das Programm EIP-agri aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (Eler; 90 % EU, 10 % Land) (Bauernzeitung 32/2020, S. 14).

Am Ende soll ein umweltschonendes, wettbewerbsfähiges, multiplizierbares und ertragsstabiles Anbaukonzept für eine gesunde Delikatesse stehen. Grün, knackig, salzig-würzig.

Salzpflanzen Bei Gourmets geschätzt

In der gehobenen Gastronomie wird Salicornia, auch unter den Namen Queller bzw. Meeres- oder Seespargel bekannt, hoch geschätzt. Da die blattlose Sukkulente in ihren Stängeln in Wasser gelöstes Salz mit vielen Mineralstoffen einlagert, bereichern ihre von Hand geschnittenen frischen Spitzen Menüs als knackig-würzige Rohkost oder blanchiertes Gemüse. Getrockneter und gemahlener Salicornia bietet als Kräutersalz eine geschmacksintensive und nebenbei blutdruckregulierende Alternative zum Kochsalz.

Der Natriumgehalt ist gering, stattdessen ist Queller reich an Kalium, Magnesium, Kalzium und Jod. Er enthält zudem Ballaststoffe, Vitamine und essenzielle Aminosäuren. So könnte getrockneter, vermahlener Salicornia auch für Bäcker oder Hersteller von Chips oder Fertigmenüs interessant sein.

Die Salzpflanze gedeiht insbesondere in Küstenregionen und ist zum Beispiel in Israel, an der französischen Atlantikküste und der niederländischen Nordseeküste als Nahrungsmittel und Heilkraut bekannt. In Sachsen-Anhalt wachsen Salzpflanzen wie Salicornia und See-Aster auf den Salzstellen bei Sülldorf.

In dem Naturschutzgebiet im Bördekreis verwandeln Salzwasser-Quellen die bis dahin Süßwasser führende Sülze in einen salzhaltigen Bach und schaffen Raum für eine reichhaltige Salzpflanzenwelt. „Das zeigt uns, dass die Sukkulente in dieser Region gut zurechtkommt, wenn sie auf salzhaltigem Boden steht oder mit Salzwasser bewässert wird“, sagt Ken Dohrmann. „Hierzulande gibt es mit bisher ungenutzten Nebenprodukten aus dem Kali- und Steinsalzbergbau oder mit Solequellen mehrere Möglichkeiten, den Pflanzen kostengünstig Salzwasser zur Verfügung zu stellen“, fügt Julian Engelmann hinzu.

Salzwiesen (c) IMAGO / Zoonar

Gärtnerei als „Labor“

In ihren Anbauversuchen wollen die beiden Jungunternehmer, deren Kompetenzen sich perfekt im gemeinsamen Projekt verbinden, alle drei Salzquellen und deren Einflüsse auf Ertrag und Qualität des Salicornia testen. In Burg im Landkreis Jerichower Land fanden sie dafür ein geeignetes Objekt: Eine Gärtnerei mit 1.500 m2 Gewächshausfläche war gerade mangels Nachfolger geschlossen worden.

Die Jungunternehmer konnten die Anlage pachten. Dann wurde entkernt und umgebaut: „In der alten Gärtnerei wurden Beet- und Balkonpflanzen in Töpfen angezogen, die auf Tischen standen. Wir benötigen jedoch stabile Beete auf dem Boden, die wir mit Kultursubstrat füllen können. Die Heizung war ineffizient, Rohre waren verrostet und ein neues effizientes Bewässerungssystem musste installiert werden“, sagt Julian Engelmann.

Vorversuche mit Saatgut

In Vorversuchen hat das Unternehmer-Duo im vorigen Jahr die Keimfähigkeit des aus den Niederlanden importierten Saatgutes, die optimale Ablagehöhe des Korns im Boden sowie Substrate verschiedener Anbieter getestet. Auf dieser Grundlage wird 2021 feinjustiert. Der Anbau im Burger Gewächshaus soll Anfang März starten, Mitte Mai soll der erste Schnitt geerntet werden, kündigt Ken Dohrmann an: „Unter anderem testen wir unterschiedliche Aussaatzeitpunkte und Saatstärken sowie unterschiedliche Salzgehalte des Substrats. Wir wollen herausfinden, unter welchen Bedingungen welche Erträge möglich sind, wie oft geerntet werden kann, wie das Verholzen der Sprossachsen voranschreitet und wie sich die jeweilige Versuchsanordnung auf Geschmack und Inhaltsstoffe auswirkt.“

Parallel dazu befassen sich die Jungunternehmer mit der Frage, wie der Salicornia-Anbau sinnvoll mechanisiert werden kann. Sie wollen Technik aus dem Gartenbau ausprobieren, anpassen und weiterentwickeln. Der Landwirt und der Geologe wollen den Anbau im Gewächshaus so perfektionieren, dass er wettbewerbsfähiger Teil eines Gartenbaubetriebes sein kann, eine Nische, die stabile Erträge mit hoher Qualität sowie stabile Einkommen ermöglicht.

Video: Salzpflanzen anbauen – Salicornia & Salifaktur

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Breite Unterstützung für Salzpflanzen

Mit externem Know-how wird das Eler-Förderprojekt, das im Juni 2023 endet, von Dr. Joost Bogemans (Serra Maris bvba, Belgien) unterstützt. Der Salzpflanzenexperte hat im Bereich der landwirtschaftlichen Nutzung Pionierarbeit geleistet und z. B. Phänotypen des Salicornia selektiert, die sich durch besonders gute Erträge und Qualitäten auszeichnen.

Unterstützung beim Thema Veredelung kommt von der Arbeitsgruppe Lebensmittel- und Ernährungsforschung der Hochschule Anhalt in Bernburg. Sie untersucht die speziellen Eigenschaften der Salzpflanze und deren Einsatzmöglichkeiten in verschiedenen Produktgruppen. Am Lehrstuhl für Marketing der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg wird u. a. betrachtet, wer sich für die Produkte interessiert, wo diese potenziellen Kunden einkaufen und was ihre Kaufentscheidung beeinflusst. Und an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg werden die Gehalte der Pflanzen an verschiedenen Inhaltsstoffen, etwa Vitaminen, untersucht.

„Wir wollen die ersten regionalen Salicornia-Anbauer sein und Landwirte dazu anregen, sich stärker mit bisher ungenutzten Ressourcen, mit regionalen Wirtschaftskreisläufen und Nischenprodukten zu beschäftigen“, sagt Ken Dohrmann. Auch See-Aster und Eiskraut könnten für die regionale und saisonale Gastronomie interessant sein. „Wir werden das ausprobieren.“


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