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Agrarstrukturgesetz: Ablehnung auf breiter Front

Der in Sachsen-Anhalt vorliegende Entwurf zum Agrarstrukturgesetz darf keinesfalls im Landtag „durchgewunken“ werden. Das fordern zahlreiche land- und forstwirtschaftliche Landesverbände.

Seit Wochen beschäftigt der Entwurf eines Agrarstrukturgesetzes für Sachsen-Anhalt den land- und forstwirtschaftlichen Berufsstand und seine Verbände. Die Regierungsfraktionen hatten den Gesetzentwurf im November in den Magdeburger Landtag eingebracht. Die Kenia-Koalitionäre erhalten nun auf breiter Front Gegenwind: Ein starkes Bündnis von Interessenvertretungen der Landnutzer und des ländlichen Raums lehnt sowohl den Gesetzentwurf als auch das Leitbild für die hiesige Landwirtschaft ab. Und zwar vehement. In einer gemeinsamen Stellungnahme übermittelten die Organisationen gestern ihre Haltung zum Gesetzentwurf an die Mitglieder der Fraktionen.


Acker

Agrarstrukturgesetz auf dem Weg

Die Koalitionsfraktionen in Sachsen-Anhalt haben jetzt einen Gesetzentwurf zum Agrarstrukturgesetz in Landtag eingebracht. Darin wurden die Regularien zum Grundstücksverkehr überarbeitet, und der Erwerb von Unternehmensanteilen wird zustimmungspflichtig. mehr


Verbände der Landnutzer lehnen Leitbild ab

In der Positionierung zum Agrarstrukturgesetz, das im März den Landtag passieren soll, kritisieren die Verbände, dass das vorhandene und dem Gesetz zugrunde gelegte Leitbild Landwirtschaft weder ein Leitbild der Koalition sei, noch eines, dass von den unterzeichnenden Landnutzerverbänden auch nur ansatzweise getragen werde. Es werde, da es nicht mit den Unterzeichnern abgestimmt sei, in Gänze abgelehnt. Die Fraktionen wurden aufgefordert, dieses Leitbild als Gesetzesgrundlage umgehend zurückzuziehen.

Die Ziele des Gesetzentwurfs seien angefüllt mit tendenziösen Behauptungen und würden in dieser Form von den Unterzeichnern nicht mitgetragen. Ein Grundstücksverkehr, der laut der Agrarstatistik des Landes zuletzt jährlich etwa ein Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche umfasste, rechtfertige nicht einen „politisch motivierten Rundumschlag“ in einem Agrarstrukturgesetz, der in seiner Form bestehende und bewährte Strukturen in Mitleidenschaft ziehen werde.

Die Verbände erwarten, dass im Land Sachsen-Anhalt und auch auf Bundesebene eine Rückkehr zu einer „guten und unterstützenden Agrar- und Forstpolitik“ erfolgt, die sämtliche Unternehmen, unabhängig von ihrer Betriebsausrichtung oder Größe, und den gesamten Sektor mit seinen Beschäftigten fördert. Die Politik permanenter nicht entlohnter gesetzlicher und verordnungsrechtlicher Einschränkungen und Eingriffe in das Eigentum wirtschaftender Betriebe und deren Verpächter müsse beendet werden. Diese Politik schwäche den ländlichen Raum nachhaltig und sei absolut nicht förderlich.

Erste und Zweite GAP-Säule kein „Spielgeld“

Weiter fordern die Verbände eine nationale Umsetzung der künftigen Gemeinsamen Agrarpolitik in der EU ohne weitere Alleingänge von Landesministerien. Die europäischen Mittel der Ersten und Zweiten Säule der Agrarpolitik seien für die Betriebe kein „Spielgeld“. Wer bei den Direktzahlungen ansetze und einkommenswirksame Komponenten reduziere, schwäche die etablierte regionale Agrarstruktur in ihrer Vielfältigkeit und mache sie wirtschaftlich anfällig.

Erwartet wird zudem, dass von allen regierungstragenden Fraktionen zur Kenntnis genommen werde, dass der gesamte landwirtschaftliche Sektor ein hoch kapitalintensiver Wirtschaftszweig ist, der nicht nur eingebunden ist in komplexe Marktbeziehungen. Landwirtschaftliche Unternehmen stünden heute vor vielen Herausforderungen, unabhängig ihrer Größe oder rechtlichen Ausgestaltung. Sie unterlägen vielfältigen finanziellen, wirtschaftlichen und vertraglichen Beziehungen zu ihren Verpächtern, Mitarbeitern, Lieferanten und Abnehmern und nicht zuletzt den sie finanzierenden Banken. Eingriffe in die vorhandene Wirtschafts- und Agrarstruktur führten zu Strukturbrüchen, die nicht gewünscht sein dürften.

Für die Verbände stellt sich grundsätzlich die Frage, warum nicht auf die Möglichkeit zurückgegriffen werde, vorerst durch konsequente Anwendung des vorhandenen Grundstücksverkehrsgesetzes und des Landpachtverkehrsgesetzes respektive Novellierungen dieser Gesetze auf dem Verordnungswege die politisch geäußerten unbefriedigenden Zustände auf dem Bodenmarkt besser zu steuern.

Agrarstrukturgesetz dürfe nicht „durchgewunken“ werden

In das weitere Gesetzgebungsverfahren werden sich die Verbände wie gewohnt fachlich fundiert einbringen. Ein Gesetz mit dieser Brisanz und Auswirkungen für kommende Generationen und die Entwicklung der ländlichen Räume in Sachsen-Anhalt dürfe aber keinesfalls zum Ende der Legislatur einfach „durchgewunken“ werden, weil das Gesetz im Koalitionsvertrag steht. Das „Für und Wider“ müsse in der gebotenen Tiefe in Rede und Gegenrede mit den Betroffenen ausgiebig erläutert werden.

Unterzeichner der gemeinsamen Stellungnahme zum Agrarstrukturgesetz sind die Landesorganisationen von Bauernverband, Bauernbund, Agroservice & Lohnunternehmerverband Nordost, Arbeitsgemeinschaft der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer, Familienbetriebe Land und Forst, Land- und Forstwirtschaftlicher Arbeitgeberverband, Genossenschaftsverband – Verband der Regionen, Fachprüfungsverband von Produktivgenossenschaften, Landjugendverband, LandFrauenverband, Pächterverband, Schweinewirtschaftsverband, Waldbesitzerverband, Weinbauverband und  Wirtschaftsverband Eier und Geflügel.