Die Besucherzahlen sind leicht rückläufig – und dennoch ist die Agritechnica in Hannover eine Reise wert. Vor allem weil die Messe mehr denn je die Themen High-Tech und Umweltschutz zusammenbringt.
Von Jörg Möbius
Zur Agritechnica 2019 sind die Messehallen in Hannover wieder ausgebucht. Die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft DLG als Veranstalter rechnet mit etwas weniger Besuchern als vor zwei Jahren. Ein Trend, der vermutlich anhalten wird. Dafür haben die anreisenden Messebesucher tendenziell mehr Hektar „im Rucksack“. Der Umsatz, den Landwirte aus Deutschland in den nächsten Monaten bei ihren Landmaschinenhändlern machen werden, hängt von der allgemeinen wirtschaftlichen Lage und speziell von den Preisen für Getreide & Co. ab. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) rechnet deshalb mit einer Abkühlung, aber keinem Weltuntergang.
Mehr denn je bringt die diesjährige Agritechnica die Themen Umweltschutz und High-Tech zusammen. Zu diesen Trends finden Sie sowohl thematische Veranstaltungen als auch spezielle Messestände des Veranstalters, von Firmen und Verbänden sowie ausländischen Vertretungen.
Bei Agrarsoftware, speziell bei Farm-Managementsystemen, und beim Datenaustausch gibt es natürlich Neuheiten und weitere Anbieter, aber auch bemerkenswerte Ansätze zur Zusammenarbeit. So die offene Plattform Nevonex von Bosch, entwickelt in Zusammenarbeit mit acht landwirtschaftlichen Unternehmen und Dienstleistern. Hochinteressant ist die Zusammenarbeit von Claas und John Deere für einen gegenseitigen Zugang der Landwirte zu ihren Daten in den Systemen der beiden großen Anbieter.
Kurz vor der Messe gaben John Deere und zwei deutsche Precision-Farming-Spezialisten – Agricon und Reichardt – ihre jeweilige Partnerschaft bekannt. Der große Konzern kann so Landwirten bei seinen Vertriebspartnern gute Anwendungen anbieten, die Spezialisten erreichen über dieses Vertriebsnetz neue Kunden. Auch ein anderer großer Konzern, Case-New Holland, bietet zukunftsträchtige Entwicklungen von Start-ups über sein Vertriebsnetz an. Dazu wurde die Gesellschaft AgExtend gegründet.
Ein wichtiges Thema, auch in der aktuellen Umweltdiskussion, ist der Kraftstoffverbrauch. Unter dem Motto „Mehr Ertrag, weniger CO2“ präsentiert der VDMA am 11. November auf der Agritechnica die Ergebnisse des Forschungsprojektes „Effiziente Kraftstoffnutzung in der Agrartechnik“. Letztendlich geht es aber nicht um den Dieselverbrauch der Maschinen, sondern um die Summe der CO2Emissionen je Tonne Weizen oder je Tonne Zucker. Und da spielen auch die Emissionen für Produktion und Ausbringung von Dünger und Pflanzenschutzmitteln, die Intensität der Bodenbearbeitung, die Transportentfernungen und Weiteres eine Rolle.
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Nachdem es lange eine Sache von Enthusiasten war, eine Reifendruckregelanlage (RDA) nachzurüsten, sind nun erste Hersteller am Markt, die diese Technik optional ab Werk anbieten. Mit der Übernahme von Spezialisten für RDA haben Michelin und Claas seit 2017 Know-how in ihren Unternehmen. Nun kommen weitere Lösungen von unabhängigen Spezialisten. Rexroth stellt in Hannover eine voll integrierte RDA für Erntemaschinen mit hydraulischem Einzelradantrieb vor. Außerdem gaben Reifenhersteller Trelleborg und Achsspezialist Dana kürzlich bekannt, dass sie eine RDA für Traktoren entwickelt haben, die vollständig in die Räder integriert wird, ohne dass Teile herausragen. Das aus der Kabine bedienbare System soll künftig auch als Nachrüstlösung verfügbar sein.
Egal, wofür Sie sich interessieren: Hannover und seine wichtigste Messe sind wieder eine Reise wert.
Vom 10.-16. November findet die Weltleitmesse für Landtechnik in Hannover statt.
Webseite: www.agritechnica.com
Bei der Kürbisernte auf dem Landwirtschafts- und Gemüsehof von Klaus Messinger im brandenburgischen Kleinziethen ernten sie in diesem Jahr orange-gelbe Giganten.
Von Bärbel Arlt
Groß und kräftig gelb leuchten sie auf dem Feld – nein, nicht die dicken Kürbisse, sondern die Blüten. Gemüsebauer Klaus Messinger mag es kaum glauben: So intensiv blühend hat er die Kürbispflanzen noch nicht erlebt – zumindest nicht im Oktober. „Das ist schon ungewöhnlich“, schüttelt er etwas ungläubig den Kopf und sieht, dass auch noch ein paar Kürbisse geerntet werden wollen. Doch die Masse des fruchtigen Herbstgemüses ist schon seit einigen Wochen vom Feld. Rund 40 Tonnen waren es. „Wenig“, resümiert der Landwirt. Was wir wiederum kaum glauben können beim Anblick der rund 6.000 farbenfrohen Kürbisse, die für das 15. Kürbisfest Ende September liebevoll angemalt, angezogen, zu Figuren zusammengefügt wurden und ein wahrer Augenschmaus sind.
„Die ganze Familie – Kinder, Enkel, Verwandte – und Freunde haben daran mitgewirkt“, sagt Klaus Messinger stolz und schaut dabei vor allem seine Frau Angelika an, steckt sie doch als wuselnder und kreativer Geist hinter den leuchtenden Kunstwerken und hat die Kürbisse vor etwa zwanzig Jahren auf die Felder nach Kleinziethen gebracht. Damit gehörte der kleine Landwirtschaftsbetrieb in der Region zu den Ersten, die im Kürbisanbau, der bis dahin ein eher stiefmütterliches Dasein fristete, eine Chance sahen. Doch woher kommt diese Leidenschaft? „Ganz einfach – ich mag die Vielfalt, und sie sind nun mal meine große Liebe“, meint sie mit einem Augenzwinkern Richtung Ehemann.
Rund 60 Sorten sind es inzwischen, die auf rund sechs Hektar wachsen. Denn die Nachfrage nach Kürbis und vor allem nach außergewöhnlichen Sorten nimmt von Jahr zu Jahr zu. Früher war der Gelbe Zentner der absolute Renner, der bei den Messingers und ihren Stammkunden übrigens nur als „Oma-Opa-Kürbis“ bekannt ist. „Ich habe ihn mal so getauft, weil er vor allem von älteren Kunden gekauft wird, die ihn gern süßsauer einlegen“, lacht die Expertin. Doch mit den Jahren haben ihm Hokkaido, Muskat-, Spaghetti- und Butternutkürbis den Rang abgelaufen.
Ab dem Frühjahr werden Pflanzen im Folienzelt aus Samen gezogen, die dann nach und nach aufs Feld gebracht werden, wo den Sommer über Kürbisse in vielen Farben und Formen gedeihen. Wobei – mit dem Gedeihen war das in diesem Jahr so eine Sache. „Wir mussten aufgrund der Hitze und vor allem der fehlenden Feuchtigkeit viel bewässern“, erzählt Angelika Messinger und zeigt uns beim Schlendern durch die „Hinterlassenschaften“ des Kürbisfestes den Butternut, dessen dünne Schale aufgeplatzt ist. Andere wie der Halloweenkürbis sind nicht ausgewachsen oder verfaulen wie die Bischofsmütze. Doch es gibt auch südländische Sorten wie den länglichen Napoli mit seinem tief- orangefarbenem Fruchtfleisch, dem der heiße Sommer nichts anhaben konnte. „Im Vergleich zu den Vorjahren haben wir in dieser Saison rund 40 Prozent weniger vom Feld geholt. Doch hätten wir nicht bewässert, wären sie vertrocknet“, so die 61-Jährige, die jeden einzelnen Kürbis aus dem Effeff kennt. Ein Wissen, dass sie sich selbst angeeignet hat, denn im Gegensatz zu Ehemann Klaus, der gelernter Agrotechniker ist, hat sie eine Ausbildung als Elektromonteurin. Aber natürlich ist in 43 Ehejahren auch ihr das Gemüse ans Herz gewachsen.
Doch so sehr sich gegenwärtig die Kürbisse in dem kleinen Familienbetrieb in den Vordergrund drängeln, auf den Feldern wachsen auch Kartoffeln, Gurken, Maikugeln, Radieschen, Petersilie, Grünkohl, Knoblauch, Zwiebeln, Bohnen – und vor allem Möhren. Und die wiederum sind die große Liebe von Klaus Messinger, fing doch mit ihnen alles an. Schon zu DDR-Zeiten baute er sie auf einem halben Hektar an, verkaufte sie an den Großhandel für Obst, Gemüse und Speisekartoffeln und verdiente damit, wie er sagt, „schönes Geld“ neben seinem Job im Volkseigenen Gut Großziethen.
„Wir sind die Möhren im Großhandel nicht mehr los geworden“
Klaus Messinger
Doch mit dem Fall der Mauer war damit Schluss. „Wir sind die Möhren beim Großhandel nicht mehr losgeworden und haben sie dann einfach in einer Schubkarre vors Haus gestellt und verkauft“, erinnert sich er sich. Und die Kunden vor allem aus dem nahen Westberlin ließen nicht lange auf sich warten. „Ja, wir haben klein angefangen“, blickt er zurück, „aber von Jahr zu Jahr stieg die Nachfrage nach unserem frischen Gemüse.“ So entschloss sich Messinger, nach 40 Jahren seinen Job als Meister und Betriebsleiter bei den Berliner Stadtgütern an den Nagel zu hängen und aus dem Neben- einen Haupterwerb zu machen.
Rund 15 Hektar, gepachtet von den Berliner Stadtgütern, bewirtschaftet er heute mit Familie und einer Angestellten, setzt auf Direktvermarktung und beackert zudem mit seinen Maschinen als Lohnunternehmer Flächen anderer Agrarbetriebe, mäht im Sommer die Wiesen auf dem Tempelhofer Feld in Berlin und schiebt im Winter Schnee auf dem Schönefelder Flughafen. Und die alte Schubkarre – sie steht immer noch mit Möhren beladen am kleinen Hofladen in der Glasower Allee 12, wo Tochter Anja das Zepter schwingt und der fast 365 Tage im Jahr von den Kunden frequentiert wird, die das regionale Gemüse frisch vom Feld hinterm Hofladen schätzen, aber auch die Pflaumen aus Werder oder die Äpfel vom Süßen See, für die der Kleinziethener Landwirt schon mal morgens um drei Uhr über die Autobahn düst. Selbst Ostern oder Weihnachten bleibt die Ladenklingel nicht still. Doch das sieht die Familie inzwischen gelassen. „Wir freuen uns ja über den großen Zuspruch“, sagt der 63-Jährige, der sich aber dennoch über das generell schlechte Image der Landwirtschaft in der Bevölkerung ärgert und auch über die zunehmenden bürokratischen Hürden, die dem Landwirt die Arbeit zunehmend erschweren.
Und wenn dem Ehepaar doch mal alles über den Kopf zu wachsen scheint, dann setzen sich Angelika und Klaus Messinger in den Wintermonaten in den Flieger, düsen in den sonnigen Süden, wo die leckersten Kürbisse wachsen, und bringen so manche Idee mit nach Hause für das Pflanzen neuer Sorten oder fürs nächste Kürbisfest – das es allerdings nicht mehr geben soll. „Unser 15. Kürbisfest war das letzte“, wirft Angelika Messinger energisch ein. Na ja, schauen wir mal …
Traditionsberufe: Die Gerberei OettrichBrüder für fast alle Felle: Wenn es um Leder geht, gibt es in Brandenburg eine renommierte Adresse: Doberlug-Kirchhain. Mit dem uralten Handwerk der Gerberei verdienen dort zwei Brüder bis heute ihr Brot.
Von Bärbel Arlt
Es sind die Brüder Manfred (54) und Andreas (53), die das uralte Handwerk der Gerberei fortführen. „Schon in fünfter Generation“, erzählen sie stolz. Und während sie auf dem Gerberbaum kraftvoll Schaffelle entfleischen, machen sie gleich einen Schwenk zur Geschichte des Ortes und der Familie Oettrich.
400 Jahre lang gehörte die Gerberzunft zu Doberlug-Kirchhain. Grund dafür, weshalb sich das Handwerk gerade hier angesiedelt hatte, sei das weiche, eisenfreie Wasser der Kleinen Elster gewesen, aber auch viel Wald, der die Rinden fürs Gerben lieferte, und die Schafzucht. „1900 gab es im Ort noch 100 Betriebe, die sich wie eine Perlenkette an der Kleinen Elster entlangreihten“, weiß Gerbermeister Manfred Oettrich, dessen Familie mit dazugehörte. Schon seit 200 Jahren ist sie in Kirchhain ansässig und war immer im Gerberhandwerk tätig. „Das Grundstück, auf dem wir wohnen und arbeiten, ist seit 1850 eine Gerberei. Unsere Großmutter bekam es von ihrem kinderlosen Onkel als Hochzeitsgeschenk – mit der Maßgabe, die Gerberei weiterzuführen.“ Was auch passierte. „Zu DDR-Zeiten haben wir vor allem Schweinsleder für Arbeitshandschuhe gegerbt. Und Großvater war zehn Jahre lang, von 1951 bis 1961, Obermeister der Gerber in Brandenburg“, erinnert sich Manfred Oettrich, der am Tag der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 als jüngster Gerbermeister der DDR in die Geschichte einging.
Doch mit dem Fall der Mauer ging es in Doberlug-Kirchhain mit der Lederherstellung den Bach hinunter. Den Gerbern schwammen sprichwörtlich die Felle davon. Das Handwerk wurde nicht mehr gebraucht, die Produktion war nicht rentabel und Leder kam billig aus Fernost. „1994 hat unser Vater Richard den Betrieb schließen müssen“, erzählt Andreas Oettrich. Mit der Währungsunion 1990 hatten die beiden Brüder bereits ihren Job verloren und machten sich auf in den Westen. Während Andreas dort dem Gerberhandwerk über viele Jahre treu blieb, schulte Bruder Manfred 1993 um zum Industriekaufmann und orientierte sich im Marketing beruflich neu. Doch seine Leidenschaft für den Gerberberuf blieb und 2006 erweckte er den Familienbetrieb aus dem Dornröschenschlaf. Auch Kundschaft ließ nicht lange auf sich warten, und als die Aufträge allein nicht mehr zu schaffen waren, kehrte Bruder Andreas nach Kirchhain zurück. Seitdem gerben sie wieder Felle – wie es schon Generationen vor ihnen gemacht haben. Und wenn man den beiden kräftigen Kerlen in ihren Werkstatträumen zuschaut, fühlt man sich in alte Zeiten zurückversetzt, denn hoch technisierte Produktion ist fehl am Platz. Hier lebt traditionelles Handwerk.
Manfred Oettrich erklärt uns den Prozess des Gerbens mit einem schelmischen Schmunzeln: „Wir lassen von anderen das Fell über die Ohren ziehen, gerben unseren Kunden das selbige und verlangen dafür auch noch Geld.“ Doch Spaß beiseite, denn das Gerben ist Knochenarbeit pur. Zuerst wird die von den Kunden gelieferte Rohhaut durch Einfrieren oder Trocknen konserviert. Meist aber wird das Fell gesalzen, um der Haut das Wasser und damit die Fäulnisbakterien zu entziehen und den Verwesungsprozess zu stoppen. Nach etwa fünf Tagen kommen die Felle in eine hölzerne 1.000-Liter-Trommel, in der sie gewaschen und von Salz und Schmutz befreit werden. Wobei jedes Fell anders zu waschen und zu behandeln ist.
Nach dem Waschen wird das Wasser abgewelkt (herausgedrückt) und das Fell auf einem Gerberbaum mit einem riesigen Schabemesser entfleischt. Das heißt, Fett- und Fleischreste werden Zentimeter für Zentimeter kraftvoll, aber auch mit viel Feingefühl abgeschabt, darf doch die Haut nicht beschädigt werden. Dann kommen die Felle wieder in das Walkfass und werden mit einer Salz-Säure-Lösung auf einen bestimmten pH-Wert eingestellt, damit die Gerbstoffe – entweder Baumrinde, Alaun oder Fettgerbstoff – in die Haut eindringen können. Durch die Gerbung wird aus der unbehandelten Haut dann das Leder. In Doberlug-Kirchhain hat vor allem das Gerben mit Alaun – also das Weißgerben – Tradition. Auch die Oettrich-Brüder sind Weißgerber, beherrschen aber auch alle anderen Methoden, haben sie doch den Beruf von der Pike auf gelernt. Ist die Haut dann gegerbt, wird das Leder noch gestreckt, getrocknet, geschliffen, und die Wolle wie beim Schaffell gekämmt. Ein mühevoller und arbeitsreicher Prozess, der fünf, sechs Wochen dauern kann.
So freut es uns zu hören, dass diese traditionelle handwerkliche Arbeit wieder immer mehr geschätzt wird. Kunden aus ganz Deutschland lassen Haut, Felle und Bälger bei den Oettrichs gerben. Die Palette reicht von kleinen Dachs-, Kaninchen- oder Fuchsfellen, über Schaf- und Wildschweinfelle bis hin zur Kuh- und Zebuhaut. Ein Exot ist das Trommelfell (Pergament). Es wird aus Tierhäuten von Pferd, Schaf, Ziege, Reh aus der Region durch Trocknen hergestellt und vor allem für Musikins-trumente verwendet. „Wir liefern bis nach Frankreich“, sagt Andreas Oettrich. Begehrt sind die gegerbten Felle und Pferdeschweife übrigens auch auf Mittelalterfesten, sogar Filmproduzenten klopfen im kleinen Handwerksbetrieb an. So wurden im Historienfilm „Medicus“ Schaffelle und Werkzeug wie Streicheisen und Gerberbaum verwendet. „Auch die Produzenten von ‚Inglourious Basterds‘ hatten angefragt, doch die gewünschten Felle hatten wir nicht auf Lager“, so Andreas Oettrich, der uns erzählt, dass es aber nicht nur Anerkennung für ihre Arbeit gibt. „Auf Märkten vor allem in großen Städten müssen wir uns zum Beispiel anhören, dass die Tiere ja nur wegen des Fells geschlachtet werden. Und so mancher weiß gar nicht, dass es selbstverständlich sein soll, von Schlachttieren vom Fleisch über die Knochen bis zum Fell alles zu verarbeiten.“ Dieses Denken und diese Unwissenheit ärgern den 53-Jährigen, vor allem auch dann, wenn an einem Nebenstand Billigfelle aus Fernost gekauft werden, in denen viel Chemie steckt, die in ihren gegerbten Fellen nicht enthalten ist. „Unsere Produkte sind EU-zertifiziert, werden kontrolliert und geprüft, Salz und Wasser recycelt und mehrfach genutzt“, versichert er und wirft einen Blick in die Geschichte, als das Gerberhandwerk „zum Himmel stank“:
Ob Schuhe oder Stiefel, Pferdesattel, Lederwams, Schürze oder Gürtel – zwar wurde Leder dringend gebraucht, doch die Herstellung war extrem anrüchig. Denn die Felle wurden in den Flüssen vom Schmutz befreit und auch die faulende Haut, die mit Salz, Baumrinde oder Alaun versetzt wurde, stank widerlich. So wohnten die Gerber meist vor den Städten und zählten zu den „unreinen Berufen“. Auch gesundheitlich setzte ihnen die Arbeit zu. Tag für Tag standen sie in großen schwarzen Schaftstiefeln im Fluss, in den Werkstätten war es nass und kalt. Gicht, Rheuma und Milzbrand waren an der Tagesordnung. Ein alter Gerberspruch bringt es irgendwie auf den Punkt: „Eigelb, Pinkel, Hundeschiete geben dem Leder besondere Güte“. Und noch eine Redewendung hat ihren Ursprung im Gerberhandwerk: Beim Einweichen im Fluss konnte es passieren, dass die Felle davon trieben. Damit war die Arbeit umsonst und man sah bildlich „seine Felle davonschwimmen“. Die Oettrich-Brüder erzählen gern über ihr Handwerk und geben ihr Wissen bei Führungen und Schulungen im eigenen Betrieb und auch im Weißgerbermuseum von Doberlug-Kirchhain, dem einzigen in Deutschland, weiter – in der Hoffnung, dass der Gerberzunft selbst nicht gänzlich die Felle davon schwimmen.
Die Feldarbeiten in der GbR von Werner und Michael Arndt gehen ihrem Abschluss entgegen. Beim Körnermais war der Ertrag unterdurchschnittlich – doch zum Durchatmen bleibt keine Zeit.
Von Detlef Finger
Die Arbeit auf dem Feld gehet in der GbR von Werner und Michael Arndt peu à peu ihrem Abschluss entgegen. Den Körnermais haben die Bottmersdorfer Landwirte Anfang voriger Woche dreschen lassen, der Ertrag war unterdurchschnittlich. Das Korn wird getrocknet und über das Kraftfutter für die Fleckviehbullen selbst verwertet. Als Folgefrucht ist Dinkel vorgesehen. Die jüngsten Niederschläge haben dessen Aussaat allerdings nun etwas verzögert, weil der obere Bodenhorizont für die Bestellung derzeit zu nass ist.
Die ersten Zuckerrüben sind gerodet, auch hier liegen die Erträge deutlich unter dem langjährigen Niveau, sagt Junglandwirt Michael Arndt. Nach der Ernte der zweiten Tranche Rüben, die in dieser Woche anstand, sollte der restliche Winterweizen gedrillt werden. Zwei Drittel der Hauptanbaukultur sind im Betrieb bereits im Boden. In der Viehhaltung hat sich zwischenzeitlich ebenfalls einiges getan: Die für den Verkauf im Frühjahr vorgesehenen Jungbullen, insgesamt sechs an der Zahl, wurden abgesetzt und eingestallt.
Demnächst wollen die Arndts damit beginnen, die Zuchttiere führig zu machen. Diese sollen auf der Jungbullenauktion im Rahmen der FleischrindVision 2020 der RinderAllianz am 27./28. Februar in Bismark bzw. ab Hof neue Besitzer finden.
Die hochtragenden Mutterkühe stehen bereits auf den hofnahen Weiden, die übrigen Simmentaler auch auf etwas entfernteren Flächen. Die Rinder erhalten Grassilage und Stroh als Zufutter. Um den herbstlichen Aufwuchs auf dem Dauergrünland zu nutzen und die vorhandenen Vorräte an Winterfutter zu schonen, bleiben die Tiere – natürlich abhängig von den Witterungsbedingungen – so lange wie möglich draußen.
Am vorigen Freitag hatten die beiden Bördebauern zudem alle Hände voll zu tun, um die Vorbereitungen für die tags darauf anstehende Jagd der örtlichen Jagdgenossenschaft zu treffen. Der Betrieb unterstützt die Weidleute mit Technik und stellt seine Werkstatt als Unterkunft während der Jagd zur Verfügung. In dieser klang das jagdliche Treiben dann auch aus – bei einem gebackenen Wildschwein, das der Fleischer im Ofen zubereitet hatte. Zwölf Schwarzkittel hatten die Jäger zur Körnermaisernte in der Gemarkung erlegt. Auch am vergangenen Wochenende galt diesem Schalenwild besonderes Augenmerk – weitere fünf Wildschweine konnten geschossen werden.
Während sich Werner Arndt im Vorstand der Jagdgenossenschaft einbringt, frönt Sohn Michael selbst aktiv dem Weidwerk. „Dass wir als Betrieb die Jagd unterstützen, ist gleichzeitig ein Dank an die Jägerschaft für ihren Einsatz“, sagt der junge Betriebsleiter und betont: „Landwirte und Jäger – das muss Hand in Hand gehen.“
Absprachen untereinander seien wichtig, um auf das Vermeiden von Wildschäden hinzuwirken. „Es bringt auch nichts, bei einem entstandenen Schaden gleich die große Keule rauszuholen“, weiß der junge Jäger und Landwirt um die Befindlichkeiten auf beiden Seiten.
Rettungshunde: Immer der Nase nachSie ist einsatzbereit, wenn es heißt, vermisste Personen aufzuspüren – die Rettungshundestaffel vom Arbeiter-Samariter-Bund des Landkreises Elbe-Elster. Damit im Ernstfall alles klappt, üben sie mit ihren Hunden intensiv, regelmäßig – und ehrenamtlich. Wir waren bei einem Training dabei.
Von Bärbel Arlt
Eine Kitagruppe spaziert fröhlich durch den Wald. Es ist ein schöner sonniger Morgen, die Luft ist klar, denn in der Nacht hat es ein bisschen geregnet. Doch plötzlich bemerken die Erzieherinnen, dass sich ein Mädchen entfernt hat. Kein Rufen, keine Suche helfen – die Kleine ist verschwunden. Dann geht alles ganz schnell. Die Polizei wird informiert, die Rettungshundestaffel alarmiert – und die Suche dem vermissten Kind beginnt …
Ein fiktives Szenario. Doch genau für solche oder ähnliche Einsätze trifft sich die Rettungshundestaffel vom Regionalverband des Arbeiter-Samariter-Bundes Elbe-Elster (Brandenburg) zweimal wöchentlich mehrere Stunden zum Training. „Und das sollte so realistisch wie möglich sein. Deshalb trainieren wir auch immer an einem für die Hunde fremden Ort mit wenn möglich unbekannten Versteckpersonen,“ sagt Staffelleiterin Sabine Richter. An diesem Samstagvormittag ist es ein bewaldetes unwegsames ehemaliges Betriebsgelände am Rande von Elsterwerda. Ideal für die vierbeinigen Spürnasen, die gespannt in den Autos und Boxen warten, bis sie dran sind, denn trainiert wird mit jedem Hund einzeln. Arma zum Beispiel soll die kleine Lina suchen. Sabine Richter hält ihr kurz ein Kopftuch des Mädchens vor die Nase und auf gehts mit flottem Tempo durch den Wald. Nach wenigen Minuten hat der italienische Jagdhund die Zweijährige gefunden – und wird dafür ausgiebig gelobt und mit einem Festessen belohnt: gekochte Lunge mit gekochten Möhren. Von der kleinen Lina gibt es für den siebenjährigen Vierbeiner außerdem noch etliche Streicheleinheiten. Denn vor großen Hunden hat die Kleine überhaupt keine Angst, ist doch Mama Anne mit Therapiehund Hunter auch Mitglied im Verband.
„So komisch es klingen mag, aber für unsere Hunde ist die Suche nach vermissten Personen das spannendste Spiel der Welt. Sie wollen suchen und finden“, sagt Sabine Richter, die im vergangenen Jahr mit weiteren Rettungshundeführern die erste ASB-Rettungshundestaffel in Brandenburg gegründet hat. Momentan besteht sie aus zehn Hundeführern mit 13 Hunden. Die meisten von ihnen haben allerdings schon viele Jahre zuvor in anderen Staffeln trainiert und Erfahrungen gesammelt. Denn Rettungshund und Rettungshundeführer wird man nicht einfach so. Mindestens zwei Jahre dauert die Ausbildung, die sehr intensiv und zeitaufwendig ist. Dazu gehört auch ein Sanitätshelferlehrgang, theoretischer und praktischer Unterricht, bei dem unter anderem Einsatztaktik, Hundetransport und Geländeorientierung gelernt werden. Wichtig sind aber auch persönliche Voraussetzungen wie körperliche Fitness, Belastbarkeit, die Bereitschaft im Team zu arbeiten und nicht zuletzt natürlich Liebe und Leidenschaft für den Vierbeiner. Dieser wiederum muss Menschen mögen und sich mit anderen Hunden verstehen. Er darf nicht zu klein und ängstlich sein, muss eine gute Kondition haben, sich motivieren lassen. Und vor allem braucht er eine gute Nase, die übrigens über 200 Millionen Riechzellen hat. Beim Menschen sind es nur an die fünf Millionen. Und ein Rettungshund schafft es zudem, innerhalb von 20 Minuten bis zu 30.000 Quadratmeter abzusuchen.
Ausgebildet werden in der Rettungshundestaffel vom ASB Regionalverband Elbe-Elster sowohl Flächensuchhunde als auch Mantrailer. „Flächenhunde suchen in unwegsamen Gelände jeden Menschen, der sich dort aufhält. Mantrailer, also Personenspürhunde, wiederum folgen gezielt der Geruchsspur einer vermissten Person“, erklärt Sabine Richter den Unterschied. Doch wie schafft man es, dass ein Hund Menschen sucht, gehören doch zu seiner Beute eher Hase oder Katze? Ganz einfach mit Leckerlis wie Pansenwurst oder Würstchen, mit denen die Supernase nach erfolgreicher Suche belohnt wird! „Für ein Stück Ziegengouda hat mein Bouvier alles gemacht“ wirft Sabine Richter lachend ein. Und der fünfjährige Baster wiederum zeigt, dass er für einen kleinen Ball schnell mal meterhoch übers Baumgestrüpp springen kann. „Spaß ist ganz wichtig im Training“, sagt Daniela Fuchs und fügt hinzu: „Doch wer sich entscheidet, bei uns mitzumachen, muss wissen, dass es hier um mehr geht als nur um eine simple Beschäftigung. Unser Ziel ist es, Menschen zu retten.“
Und das ist eine komplett ehrenamtliche Aufgabe. „Wir werden im Ernstfall nicht wie die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr vom Arbeitgeber freigestellt. Einen
Verdienstausfall gibt es auch nicht“, erklärt Sabine Richter, die Lehrerin an einem beruflichen Schulzentrum ist. Ihre Mitstreiter arbeiten als Erzieherin, Physiotherapeutin, im Sicherheitsdienst oder sind selbstständig. „Da ist ein Einsatz während der Arbeitszeit meist nicht möglich.“ Worte, in denen der Wunsch nach mehr Wertschätzung mitschwingt. Doch was für jeden wirklich zählt, ist die Motivation, Menschen in Not zu helfen. „Wir haben alle das absolute Helfersyndrom und das schweißt zusammen“, bringt es Aileen Büttner auf den Punkt. Seit der Gründung im März 2018 hat die Staffel rund 800 Trainingsstunden und 20 Einsätze absolviert. „Und jeder Einsatz geht an die Nieren“, sagt Hannelore Schollbach „weil immer persönliche Schicksale damit verbunden sind.“ Doch manchmal ist es besonders schlimm – wie vor sieben Jahren, als zwei Geschwister in der eisigen Saale bei Weißenfels ertrunken waren. Auch die kleine Inga, nach der vor vier Jahren bei Stendal fieberhaft gesucht wurde und die bis heute vermisst wird, geht Sabine Richter nicht aus dem Kopf.
Doch zum Glück werden die meisten Personen lebend und auch meist unversehrt wiedergefunden. Und dafür trainieren die Rettungshundeführer mit ihren Hunden gern und hart in ihrer Freizeit, lassen sich prüfen, bilden sich weiter. nehmen an Veranstaltungen teil und gehen auch an Schulen. Denn neue Mitglieder sind immer willkommen. „Auch wer keinen eigenen Hund hat, so Staffelleiterin Sabine Richter, kann uns als Helfer im Training und bei Einsätzen unterstützen.“
Souveräne ReichweitensiegerIm April wurden in Hannover beim Wochenblattverlag „Land & Forst“ die Ergebnisse der neuen AgriMA-Studie vorgestellt. Sie bescheinigen den elf landwirtschaftlichen Wochenblättern, die in der AOL zusammengeschlossen sind, eine kumulierte Nettoreichweite (WTK*) von 83,4 Prozent. „Das ist ein Prozentpunkt mehr als bei der letzten Studie im Jahr 2013“, sagte Claudia Greischel von „Produkt + Markt“. Bei dem in Wallenhorst ansässigen Marktforschungsinstitut wurde Ende 2018 eine umfassende Befragung von Landwirten zu ihrem Leseverhalten in Auftrag gegeben. Von Oktober bis Februar wurden dazu 3.126 Landwirte in persönlich-mündlichen oder internetbasierten Interviews zu ihrem Lese-, Informations- und Entscheidungsverhalten befragt.
Sie stehen für 187.000 Landwirte mit den unterschiedlichsten Produktionsschwerpunkten ab einer Größe von zehn Hektar. Bei den Betrieben in den fünf ostdeutschen Bundesländern lag diese Schwelle bei 50 Hektar. Die Ergebnisse wurden zu den Strukturdaten der statistischen Landesämter gewichtet. Insgesamt fanden 33 landwirtschaftliche Fachmedien Eingang in die Studie, darunter die elf Wochenblatt-Titel.
Auf Ebene der qualitativen Kriterien zeigt sich bei den Wochenblättern ein hoher Aufmerksamkeitswert, was die Lesedauer und Bewertung der fachlichen Qualität angeht. „65 Prozent der Befragten gaben an, mindestens die Hälfte des Inhalts zu lesen,“ so Claudia Greischel weiter. 70 Prozent der Befragten nehmen eine Ausgabe drei und mehrmals in die Hand. Auch die emotionale Bindung zu den vier Mal im Monat erscheinenden und durchschnittlich von 3 Personen im Betrieb gelesenen Zeitschriften ist nach wie vor hoch. Hochgerechnet auf die AOL-Gesamtauflage mit 366.200 erreichen die Wochenblätter damit 1,1 Mio. Leser.
Etwa 82 Prozent der Landwirte wollen die Größe ihrer Betriebe stabil halten oder wachsen. Diese Landwirte gaben an, in den nächsten zwei Jahren im Schnitt rund 190.000 Euro investieren zu wollen. Entsprechend der zunehmenden Größe und Spezialisierungsgrad in der Landwirtschaft ist diese Summe deutlich angestiegen. Die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe hat erneut abgenommen, allerdings scheint sich der Strukturwandel etwas zu verlangsamen. So antworten etwa zwei Drittel der Betriebe, dass sie den gegenwärtigen Stand halten wollen. Betriebe oberhalb 100 ha nehmen weiter zu.
Die AOL führt Marktstudien durch, um sowohl die Leser- als auch Anzeigenkundenstruktur besser zu kennen. Die in regelmäßigen Abständen erhobene AgriMA-Studie entspricht in Anlage, Durchführung und Auswertung den Vorgaben des ZAW, Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft.
Barbara Sester, AOL Vorsitzende
Tel. 0761/27133-402, aol@blv-freiburg.de
Den Infofolder zur Studie finden Sie unter www.agrarpresse-aol.de.
Pressemeldung AgriMA Ergebnisse als PDF
Agrarstruktur – Wissen, wo es hingehen sollIn nächster Zeit dürften im Osten heftige Debatten über die Agrarstruktur geführt werden. In Brandenburg und Sachsen, wo CDU, Grüne und SPD gerade gemeinsame Regierungen bilden wollen, ist es bzw. wird es Thema der Koalitionsverhandlungen. In Sachsen-Anhalt arbeiten die Regierungsfraktionen im Landtag (ebenfalls „Kenia“) am Entwurf eines Agrarstruktursicherungsgesetzes. Thüringen befindet sich im Wahlkampf, da kündigen Linke und Grüne jeweils eigene Gesetze für die nächste Legislaturperiode an. In Mecklenburg-Vorpommern legte das Landwirtschaftsministerium etwaige Ideen zwar auf Eis, wartet aber mit Interesse ab, was sich in den anderen Ländern tut.
Mit steigenden Pacht- und Bodenpreisen sowie dem großen Engagement von Investoren werden die Initiativen begründet. Beides bedrohe die hiesige Agrarstruktur. Im Landtagswahlkampf präsentierten die Brandenburger Grünen den Entwurf für ein Agrarstrukturgesetz. Der lehnt sich an einen Vorschlag des Deutschen Bauernbundes (DBB) an, der wiederum die ursprünglichen Ideen von Sachsen-Anhalts einstigem Agrarminister Hermann Onko Aeikens (CDU) aufgreift. Grundstücksverkehrs-, Landpacht- und Reichssiedlungsgesetz – alle mit Länderkompetenz – werden darin zusammengefasst und um Regeln zum Kauf von Gesellschaftsanteilen ergänzt.
Bei den Brandenburger Grünen heißt es, nur Landwirte/Betriebe oder jene, die welche werden wollen, können Boden kaufen. Zählt ein Betrieb bereits mehr als 750 ha Eigentum, wird der Kauf versagt. Ortsansässige Landwirte besäßen dann ein Vorkaufsrecht. Als ortsansässig gilt, wer seinen Betriebssitz im Umkreis von zehn Kilometern zum Grundstück hat. Liegt der Kaufpreis zehn Prozent über dem Ortsüblichen, wird die Genehmigung verwehrt. Geht es nach dem Bauernbund, kann derjenige keinen Boden mehr erwerben, dem danach mehr als die Hälfte der Flächen oder mehr als 300 ha in einer Gemarkung gehören. Der Kaufpreis darf das örtliche Niveau nicht um mehr als 20 % überschreiten. Grenzen ziehen beide Vorschläge bei der betrieblichen Gesamtpachtfläche (max. 1.000 ha bzw. 2.000 ha) und beim Pachtpreis (max. 30 % bzw. 20 % über örtlichem Niveau) ein. Übt die Landgesellschaft ihr Vorkaufsrecht aus und steht kein kaufwilliger Landwirt bereit, kann sie die Flächen sechs Jahre vorhalten. Ähnliches gibt es in Baden-Württemberg, wo die Haltefrist zehn Jahre betragen kann. In den Entwürfen von DBB und Grünen unterliegt der Erwerb von Gesellschaftsanteilen der Genehmigung. Unter anderem, wenn der Käufer dadurch einen „bestimmenden Einfluss“ erhält und die Nutzfläche (Eigentum und Pacht) den Wert des Unternehmens zu mindestens 40 % bzw. 25 % bestimmt.
Aufrichtige Motive sollte man den Vorschlägen nicht absprechen. Ungewiss ist, ob sie vor höchsten Gerichten standhalten. Kritikpunkte gibt es allemal. Man redet über die Agrarstruktur und müsste sie doch erst einmal genau kennen. Zu benennen sind die Ursachen, die dazu führten, was man jetzt heilen will. Bevor derartige Gesetze überhaupt gestrickt werden, braucht es ein Leitbild. Ein solches ist im Konsens zu entwickeln, was richtig kompliziert ist, wie man in Sachsen-Anhalt schmerzvoll erfuhr. Es gibt viele berechtigte Interessen, reale wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Zwänge, die man schlichtweg nicht ausblenden kann. Das betrifft den Landwirt im Familienbetrieb, der wachsen will oder der keinen Nachfolger findet, ebenso wie den Großbetrieb, der in Schwierigkeiten steckt oder der die Eigentümernachfolge regeln muss. Letzteres ist ein Problem, das zu lösen verschlafen wurde: Die einen fanden keine Antworten, andere suchten erst gar nicht nach ihnen.
Herzlichst
Ihr Frank Hartmann
Esther Achler, Projektleiterin des DLG-Herdenmanagers Milchvieh in der Akademie der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, erläutert, worauf es beim Beruf des Herdenmanagers ankommt. Die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt ist groß.
Das Interview führte Anja Nährig
Für das Berufsbild „Herdenmanager“ gibt es an sich keine einheitlich geltende Definition, da es nicht zu den klassischen Ausbildungsberufen zählt. Allgemein ist ein Herdenmanager im Betrieb dafür verantwortlich, dass das genetische Leistungspotenzial der Herde ausgeschöpft und dabei das Wohlergehen und die Gesundheit der Tiere gesichert werden.
Er ist für die Organisation, Durchführung, Überwachung und Kontrolle der im Milchviehstall relevanten Tätigkeiten zuständig. In diesem Zusammenhang erhebt und wertet er Daten und Kennzahlen aus, leitet darauf basierend Maßnahmen ab, trifft die notwendigen Entscheidungen und übernimmt zum Teil Schlüsselaufgaben direkt am Tier.
Der Herdenmanager muss nicht nur einen geschulten Blick für seine Herde, sondern auch für seine Mitarbeiter haben. In größeren Betrieben nimmt der Herdenmanager unter anderem beim Delegieren von Aufgaben und der Erstellung von Arbeitsplänen auch Führungsaufgaben wahr.
Unsere Top-Themen
Herdenmanagerkurse werden u. a. von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG-Herdenmanager), der Landwirtschaftskammer Niedersachsen (Echemer-Herdenmanager) und der Fachzeitschrift Elite (Elite-Herdenmanager) angeboten. Bei der Landvolkbildung Thüringen ist es möglich eine Zusatzausbildung als Fachagrarwirt Herdenmanagement mit der Spezialisierung Rind zu absolvieren.
Das theoretische als auch praktische Wissen, das in der landwirtschaftlichen Ausbildung oder im Studium erworben wurde, sollte weiter vertieft und speziell für den Bereich des praktischen Herdenmanagements anwendungsorientiert ausgebaut werden. Wir haben in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, dass vor allem junge Nachwuchskräfte in ihrer Tätigkeit als Herdenmanager oft an ihre körperlichen und psychischen Grenzen stoßen.
Die Themen Arbeitsorganisation und Mitarbeiterführung, Controlling und Management sind in der klassischen Ausbildung wenig bis gar nicht verankert, und es fehlen deshalb Kenntnisse darüber im Berufseinstig bzw. -alltag. Herdenmanagerkurse bieten die Möglichkeit sich neben den produktionstechnischen und biologischen Themen, auch in Managementfragen weiterzubilden.
Für das Absolvieren eines mehrwöchigen Kurses spricht außerdem der enge Kontakt zu Berufskollegen aus dem gesamten Bundesgebiet. Die Teilnehmer bauen sich ein Netzwerk auf, von dem sie auch später noch profitieren.
Den Trend, dass es am Markt zu wenige Herdenmanager gibt, können wir beobachten. Der Mangel ist groß, betrachtet man die wachsende Nachfrage nach Herdenmanagerkursen sowie die Stellenanzeigen, die regelmäßig in Onlineportalen und Fachzeitschriften geschaltet werden.
Und auch die Frage, ob Herdenmanager zukünftig vermehrt gesucht werden, kann mit einem klaren „Ja“ beantwortet werden. Die Betriebe sind in den letzten Jahren stark gewachsen und damit zunehmend auf der Suche nach qualifizierten Arbeitskräften. Ab einer bestimmten Herdengröße ist es sinnvoll, eine weitere Führungsebene im Stall, sprich den Herdenmanager, einzubeziehen, da das tägliche Geschäft rund um die Herde vom Betriebsleiter allein nicht mehr zu leisten ist. Hierbei gilt jedoch, dass die erbrachten Leistungen des Herdenmanagers, die mit einer hohen Verantwortung verknüpft sind, auch entsprechend entlohnt werden.
Trotz des Einsatzes hoch entwickelter Technik ist es wichtig, dass das Basiswissen über Anatomie und Physiologie der Tiere bei der Ausbildung nicht vernachlässigt wird. Die Technik ist nur ein Werkzeug. Sie kann das geschulte Auge des Menschen und die notwendigen Entscheidungen am Tier nicht ersetzen. Gleichwohl sollten bei der Ausbildung die Grundlagen des modernen Technik- und Sensoreinsatzes verstärkt vermittelt werden. Das ist wichtig, da die zunehmende Automatisierung viel Kompetenz und Flexibilität bei der täglichen Betreuung der Milchviehherde erfordert.
Wie sieht das optimale Klauenbad aus? Eine Frage – tausend Antworten. Oder gibt es vielleicht doch einen Weg, der besser ist als alle anderen?
Von Lisa Katzenmaier, Freie Universität Berlin
Um der Antwort auf die Spur zu kommen und herauszufinden wie zufrieden oder unzufrieden deutsche Milchkuhhalter mit ihrem Klauenbad sind, wird dazu an der Freien Universität Berlin im Rahmen einer Doktorarbeit geforscht. Das Team um Frau Professor Müller von der Klinik für Klauentiere und Frau Privatdozentin Dr. Merle Institut für Veterinär-Epidemiologie und Biometrie hat unter anderem eine Umfrage erarbeitet. Ziel der Umfrage ist erstmalig eine Übersicht zur Anwendung von Klauenbädern in Deutschland zu erstellen und Erfahrungen und Anforderungen der Landwirte an Klauenbäder kennenzulernen. Nur wenn Praxis und Wissenschaft ins Gespräch kommen, kann die Anwendung von Klauenbädern optimiert werden!
Deshalb brauchen wir Ihre Unterstützung! Helfen Sie mit, ein Bild der aktuellen Situation zu erstellen, sodass Rückschlüsse gezogen werden können, die Tierhaltern, Klauenpflegern und Tierärzten zu Gute kommen. Selbstverständlich werden Ihre Angaben vertraulich behandelt. Die Ergebnisse werden in wissenschaftlichen Zeitschriften, aber auch in landwirtschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht. Rückschlüsse auf Einzelpersonen sind nicht möglich.
Unter allen Teilnehmer verlosen wir drei Bücher zum Thema Fütterung („Fütterungssignale“ von Jan Hulsen und Dries Aerden).
Unter folgendem Link finden Sie die Umfrage mit weiteren Informationen: (Sie werden auf eine Seite der Freien Universität weitergeleitet)
Ihre Hilfe ist für den Erfolg der Studie von unschätzbarem Wert!
Im Namen des Teams der FU Berlin bedanke ich mich für Ihre Unterstützung!
LKV Logo.
Wichtige Entscheidungen für die Zukunft des LKV fielen in Güstrow. Die 29. Hauptversammlung hat die Formumwandlung vom eingetragenen Verein zur eingetragenen Genossenschaft beschlossen. Davor genehmigten die Delegierten den Jahresabschluss 2017 und entlasteten Vorstand und Geschäftsführung. Vorsitzender des neuen Aufsichtsrates ist Jörn Körte (Klevenow). Zum Vorsitzenden des Vorstandes wurde Hartmut Subklew (Marlow) gewählt. Die Gebühren bleiben auch 2019 unverändert.
von Gerd Rinas
Dies sind in Kurzform die wichtigsten Ergebnisse der LKV-Hauptversammlung. Mit der bei einer Stimmenthaltung beschlossenen Formumwandlung zur eG schafft der LKV eine entscheidende Voraussetzung für die angestrebte Fusion mit dem Rinderzuchtverband MV eG. „Der heutige Tag wird in die Geschichte eingehen. Wir legen das Fundament für unsere zukünftige Ausrichtung“, hatte LKV-Vorstandsvorsitzender Hartmut Subklew vor den Delegierten betont. „Wir sehen die erfolgreiche Umsetzung der Fusion zwischen dem Landeskontrollverband und dem Rinderzuchtverband als die beste Lösung an, um die vor uns stehenden Aufgaben zu meistern“, sagte Subklew. Mit der Fusion reagieren beide Verbände auf die sich rasant ändernden Rahmenbedingungen.
Im Vorfeld der Hauptversammlung waren die LKV-Mitglieder in 15 regionalen Veranstaltungen über das Fusionsvorhaben informiert worden. In den vergangenen Monaten waren für die Umwandlung zahlreiche Entscheidungen notwendig. Subklew bedankte sich bei seinen Vorstandskollegen Andreas Schulz, Rainer Tschirner, Uwe Meerkötter und Siegfried Schwager für ihren Einsatz.
Nach Angaben des LKV-Vorsitzenden ist vorgesehen, dass die Generalversammlungen des LKV und des Rinderzuchtverbandes am 28. März 2019 in Güstrow die Fusion beider Verbände beschließen. „Ziel ist die Bildung einer starken Genossenschaft, die wettbewerbsfähig ist und unseren Mitgliedern und Kunden ein erweitertes modernes Dienstleistungsspektrum vor allem im Laborbereich und der Datenverarbeitung anbietet“, sagte Subklew. Der Name der neuen Genossenschaft wird „Milchkontroll- und Rinderzuchtverband“ (MRV) sein. „Die Vertretung gegenüber dem Landwirt erfolgt durch unsere Tochter RinderAllianz“, so der LKV-Vorsitzende.
Unabhängig von der Verschmelzung der beiden Verbände soll die Zusammenarbeit mit den Partnerverbänden in Schleswig-Holstein ausgebaut werden. Dabei geht es vor allem um Synergien bei Laborbetrieb, Datenverarbeitung und Ohrmarken.
Positiv hat sich nach Subklews Einschätzung das zu Jahresanfang gegründete Joint Venture der MQD-Tochter mit einem privaten Institut aus Berlin entwickelt. Sitz der MQD Institut für Analytik, Hygiene und Produktqualität GmbH ist Güstrow, LKV-Geschäftsführer Dr. Stephan Hartwig ist auch Geschäftsführer der MQD-Gesellschaft. „Wir bringen die Kompetenz für die Lebensmitteluntersuchung ein. Vom Berliner Institut erhoffen wir uns einen stärkeren Marktzugang. Die Zahlen bis Oktober zeigen eine gute Entwicklung“, so Subklew auf der Hauptversammlung.
„Ich habe den Traum, Arbeit und Leben miteinander verschmelzen zu lassen.“ Ein echt starker Satz, der aus dem Mund dieses Mitzwanzigers, Gründers und Gärtners Aaron Göpper überrascht. Der junge Mann steht in seiner grünen Schürze inmitten jungen Gemüses. Gerade ist er dabei, die ersten Früchte seiner Arbeit stolz zu sortieren. Begründet hat er sein Gartenreich in einem Gewächshaus in der Großgemeinde Fünfseen im Herzen der Mecklenburgischen Seenplatte.
Von Ralph Schipke
Teile dieser Gartenbau-Anlage der ehemaligen LPG Satow-Kogel aus den 1970er-Jahren wurden zwar noch als GmbH in die Marktwirtschaft herübergerettet. Doch inzwischen waren die Glasgewächshäuser dem Abriss geweiht, da der vorherige Gärtner in den Ruhestand ging, ohne einen Nachfolger gefunden zu haben.
„Das wäre einfach verschwunden, weil keiner da war, der in dieser schönen Gegend etwas Neues starten wollte“, sagt Aaron Göpper. Deshalb griff der Wahl-Mecklenburger zu. Eigentlich wollte er mit nur 300 Quadratmetern seine gärtnerischen Ambitionen ausleben. Doch dann übernahm er fast die zehnfache Fläche. Seit diesem Frühjahr setzt Aaron Göpper genau seinen Traum so zielstrebig wie radikal um. Um ihn herum reiften in diesem Sommer 30 Sorten Tomaten, teils aus altem Saatgut. Jeweils sechs Pflanzen hat er angezogen. „So kann ich im Winter samenfestes Saatgut gewinnen“, sagt Göpper.
Die Gärtnerei sei ein Paradies für ihn. Hier müsse er nicht im Kopf trennen, ob er auf Arbeit oder in der Freizeit sei. „Dort, wo ich tagtäglich bin, soll es so toll und schön wie möglich sein“, freut sich der Mann mit blonder Strubbelmähne und Bart, seinen Lebensplatz gefunden zu haben.
Göpper, in Süddeutschland geboren, ist überzeugt, vermeintliche Nachteile von Mecklenburg-Vorpommern als Gründer in Chancen ummünzen zu können: „Hier gibt es viele Möglichkeiten und eine wunderbare Natur. Paradiesische Voraussetzungen, etwas Neues zu schaffen!“ Sein altes, neu bestelltes Gewächshaus ist der Beweis dafür. Hier züchtet er in seiner ersten Saison Kartoffeln, Paprika, Lauch, bunten und Schnittmangold, sechs Sorten Erbsen, fünf Sorten Zucchini, zig Bohnen- und Kürbissorten, Mais, Rote Bete, Spinat und wilde Salate. Auf die sei die Gastronomie ganz scharf. Dazwischen wuchsen im Sommer Blumen und Zuckermelonen für die Vermarktung in Gutshausküchen und umliegenden Landgasthöfen.
Nach seinem Abitur ging er auf eine Art Wanderschaft, bekam ein Buch über essbare Wildpflanzen in die Finger. „Da habe ich gecheckt, dass Löwenzahn oder Brennnessel, Sachen, die uns gratis umgeben, essbar und sogar noch gesünder sind, als biologisch angebautes Gemüse.“
So wurde sein Interesse an naturbelassenem Gartenbau geweckt. Er begann, Lebensmittel zu kochen und zu konservieren. „Eine Leidenschaft, Sachen selber zu machen, die wohl in mir steckte, war geweckt.“ In einer Berliner Gärtnerei und Hofgemeinschaft konnte Aaron erste Erfahrungen mit der Verschmelzung von Leben und Arbeiten sammeln. „Unter ganz einfachen Bedingungen haben wir 100 Menschen der Großstadt mit Gemüse versorgt“, berichtet er von seiner Begegnung mit der „solidarischen Landwirtschaft“ mit Marktverkauf und Edelgastronomie-Belieferung. Das war zwar keine Ausbildung im klassischen Sinne. „Aber ich habe sehr viel gelernt, was ich jetzt hier anwende.“
Die Förderung der Artenvielfalt liegt ihm am Herzen und ist Bestandteil seiner Art naturnahen Gärtnerns. „Wenn ich keine Spritzmittel benutze, muss ich Gegenspieler schaffen“, erklärt Göpper seine Herangehensweise. Seine Gurken hätten zwar Spinnmilben angezogen. Aber die wurden in Schach gehalten. „Es war immer jemand da, der die Schädlinge gefressen hat“, berichtet er. Bei seinen Experimenten erlebte er Irrtümer und Erfolge: „Meine Pflanzen gedeihen, Gurken und Tomaten schmecken!“
In seiner ersten Saison stimmte alles: Der ausgeruhte Boden der brachliegenden Gärtnerei und reichlich Sonne sorgten ohne Chemie in seinem Gartenreich für randvolle Gemüsekisten. Selbst die in die Jahre gekommene Bewässerung seines Glashauses leistete noch gute Dienste.
Sein reichlich herangewachsenes Gemüse vermarktet er direkt. Bereits nach kurzer Zeit beliefert er mehrere Gastronomen. Der Gärtnerei-Gründer kooperiert mit der Regionalvermarktungsinitiative Meck-Schweizer (Bauernzeitung 37/2018), die vom 50 km entfernten Gessin aus per Internet regionale Produzenten, Verarbeiter, Händler und Gastronomen vernetzt. Außerdem bringt sich der Gärtner vom Satower Eulenberg in das in Malchow gegründete Unternehmernetzwerk Seenplatte ein, wo er neue Abnehmer und Partner vor der Haustür findet.
Was er nicht frisch verkauft, wird zu Sugo (Soße) verarbeitet oder im eigenen Lehmofen mit der Restwärme vom Brotbacken getrocknet. „Schöner ist es natürlich, das Gemüse kommt frisch in den Mund“, schwärmt er und nascht eine kleine, gelbe Cocktailkugel direkt vom Strauch.
Spezialisierung in der Landwirtschaft: Lohnt sich das?Spezialisierung in der Landwirtschaft. Macht das wirklich Sinn? Oder doch lieber generelles Verständnis entwickeln?
Von Jan Soltau, Dr. Schwerdtfeger Personalberatung GmbH & Co. KG, Emstek
Für viele – ganz gleich ob mit frischem Studienabschluss in der Tasche und auf der Suche nach dem Berufseinstieg oder als erfahrene Fach- oder Führungskraft mit dem Wunsch nach einer neuen Perspektive – ist der Blick in die Stellenanzeigen in den Zeitungen oder Onlineportalen mitunter verwirrend.
Das Aufgabenprofil ist genau das, was man machen möchte – doch der Blick in die Anforderungen weckt Zweifel. Eine Vielzahl von Spezialkenntnissen und besonderen Fähigkeiten blickt einen hübsch aufgelistet an. Schnell fragt man sich dann, wie viel Spezialisierung der Arbeitsmarkt heutzutage eigentlich fordert.
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Die Arbeitswelt ist in einer massiven Umbruchphase. Das betrifft nicht nur den viel zitierten und mittlerweile auch in vielen Branchen angekommenen Fach- und Führungskräftemangel, sondern auch andere Themenfelder. Die Berufsbilder und Prozesse gewinnen an Komplexität. Wo früher ein Arbeitnehmer sich generalistisch um eine Aufgabe gekümmert hat, werden heute oftmals mehrere Spezialisten aktiv.
2017 gab es laut Bericht der Bundesarbeitsagentur „Blickpunkt Arbeitsmarkt – Ingenieurinnen und Ingenieure“ aus Februar 2018 alleine im Ingenieurwesen in Deutschland circa 81.000 freie Stellen, die nicht besetzt werden konnten. Parallel steigt auch der Bedarf an Spezialisten kontinuierlich an. Von 2016 auf 2017 erhöhte sich die Nachfrage – je nach Fachrichtung – um bis zu 16 %.
Betrachtet man die Unternehmen und ihre Strukturen genauer, so zeigt sich, dass gerade in größeren Unternehmen und in Konzernen die Arbeitsteilung und Spezialisierungsgrade in der Landwirtschaft sehr stark ausgeprägt sind. Es gilt: Je größer das Unternehmen, desto deutlicher ist die Spezialisierung der Mitarbeiter und Führungskräfte ablesbar. In kleineren und den für Deutschland so wichtigen und prägenden mittelständischen Unternehmen hingegen ist – gerade im Agrarbereich – die Arbeitsteilung oftmals nicht in einem so weitgehenden Maße ausgestaltet.
Flache Hierarchien, sowie Mitarbeiter und Führungskräfte, die breitgefächerte Aufgabenfelder bearbeiten und verantworten, sind der Regelfall und nicht die Ausnahme. Die überschaubareren Strukturen erfordern diese generalistische Aufgabenverteilung oftmals sogar. So übernehmen die kaufmännischen Leitungen in kleineren und mittelständischen Unternehmen ganz selbstverständlich oftmals auch Verantwortungsfelder wie die IT oder das Personalwesen, wenn es keine entsprechende Abteilungsleitungen gibt. Doch auch die kleineren und mittelständischen Unternehmen werden sich in den kommenden Jahren mit dem Thema Spezialisierung auseinandersetzen müssen.
Die Gründe hierfür sind vielfältig. Zum einen verändern sich die Kunden und ihre Erwartungen. Gerade im Agrarbereich erwarten Kunden heute Berater und Geschäftspartner, die mit ihnen auf Augenhöhe sprechen und mit Innovationen und Ideen die Weiterentwicklung eines Betriebes fördern können. Die Parteien sind fachlich besser ausgebildet und es wird kundenseitig vieles nicht einfach als Information hingenommen, sondern die Dinge werden zunehmend stärker hinterfragt.
Zudem entstehen durch globale Trends und sich verändernde Rahmenbedingungen wie die Digitalisierung, das autonome Fahren, Farming 4.0, Umweltschutz oder erneuerbare Energien – um exemplarisch nur ein paar Bereiche zu benennen – ständig neue Tätigkeits- und Aufgabenfelder, die aufgrund ihrer Komplexität oftmals nur von Spezialisten bearbeitet werden können.
So wird der Arbeitsmarkt in der Agrarbranche künftig zunehmend Experten aus der IT- oder Elektrobranche fordern, die gleichzeitig eine hohe Affinität für die Agrarbranche mitbringen. Ohne diese Fach- und Führungskräfte können sich die Unternehmen den Herausforderungen der Digitalisierung nicht mehr erfolgreich stellen, um mit dem technischen Fortschritt standhalten und in ihren Märkten erfolgreich sein zu können.
Auszubildende, Studierende und Berufserfahrene stellen sich vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen immer häufiger die Frage, ob und inwieweit eine Spezialisierung für sie und ihr Fortkommen im Beruf erforderlich und sinnvoll ist.
Hinterfragt man das Thema Spezialisierung in der Landwirtschaft einmal kritisch, wenn man sich gerade in einer Phase der beruflichen Veränderung befindet oder die Wahl eines Ausbildungs- oder Studienschwerpunktes bevorsteht, gilt es verschiedene Aspekte zu berücksichtigen.
So birgt eine Spezialisierung in der Landwirtschaft möglicherweise die Gefahr, dass man sich zu sehr festlegt und in seinen fachlichen Möglichkeiten beschränkt. Der Wechsel in andere – vielleicht sogar angrenzende – Fachgebiete kann sich schwierig gestalten, wenn man sich zuvor zu stark auf nur eine kleine Facette konzentriert hat. Dem lässt sich nur entgegenwirken, wenn man eben diese angrenzenden Bereiche auch trotz einer Spezialisierung weiterhin im Blick behält und die dortigen Entwicklungen und Trends weiter verfolgt, anstatt „betriebsblind“ zu werden. So kann man besser und frühzeitiger reagieren, wenn das eigene Fachgebiet technologisch überholt wird und plötzlich nicht mehr von Bedeutung ist. Der berühmte Blick über den Tellerrand sollte also auch für Spezialisten im ureigenen Interesse immer zur Tätigkeit dazugehören.
Spezialisierung erfordert zudem auch, dass man sich stetig in seinem Fachgebiet weiterbildet, um am Puls der Zeit und der Themen dranbleiben zu können und in der Lage zu sein, seine Fachkompetenz nachhaltig nutzen, einbringen und weiterentwickeln zu können. Das Thema Weiterbildung ist immer mit Aufwand – zeitlich und/oder kostentechnisch – verbunden. Auch dies ist ein Faktor, den man stets im Auge behalten sollte.
Wer zudem mit dem Gedanken spielt, im Laufe seiner Karriere Führungsverantwortung zu übernehmen und beispielsweise in der Geschäftsführung eines Unternehmens aktiv werden möchte, für den empfiehlt es sich, während der beruflichen Laufbahn mit der Spezialisierung nicht zu übertreiben.
Bei Leitungspositionen tritt das Erfordernis einer fachlichen Spezialisierung oder besonderer spezifischer Kenntnisse mit zunehmender Verantwortung gerade im Hinblick auf das Thema Personalführung proportional immer stärker zugunsten anderer Themen zurück. Diese sind dann beispielsweise die Kompetenz in der Führung, Motivation und Entwicklung von Mitarbeitern oder die Fähigkeit zur Entwicklung und Umsetzung von Strategien und Konzepten.
Die Spezialisierung ist oft ein Türöffner, wird allerdings im Laufe der Zeit den generalistischen Themen zunehmend weichen. Für diejenigen, die sich dennoch weiter auf ihr Spezialthema konzentrieren wollen, können sich Karrierechancen dann eher im Bereich der Fachlaufbahnen ergeben, die allerdings nicht mit Führungsverantwortung im klassischen Sinne verknüpft sind. Über diese Fragen sollte man sich vor der Wahl eines Studienschwerpunktes, dem Start ins Berufsleben oder einem Jobwechsel auf jeden Fall grundsätzlich Gedanken machen, damit man seine eigenen Ziele definieren und erreichen kann.
Es empfiehlt sich, für sich selbst zu klären, was man erreichen möchte und welche Tätigkeiten einem Freude bereiten, welche Inhalte einen langfristig interessieren und ob man grundsätzlich überhaupt Führungsverantwortung übernehmen möchte oder nicht.
Sieht man sich mehr als Spezialisten, der sich mit Leidenschaft intensiv in ein Thema arbeitet, beispielsweise in der ackerbaulichen Fachberatung oder der Produktentwicklung, oder vielmehr doch eher als einen kommunikativen Allrounder, der Abwechslung und vielfältige Herausforderungen braucht, sich durch schnelle, messbare Erfolge zu motivieren vermag und dessen Zukunft im Vertrieb liegt?
Bei der Definition der eigenen Ziele gilt es, einen genauen und ehrlichen Blick auf die persönlichen Stärken und auch die verbesserungsfähigen Bereiche zu werfen. Ist man Praktiker oder Theoretiker, ist man eher ein Zahlenmensch und begeistert sich für Daten und Fakten oder zeichnet man sich durch eine hohe IT-Affinität aus oder ist man vielleicht kommunikativ, gerne im Kontakt mit anderen Menschen und bringt besonders starke interkulturelle Kompetenz mit?
Wenn man sich nach all dem für eine Spezialisierung auf einen Bereich entscheidet, der im Trend liegt und in besonderem Maße zukunftsfähig ist, kann man durchaus sehr gute Aussichten auf einen interessanten Job und eine erfolgreiche Karriere haben. Trendthemen sind derzeit u. a. die bereits eingangs erwähnten Gebiete wie Farming 4.0 und Nachhaltigkeit. Aber auch in den klassischen Berufsbildern der Agrarbranche sind Experten gefragt. Gerade im Segment der Tierproduktion werden Kräfte mit Fachwissen benötigt, z. B. in der Futtermittelfachberatung oder als Geflügelspezialist.
In diesen Bereichen tragen ein hoher Spezialisierungsgrad und die damit verbundene besondere Fachkompetenz auch dazu bei, dass der eigene Marktwert sich mit zunehmender Erfahrung und wachsender Expertise deutlich steigern lässt.
Betrachtet man das Thema Spezialisierung in der Landwirtschaft in seiner Gesamtheit und wägt das Für und Wider ab, lässt sich festhalten, dass sie in vielen Fällen sinnvoll sein kann und sich auch dauerhaft auszahlen kann, wenn man die Risiken im Blick behält.
Um der Gefahr zu entgehen, als „Fachidiot“ zu enden, sollten Spezialisten immer wieder den Blick über den Tellerrand nicht nur wagen, sondern einfach machen und offenbleiben für Ideen, Innovationen und Denkanstöße aus anderen Fachgebieten. Zudem können sie sich neben den Themen, die sie zum Spezialisten machen, auch in anderen Feldern weiterbilden, wenn dies für ihre Karriere erforderlich ist, beispielsweise im Bereich Kommunikation, Personalführung oder der kaufmännischen Themen.
Die Arbeitswelt wird auch künftig sowohl Spezialisten als auch Generalisten brauchen. Das Verhältnis der Gruppen zueinander mag sich verändern, aber beide Gruppen werden Raum haben, um sich entwickeln und erfolgreich sein zu können. Unternehmen aller Branchen brauchen Mitarbeiter und Führungskräfte, um sich in ihren Märkten den Herausforderungen und Megatrends wie der Digitalisierung, der Globalisierung oder dem demografischen Wandel stellen und bestehen zu können.
➲ Landakademie: Online-Fortbildung
Spezialisierung in der Landwirtschaft ist wichtig und kann ein Karriereturbo sein. Aber sie funktioniert nur dann wirklich gut, wenn man das große Ganze weiter im Blick behält und sich so die Chance bewahrt, auf Veränderungen frühzeitig reagieren zu können.
Wer vor der Frage steht, sich für ein spezielles Fachgebiet entscheiden zu müssen, sollte sich und seine persönlichen Kompetenzen, Fähigkeiten und Ziele genau hinterfragen, bevor die finale Entscheidung getroffen wird. Wenn diese dann aber steht, gilt es den Weg mit Leidenschaft und Engagement in Angriff zu nehmen – ganz gleich, ob am Ende ein hoher oder ein geringerer Spezialisierungsgrad dabei herausgekommen ist.
Am Ende ist nicht allein nur die Entscheidung maßgeblich, sondern das, was man mit seiner Arbeit und Leistung daraus macht.
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