Mit Hundenachwuchs unter der Regenjacke: Nebenerwerbslandwirtin Katharina Jaeschke.

Liebe auf den ersten Blick

Einmal um die halbe Welt gereist, ist Katharina Jaeschke in Neu Heinde angekommen. Sie kümmert sich um seltene Ziegen und Schafe und betreibt zusammen mit ihrer Mutter ein Hofcafé und Ferienwohnungen.

Von Jürgen Drewes (Text und Fotos)

Am Anfang war eine Anzeige: Gehöft in Neu Heinde im Landkreis Rostock zu verkaufen. Das war 2017. Nur gut, dass sich Katharina und Anke Jaeschke zu dieser Zeit den deutschen Nordosten schon gut erschlossen hatten. Mit wiederholten Aufenthalten auf Usedom und in der Mecklenburgischen Schweiz beispielsweise.

Ein Haus mit Geschichte

Mit Hundenachwuchs unter der Regenjacke: Nebenerwerbslandwirtin Katharina Jaeschke.
Mit Hundenachwuchs unter der Regenjacke: Nebenerwerbslandwirtin Katharina Jaeschke.

Geboren in Niedersachsen, mit familiären Wurzeln in Bielefeld, wusste die damals 23-jährige Katharina gleich, dass das irgendwo im Herzen Mecklenburgs ist, unweit von Teterow. Was beim ersten Besuch vor Ort folgte, war Liebe auf den ersten Blick. Ein großes Haus, gebaut von Menschen, die hier in den 1930er-Jahren ein ehemaliges Gut aufsiedelten. Drum herum ein großer Garten und zehn Hektar Land. Fast alles Weide, kaum Acker. Gerade verlassen von den letzten Besitzern, die einen Pferdehof aufbauen wollten. Das Projekt scheiterte. Genauso wie das Vorhaben anderer Eigentümer Jahre zuvor, eine Straußenfarm zu betreiben. Zu DDR-Zeiten hatte zuletzt ein Tierarzt hier sein Zuhause. Alles Geschichte, verbunden mit Geschichten von Familien. Katharina und ihre Mutter Anke Jaeschke haben sie gehört und starteten vor drei Jahren ihre eigene Vision.

Ihre fachliche Ausbildung erhielt Katharina Jaeschke im Rahmen des dualen Studiums an der Fachhochschule in Neubrandenburg und an der Fachschule für Agrarwirtschaft in Güstrow-Bockhorst. Praktische Erfahrungen sammelte sie fernab der Heimat, in Kanada und Wales, oder auch im neuen Umfeld, bei Landwirten im Landkreis Rostock. Immer dabei: Schafe. Und Hunde. In Kanada Huskys, die Begleiter jetzt haben gerade siebenfachen Nachwuchs. Fiby, die Herdenschutz
hündin, ist unersetzlich. Die Wölfe kommen immer näher, sagt die Landwirtin.

besondere rassen

Drei Kaschmirziegen und 28 Schafe wissen Fibys Einsatz zu schätzen. Bislang ist nichts passiert. Die Schafe gehören zu einer seltenen Rasse; Wensleydale, wegen ihrer korkenzieherartig gedrehten langen Wollsträhnen auch Longwools genannt. Während die Preise für Wolle im Keller sind, kann Katharina Jaeschke die Nachfrage kaum bedienen. Wer beim Stricken oder Gestalten kreativ sein will, kommt an dieser Wolle nicht vorbei – und zahlt einen guten Preis. Es gibt schon Vorbestellungen für 2022.

Geschoren werden die Schafe von ihrer Besitzerin selbst. Ganz klassisch, mit der Handschere. Elektrisch betriebene Technik ist tabu. Das wissen auch andere Halter zu schätzen, die ihre Schafe gern von Katharina Jaeschke scheren lassen wollen. Sie kann längst nicht allen Nachfragen nachkommen. Der Hof, der Garten, die 800 Himbeersträucher, die gepflanzt, und die Schafe, die versorgt sein wollen und dann ist da noch LouLou, die auf einen Ausritt wartet, da bleibt kaum eine freie Minute.

die corona-zeit nutzen

Hilfreich ist Arbeitsteilung. Während sich die Nebenerwerbslandwirtin vorwiegend um ihre Tiere kümmert, hat ihre Mutter Anke für das touristische Angebot auf dem Hof mit vier Ferienwohnungen und einem Café den Hut auf. Gegenseitige Hilfe ist selbstverständlich. Zumal Katharina Jaeschkes Mutter noch hauptberuflich tätig ist. Doch längst ist das geschmackvoll eingerichtete Café auf dem Sophienhof ihre große Leidenschaft geworden. Mit ihrem Zweitvornamen Sophie ist die 64- Jährige Namensgeberin. Hier treffen sich Nachbarn und Leute aus den umliegenden Dörfern bis nach Rostock. Einmal im Monat geht es richtig rund. Mit einer großen Kaffeetafel und selbstgebackenem Kuchen. Die Windbeuteltorte ist für viele der Hit. Ein Künstler nutzt gerade die Möglichkeit, hier seine Bilder auszustellen und zum Kauf anzubieten.

Allein die Corona-Pandemie zwingt zu einer ungewollten Pause. Da fehlt auch in Neu Heinde der eine oder andere Euro aus dem Verkauf bzw. der Vermietung in der Kasse. Doch Katharina Jaeschke denkt wie immer positiv. Sie nutzt die gästefreie Zeit, um sich auf die Zeit nach Corona vorzubereiten. Eine eigene ländliche Manufaktur soll aufgebaut werden. Mit Konfitüren, Likören, Trockenobst, Fleisch und Wurstwaren, von all dem, was im Garten wächst bzw. auf der Weide grast. Partner sind bereits gefunden. Die Güstrower Lohnmosterei Fetkenheuer liefert Apfelsaft von Früchten aus dem noch kleinen Neu Heinder Obstgarten, der schon bald deutlich größer sein soll. Noch so ein Vorhaben der Nebenerwerbslandwirtin.

Die Fleischerei Becker in Schlieffenberg ist kompetenter Partner für die Schlachtung der Schafe und Lämmer und die Verarbeitung des Fleisches vom Sophienhof. Der Transportweg ist kurz, die Betriebe liegen nur gut zehn Kilometer auseinander. Gut für die Tiere, gut für die Umwelt!

Lernort bauernhof

Mit diesem Bild bedankte sich eine unbekannte junge Künstlerin für einen tollen Ferienaufenthalt in Neu Heinde.
Mit diesem Bild bedankte sich eine unbekannte junge Künstlerin für einen tollen Ferienaufenthalt in Neu Heinde.

Siegfried Martinmaas, der die Interessen der Nebenerwerbslandwirte im Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern vertritt, freut sich über das, was da in seiner Nachbarschaft wächst. Mitstreiter wie Katharina Jaeschke stehen für Vielfalt in der Agrarproduktion und im ländlichen Raum. Erst recht, wenn sich zur Arbeit im Haupt- und Nebenberuf noch ehrenamtliches Engagement gesellt. Gerade hat die Nebenerwerbslandwirtin mit Mitstreitern das Netzwerk „Lernort Bauernhof“ in Vereinsstrukturen münden lassen. Mit dem Ziel, Erwachsenen und Kindern, kompletten Schulklassen, zu zeigen, wie Landwirtschaft funktioniert, wo unser Essen herkommt. Zahlreiche Landwirte wollen auf ihren Höfen Interessenten genau das zeigen. Eigens dafür wurde eine neue Weiterbildungsmöglichkeit der Naturschule MV ins Leben gerufen: Bauernhofpädagogik für Landwirtinnen und Landwirte, gefördert von der EU. Auch hier engagiert sich Katharina Jaeschke. Lieber heute als morgen möchten die Beteiligten mit ihrem Projekt starten, wenn da bloß nicht die Coronaeinschränkungen wären. Alle hoffen in mehrfacher Hinsicht auf ein baldiges Frühlingsserwachen.

Für Katharina Jaeschke geht es spätestens im April wieder richtig los: Dann steht die Lammzeit an. Gerade hat der britische Rare Breeds Survival Trust die Wensleydales auf die Liste der besonders gefährdeten Rassen gesetzt. Da muss die Herde in Neu Heinde einfach wachsen. Erst recht, nachdem sie gerade ins Herdbuch des Landesschaf- und Ziegenzuchtverbandes aufgenommen wurde.