Sonnenblumen statt Mais?

Joachim Propp, Landwirt auf dem Schulzenhof in Bandow, unweit von Schwaan, schreitet einen seiner Blühstreifen mit Sonnenblumen ab. Neben leuchtend gelben Blüten lassen andere Pflanzen bereits die Köpfe, die Körbe, wie der Fachmann sagt, hängen. „Genau das ist das Problem. Es fehlt noch an ausreichend Sorten, die bis spät in den Herbst hinein gesund, ohne Pilzerkrankungen und damit auch standfest bleiben. Um so einen hohen Masseertrag zu garantieren“, erklärt der Landwirt, der innovativen Entwicklungen stets aufgeschlossen gegenübersteht. Deshalb hat sich der ehemalige Mitarbeiter der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei an einem von der ebenfalls in Gülzow ansässigen Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) unterstützten Versuchsanbau beteiligt.

Von Jürgen Drewes

Mais Paroli bieten

Frithjof Oehme koordiniert das FNR-Projekt in Kooperation mit der Universität Hohenheim und der KWS Saat AG. Der Zuchtspezialist für landwirtschaftliche Nutzpflanzen aus dem niedersächsischen Einbeck beschäftigt sich bereits seit Jahren intensiv mit der Weiterentwicklung von Sonnenblumen als Energiepflanze. Der Mittelpunkt des von der Fachagentur finanziell unterstützten Projekts ist, herauszufinden, inwieweit sich vorhandene Sorten für einen Anbau speziell in Norddeutschland eignen, bzw. inwieweit die Züchter hier noch gefordert sind, neue, leistungsstärkere Sorten hervorzubringen. Das große Ziel, was dabei verfolgt wird, ist, dem Mais als aktuellen Rohstoff Nummer eins beim Einsatz in Biogasanlagen zukünftig einmal Paroli zu bieten und dabei auf den Feldern wieder für mehr Vielfalt zu sorgen.

Durchaus Chancen

Landwirt Propp, der neben seinem Ackerbau auch eine kleine Mutterkuhherde hält und Pferdezucht betreibt, räumt im Ergebnis der jetzt abgeschlossenen Förderperiode der Sonnenblume durchaus Chancen ein, diesem Anspruch gerecht zu werden. „Das Öl in den Körben wirkt wie ein Turbo. Zudem reichen Sonnenblumen mit einer Höhe von fast fünf Metern zunehmend auch im Masseertrag an die Maisergebnisse heran“, so die Bilanz des Pflanzenbauexperten. Und Propp hebt noch einen weiteren Vorteil der Sonnenblume hervor im Bestreben der weit verbreiteten Monokultur Mais künftig ein ebenbürtiger Konkurrent zu sein.

Angesichts der aktuellen EU-Agrarpolitik, fünf Prozent der Nutzfläche in jedem Unternehmen im Zuge des sogenannten Greenings ökologisch zu bewirtschaften, bieten sich Blühsteifen unter anderem um Maisfelder an. Eine weitere Möglichkeit sind Sonnenblumen in Mischkultur und nicht nur in Reinkultur. Die Technik für Aussaat und Ernte der Ölpflanzen ist praktisch identisch. Propp hat es schon praktiziert. Schon in den vergangenen Jahren hat er immer wieder verschiedene Saatmischungen mit unterschiedlichen Genotypen erfolgreich getestet, bei denen die Sonnenblume stets einen wesentlichen Anteil hatte.

Mit Nebeneffekt

Neben den gesammelten Erfahrungen hatte das auch noch einen erfreulichen Nebeneffekt für ihn: Wenn nach der Rapsblüte für die Bienen auf den Feldern kaum noch etwas zu holen ist, füllen die Sonnenblumen die Lücke im Nahrungsangebot. „Das kommt Imkern und Landwirten gleichermaßen zugute“, argumentiert Projektbegleiter Propp. Und hofft in diesem Zusammenhang auf eine wirkungsvolle Unterstützung seitens der Politik. Nach seiner Erkenntnis ist der Zuchtfortschritt bei den Sonnenblumen auf Basis des Versuchsanbaus in verschiedenen Regionen Deutschlands noch nicht soweit, um wirtschaftlich mit dem Mais Schritt halten zu können. „Aber auf einem guten Weg, der unbedingt weitergegangen werden sollte“, gibt Propp die künftige Marschrichtung vor.

Neue Hybridsorte

Dabei denkt er vor allem an das Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum, kurz EPLR, im Zusammengehen mit den Agrarumweltmaßnahmen für die Förderperiode 2014 bis 2020. Unterstützung kommt aus Berlin. Der Förderschwerpunkt „Integration von Bioenergie in zukünftige Energieversorgungssysteme“ wird aus dem Energie- und Klimafonds der Bundesregierung finanziert. Und durch die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe in Gülzow betreut.

„Wir sind auf einem guten Weg der Sonnenblume im Energiepflanzenanbau zum Durchbruch zu verhelfen“, zeigt sich Projektchef Oehme optimistisch. Eine neue, ertrags- und leistungsstarke Hybridsorte wurde bereits vom Bundessortenamt anerkannt. Sie zeichnet sich vor allem durch gute Kombinationseigenschaften aus. Dazu gehören hohe Biomasseerträge und Ölgehalte, eine gute Standfestigkeit und die verbesserte Zusammensetzung vergärbarer Inhaltsstoffe in den Stengeln. Sie machen den wesentlichen Anteil an der Pflanze aus. Je eher die Aussaat im Frühjahr, desto höher der Ertrag, so eine weitere Erkenntnis. Dabei wurden Spitzenerträge von bis zu 280 dt/ha erreicht. Der Durchschnittsertrag ist allerdings bislang nur halb so hoch. Insgesamt wurden allein in den vergangenen drei Jahren 770 Testhybriden an vier Standorten auf ihre Anbaufähigkeit hin untersucht. Zuvor hatten Züchter auf massewüchsige Genotypen in Genbanken zurückgegriffen.

1552 hatten die Spanier die Sonnenblume von Amerika nach Europa gebracht. Zunächst wurde sie lediglich als Zierpflanze angebaut. Erst 300 Jahre später nutzten als erste Russen sie als Öllieferant. Statt anfangs knapp 30 % weisen die heutigen „high-Oleic“-Sonnenblumenzüchtungen einen Ölsäuregehalt von bis zu 90 % auf. Ähnliche Erfolge sollen nun auch mit Blick auf die Entwicklung als Energiepflanze erzielt werden. Massenwüchsige Sonnenblumensorten mit hohen Fettgehalten in Hauptfruchtstellung sind das Ziel.