Der Ziegenstall mit Schleppdach ist nach drei Seiten hin offen.

Melken auf dem Ziegenhof

Beim Melken auf dem Ziegenhof der Familie Schubert wird nicht nur der Kosten wegen auf Technik verzichtet. Der Betrieb im sächsischen Vogtland bevorzugt Kreuzungstiere und will seine Direktvermarktung ausbauen.

Von Silvia Kölbel

Obwohl Familie Schubert Ziegen hält und diese zweimal täglich melkt, findet sich auf dem Hof in Kleinzöbern im Vogtlandkreis keine Melkanlage, nicht einmal eine mobile. Schuberts, das sind Hendrik, der den kleinen Nebenerwerbsbetrieb führt, sein Bruder Aaron, Vater Jens und Mutter Britta – sie alle melken die Ziegen mit der Hand und zwar aus wirtschaftlichen Gründen, wie Hendrik Schubert betont. „Für zehn Ziegen lohnt es nicht, eine Maschine zu kaufen, das rechnet sich erst ab 25 Tieren. Und beim zeitlichen Vergleich mit dem Handmelken muss die Zeit fürs Vorbereiten und Reinigen der Technik berücksichtigt werden“, sagt der Landwirt, der sein Studium in Dresden mit dem Bachelor abschloss. Der 26-Jährige arbeitete ein paar Jahre in einem Biobetrieb als Herdenmanager und ist heute als Landmaschinenverkäufer tätig.

Start im Haupterwerb

Die Landwirtschaft hat bei den Schuberts eine lange Tradition. Die Urgroßeltern gründeten den Hof. Aaron (29) und Hendrik bewirtschaften ihn in vierter Generation. Vater Jens begann 1995 als Wiedereinrichter im Haupterwerb. Die Rinderseuche BSE und ein Unfall bremsten ihn aus. 2000 zogen auf dem Hof die ersten Ziegen ein. „Damals war es schwierig, reinrassige Thüringer Wald Ziegen zu bekommen. So kamen auch Weiße und Bunte Deutsche Edelziegen dazu“, erinnert er sich. Eine gute Entscheidung, wie sich später herausstellte. „Die Kreuzungstiere sind sehr robust“, sagt der Senior-Chef. Beim Aufbau der kleinen Schafherde konnten sich die Familienmitglieder nicht auf eine Rasse einigen. So steht jetzt u. a. ein Milchschaf neben einem Fuchsschaf auf der Weide, das von einem Shropshire-Bock gedeckt wird. Auch hier stellte sich eher beiläufig heraus, dass die Kreuzungen ihre Vorteile haben.

Vater Jens mit Söhnen und den Hofhunden.
Vater Jens mit Söhnen und den Hofhunden.

Rassetiere sucht man auf dem Ziegenhof auch sonst vergebens. Die Kaninchen, die der Eigenversorgung dienen, sind ebenfalls aus verschiedenen Rassen entstanden. Und sogar die Hündin, selbst ein Mischling, hat jetzt einen kunterbunten Wurf Welpen – von einem reinrassigen Spitz! Hühner sowie Enten und zeitweise ein, zwei Mastschweine komplettieren den Tierbestand.

Ihre Ziegen halten Schuberts in einem Offenstall mit Schleppdach, dessen Bauweise eigenen Ideen entstammt. Die Stallung ist nur zu einer Seite hin geschlossen. Über den Köpfen der Tiere ist genug Platz, um Heuballen zu lagern. Das Heu gewinnen die drei Männer auf den Wiesen hinterm Haus, ebenso das Grünfutter, das die Ziegen im Sommer bekommen. Lammzeit ist im Februar und März. Meist bringen die Ziegen zwei, manchmal drei Lämmer auf die Welt. Die kleinen Wiederkäuer stehen ganzjährig im Stall, aus Sicherheitsgründen. Auf der Weide erwiesen sich die Milchziegen als sehr geschickte Ausbrecher. „Es ist eine stark befahrene Straße in der Nähe. Das Risiko, dass etwas passiert, ist einfach zu groß“, sagt Jens Schubert. Auch der zeitliche Aufwand spielt eine Rolle. Zudem streifte schon ein Wolf durch den Nachbarort und riss Nutzvieh. Die Ziegen auf dem Hof zu sichern, ist einfacher als auf der Weide.

Die Familie bewirtschaftet 5 ha Grünland, 4 ha Wald und 0,5 ha Acker. Auf dem Feld wachsen vornehmlich Gemüse und Kartoffeln. Die seit vielen Jahren angebaute rotschalige, hellfleischige Sorte stammt vermutlich aus Rumänien. Was aber viel wichtiger ist: „Die Knollen sind sehr groß. Und gesund“, betont Jens Schubert. Alles Gemüse muss im Herbst vom Feld. „Sonst bedienen sich die Rehe.“ In diesem Jahr verspeisten die Waldtiere die Buschbohnen.

Ziege wird handgemolken.
Das Handmelken beherrschen alle Mitglieder der Familie.

Was über den Eigenbedarf hinaus an Gemüse heranwächst, wird verkauft, ebenso lebende Tiere. Für die eigene Zucht kommen vor allem leicht melkbare, zutrauliche Ziegen in die engere Wahl. Beim Handmelken spielt die Melkbarkeit die Hauptrolle, gefolgt von der Größe der Zitzen, die sich gut fassen lassen müssen. Das Melken selbst sieht spielerisch leicht aus. „Zum Melken der Ziegen braucht eine Person eine Viertel- bis eine halbe Stunde“, erzählt Jens Schubert. „Das Handmelken habe ich allen Familienmitgliedern beigebracht.“ Diese Methode sei für das Euter die schonendere, ist er sich sicher. Da die Ziegen auf dem Hof recht alt werden, ist auch eine lange Melkbarkeit bedeutsam. Zutraulich und ruhig sollten die Tiere sein: „Es ist wichtig, dass sie beim Melken stehenbleiben und nicht treten – weder nach dem Melker, noch nach dem Eimer.“

Zur Zucht ausgewählte Jungtiere trennt Schubert von der Mutter und zieht sie mit der Hand auf, damit von Anfang an eine enge Mensch-Tier-Bindung entsteht. Das klinge komplizierter als es ist, denn Ziegenlämmer trinken recht schnell aus dem Eimer, ohne dass es einer Nuckelflasche oder eines Nuckeleimers bedarf, erklärt er.

Etwa zwei Liter Milch täglich gibt jede Ziege während der Laktation. Noch ist die Verarbeitung der Milch vor allem eine Familiengeschichte. Während Frischmilch bevorzugt Menschen mit Kuhmilchunverträglichkeit schätzen, ist die Verarbeitung zu Käse noch einmal eine andere Nummer. „Wir tasten uns gerade an die Käseherstellung heran. Wir haben zuerst Bücher hierzu gekauft und dann begonnen, die Milch zu Mozarella und Frischkäse zu verarbeiten. Wir haben verschiedene Rezepte ausprobiert. Dabei gab es auch Rückschläge. Es gelang nicht alles gleich auf Anhieb“, berichtet Hendrik Schubert. „Geplant ist der Aufbau einer Direktvermarktung“, berichtet der junge Landwirt, der bereits einen VierseitenHof im Ort gekauft hat, in dem die Räume der Direktvermarktung mit Käsereitechnik entstehen sollen.

Viel Nachbarschaftshilfe

Die beiden Brüder mit dem Traktor.
Die beiden Brüder mit dem Traktor.

Zur Kartoffelernte laden die Schuberts stets Freunde und Bekannte aus dem Dorf und der Kirchgemeinde ein. „Das ist bei uns dann wie früher. Wir lesen die Knollen gemeinsam auf. Anschließend gibt es ein Picknick auf dem Feld“, berichtet Jens Schubert. Das dörfliche Miteinander wird in Kleinzöbern mit seinen etwa 70 Einwoh
nern großgeschrieben. Schuberts helfen teils ehrenamtlich, teils gegen einen kleinen Obolus bei der Pflege des Friedhofsgeländes im Ort und im Nachbardorf Dröda. Beim Beräumen von Käferholz aus dem Forst unterstützen sie Waldbesitzer, die dies aus eigenen Kräften nicht leisten können. Steht im Dorf die Obsternte an, tauschen die Bewohner mit Nachbarn, was sie selbst zu viel haben. „Wir hatten dieses Jahr eine große Pflaumenernte, mehr als wir verarbeiten konnten. Also haben wir die Pflaumen gegen Birnen getauscht, die bei uns fehlten“, so Jens Schubert.

Die für die eigene Verwendung bestimmte Ernte verarbeitet Mutter Britta ganz klassisch zu Konserven. „Unsere Mutter kocht Kompott ein, macht Apfelmus und auch Marmelade“, berichtet Sohn Aaron. In Kleinzöbern, das zu DDR-Zeiten im Grenzgebiet lag, geht es also sehr bodenständig und familiär zu. Dass die Arbeitstage damit lang sind und erst enden, wenn alle Tiere und Pflanzen versorgt sind, versteht sich von selbst. Dieses selbstgewählte Leben mit Arbeit unter freiem Himmel bei Wind und Wetter ist aber nicht jedermanns oder besser gesagt: nicht jederfraus Sache. Das mussten die beiden jungen Männer schon mehrfach feststellen. „Es ist für uns hier auf dem Dorf nicht einfach, eine Partnerin zu finden“, sagt Hendrik Schubert.