Die Schwalbenbäuchigen Mangalitza-Schweine bringen häufig zwischen vier und sechs Ferkel auf die Welt. Ihre gestreiften Ferkel sehen Frischlingen zum Verwechseln ähnlich.(c) Silvia Kölbel

Wollschweine: Speck unter der Wolle

Bei Familie Steudel in Thüringen ist alles gut durchdacht: Schweine halten Mäuse in der Holzplantage in Schach. Schafe pflegen die Christbaumkultur.

Von Silvia Kölbel

Kay Steudel aus Moschwitz in der Nähe von Greiz in Ostthüringen, hätte sich nie im Leben träumen lassen, dass er einmal Wollschweine im Freiland hält. Seine Entscheidung entstand auch eher aus der Not heraus, wie er berichtet.

Gleich hinter seinem Wohnhaus steckte er vor elf Jahren etwa 2.000 Pappelstecklinge in den Boden. Daraus sollten Bäume wachsen, deren Holz er für seine Hackschnitzelheizung verwenden wollte. Mit einem Gegner hatte er dabei allerdings nicht gerechnet: Wühlmäuse. „Als ich mit dem Traktor durch die Reihen gefahren bin, um zu grubbern, sprangen die Mäuse nur so aus ihren Löchern. Sie fraßen die frisch angewurzelten jungen Bäume einfach ab. Das Problem war nicht beherrschbar. Also habe ich mich schlau gemacht, wie man auf natürlichem Weg der Mäuseplage Herr werden könnte. So kam ich auf die Schweine“, berichtet Steudel von den Anfängen seiner Freilandhaltung.

Der Plan ging auf

Die Theorie bestand darin, dass die Schweine durch ihre Wühltätigkeit die Mäuse vertreiben. Der Plan ging auf. Auf der Holzplantage gibt es kaum noch Mäuse, dafür Schlammkuhlen, Unterstände und eine doppelte Einzäunung. Die ist bei Schweinen in Freilandhaltung Pflicht. Ein Wildschutzzaun umgibt das gesamte Gelände, ein Elektronetz bildet Zaun Nummer zwei. Die Tiere haben vor dem Strom Respekt. Trotzdem muss Kay Steudel seine Elektronetze regelmäßig kontrollieren, damit die Schweine mit ihrer Wühltätigkeit den Zaun nicht zuschütten. Um die Schweine zu beschäftigen, kippt der Schweinehalter gelegentlich größere Mengen Laub in den Auslauf. „Sie durchwühlen das Laub sehr gründlich und finden garantiert jede Eichel und jeden Samen“, hat Steudel seine Tiere bei diesem Vergnügen schon oft beobachtet.

Unvergleichlich gut

Ganz bewusst hat er sich für die Mangalitza Wollschweine entschieden und zwar für die schwalbenbäuchigen. „Das sind die schwarzen, die gefallen mir am besten. Es gibt auch noch blonde und rote. Seit einiger Zeit gilt jeder Farbenschlag als eigene Rasse. Früher zählten alle Farben zu einer Rasse“, weiß der Züchter, der sich mit der Geschichte der Rasse beschäftigt hat. Auf jeden Fall stammen die Tiere ursprünglich aus Ungarn. Die dichte Behaarung, die sie für die Freilandhaltung prädestiniert, brachte der Rasse auch den Namen „Wollschwein“ ein. Die Mangalitza werden auch oft als Speckschweine bezeichnet. Die Ungarn züchteten sie, als Fett noch ein begehrtes Nahrungsmittel war. Diese Speckschicht war später dann aber auch der Grund für ihren Rückgang. Heute gelten sie als vom Aussterben bedroht.

Kay Steudel sieht den Speck nicht als Nachteil. Im Gegenteil. Der Geschmack des Specks sei unvergleichlich gut. Er verkauft vor allem lebende Tiere. Die Nachfrage sei ungebrochen gut. Selbst nach dem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland konnte er Ferkel an Kunden abgeben. Neben den Mangalitza-Wollschweinen lebt auch noch eine Duroc-Sau im Gehege. Zurzeit zählt der Bestand eine Mangalitza-Sau mit ihren acht Ferkeln sowie zwei schlachtreife Tiere. Bis die Tiere ihre Schlachtreife erreicht haben, vergehen mindestens zwei Jahre. Dann bringt jedes 150 kg auf die Waage. Jungtiere, die als Spanferkel verkauft werden, sind meist zwischen einem halben und einem dreiviertel Jahr alt.

Der Vorteil der Rasse liege vor allem in der extensiven Haltung, die auch darin besteht, nur wenig zufüttern zu müssen. „Im Durchschnitt rechne ich pro Tier ein Kilogramm Futter am Tag, das aus Getreideschrot und Erbsen besteht. Ferkelführende Sauen bekommen entsprechend mehr.“

Falscher Alarm

Die Schwalbenbäuchigen Mangalitza-Schweine bringen häufig zwischen vier und sechs Ferkel auf die Welt. Nicht nur, dass die gestreiften Ferkel wie Frischlinge des Schwarzwildes aussehen – selbst die Elterntiere kann der Unwissende auf den ersten Blick mit Wildschweinen verwechseln, was tatsächlich schon vorkam: „Als die Schweine noch relativ neu waren, erhielt ich Anrufe aus dem Dorf, in meiner Plantage würden sich Wildschweine aufhalten.“ Inzwischen wissen es die Dorfbewohner besser.

Seit die Schweine die Mäuseplage bekämpft haben, würden die Bäume so gut wachsen, dass der Plantagenbesitzer mit dem Ernten kaum hinterherkommt. „Man rechnet einen Hektar pro Einfamilienhaus. Ich habe fast das Doppelte. Das bedeutet, dass ich in den letzten beiden Jahren gar nichts ernten musste, weil mein Vorrat noch ausreichend groß ist.“

Die Pappeln setzt Steudel beim Ernten auf den Stock zurück. Sie treiben dann wieder aus. 30 Jahre betrage das Regenerationsvermögen der Bäume, so stehe es in der Literatur. Die Hackschnitzel lässt der Hausbesitzer an der Luft trocknen. „Das Prinzip ähnelt dem eines Komposthaufens. Bei einer Schütthöhe von bis zu sechs Metern bildet sich so viel Wärme, dass der Trocknungsgrad zum Heizen ausreicht.“ Gelagert werden die Hackschnitzel unter einem Vlies. Die Pappelernte selbst erfolgt schneisenweise.

In Jahren mit durchschnittlichen Niederschlägen wachsen die Pappeln etwa drei Meter. In den zurückliegenden Trockenjahren war es gerade einmal die Hälfte an Zuwachs. Für Steudel ist das aber kein Problem. Denn die Fläche sei groß genug, um das Haus zuverlässig mit Heizmaterial zu versorgen.

Im Hause Steudel, zum dem noch Ehefrau Simone und die beiden Kinder gehören, heißt die Devise bei der Tierhaltung, alles so effektiv wie möglich zu gestalten. „Wir sind beide berufstätig, arbeiten 40 Stunden die Woche. Wenn ich im Winterhalbjahr von der Arbeit komme, ist es dunkel und ich muss die Schweine mit der Sturmlampe füttern. Ich bin außerdem noch Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr und in der Kirchgemeinde leite ich den Posaunenchor.“ Steudel ist beruflich im Gartenbau tätig und arbeitet dort mit Menschen mit Behinderung.

Um den Arbeitsaufwand zu Hause möglichst gering zu halten, setzen Steudels bei den Gänsen und Enten verstärkt auf Naturbrut. Die drei Flugenten liefern auf diese Weise zwischen 20 und 30 Küken pro Jahr. Perlhühner halten Steudels, weil sie die Eier gern essen.

Erst vor Kurzem eingezogen ist ein Hund der Rasse Cane da Pastore Maremmano-Abruzzese. Die immer noch recht lange Kurzform lautet Maremmen-Abruzzen-Schäferhund, ein aus Italien stammender Herdenschutzhund. Askam heißt der Welpe, der später einmal auf die Familie und die Tiere aufpassen soll. Ebenfalls mit einer wichtigen Aufgabe bedacht sind die Shropshire-Schafe, vier Muttertiere, ein Bock und die Lämmer. Sie halten die 2,5 ha große Weihnachtsbaumplantage, die Steudel gemeinsam mit einem Geschäftspartner betreibt, von aufwachsenden Gräsern frei.

Für den Küchentisch

Bei der Erweiterung der Tierhaltung gehe es in erster Linie um den Nutzen für die Familie. In diesem Jahr planen Steudels etwa Masthähnchen zu halten, um Abwechslung auf den Küchentisch zu bringen. Auf Mitgliedschaft in Zuchtvereinen verzichtet Kay Steudel. „Der Aufwand wäre mir einfach zu groß. Ich kaufe aber gern die Tiere bei einem Züchter.“

Tiere selbst zu halten, finden Steudels übrigens nicht nur für die Selbstversorgung sinnvoll. „Dadurch lernen die Kinder den Kreislauf kennen und sie sehen, dass ein Tier später in der Pfanne landet“, erklärt der Familienvater. Seine Kinder helfen zwar bei der Versorgung der Wollschweine mit, zeigen im Moment aber kein außergewöhnliches Interesse an eigener Tierhaltung. Das müsse aber nichts heißen. Denn: „Ich bin in der Stadt aufgewachsen, aber auf dem Hof meiner Großeltern hatte ich Kontakt zu allen möglichen Tieren.“ Doch der Sinn nach Tierhaltung sei bei ihm auch erst viel später gekommen.