Wie klein auch immer, jede Drohne braucht eine Identifikationsnummer des „Piloten“ – jedenfalls dann, wenn sie mit einem Sensor bestückt ist, zum Beispiel mit einer Kamera. Und das Mindestalter für „Flieger“ ist bald 16 Jahre – außer bei Eigenbau- Drohnen. © Heinz Wraneschitz

EU-Drohnenverordnung: Ist der Flug bald vorbei?

Zu Jahresbeginn ist die neue EU-Drohnenverordnung in Kraft getreten. Eigentlich wollte Brüssel durch das Recht mehr Freiheit schaffen. Doch Deutschlands Regelungen führen zum Gegenteil.

Von Heinz Wraneschitz, Wilhermsdorf

Schon 2018 hatte der Bauernverband ermittelt, dass jeder zehnte Bauer ein oft Multicopter genanntes, ferngesteuertes Fluggerät einsetzt. Gehören Sie auch zu diesen inzwischen sicher mehr als zehn Prozent, die Drohnen professionell nutzen? Beispielsweise, um sich ein exaktes Bild vom Zustand Ihrer Pflanzen und Böden zu machen, um Eier der Trichogramma-Schlupfwespe abzuwerfen, die nach dem Schlupf als natürliche Gegenspieler des Maiszünslers wirken? Oder aber nutzen Sie eine Drohne, um in unwegsamem Gelände flüssige Pflanzenschutzmittel bedarfsgerecht auszubringen sowie um Rehkitze vor dem Erntetod zu bewahren? Falls dies für Sie zutrifft, dann könnte es sein, dass Sie bald Probleme bekommen – wenn nicht gar bestraft werden. Wie viele andere betroffene Gruppen auch, die möglicherweise kaum damit rechnen: Hausdach-, Windkraft- oder Freiflächensolaranlagen-Beflieger beispielsweise.

Kompetenznachweis auch für kleine Geräte

Unbemannte Luftfahrtsysteme – Unmanned Aircraft Systems, Kürzel: UAS – soll es bald mit bis zu 800 kg Zuladung geben. Dass solche Transportdrohnen, darunter die oft diskutierten Flugtaxis, angemeldet werden müssen und dass die Fernpiloten eine Lizenz brauchen, dürfte jedem klar sein. Aber bald ist bereits für kamerabewehrte Flugkörper der künftigen Kategorie C1, die bis zu 900 g schwer sein dürfen, der „Kleine Drohnenführerschein“ Pflicht; offiziell heißt er „EU-Kompetenznachweis“. Diese Regelung findet sich in der EU-Drohnenverordnung 2018/1139. Bei einem Online- Seminar hat Bernd Böhm vom Bayern-Lab Neustadt/Aisch vor ein paar Wochen mit dieser Information große Augen erzeugt.

Teilweise Flugkenntnisse erforderlich

Böhm berichtete auch über Drohnen jenseits der 900-g- „Consumer“-Kategorie C1: semiprofessionelle oder gar professionelle Fluggeräte der neu gefassten Kategorien C2, C3. Die dürfen bis zu 25 kg Abfluggewicht aufweisen, aber weniger als drei Meter Durchmesser. Um die zu steuern, ist nun meist das „EU-Fernpiloten- Zeugnis“ notwendig. Um diese Lizenz zu erlangen, sind der „Kleine Drohnenführerschein“ plus nachgewiesene Flugkenntnisse Voraussetzungen. Doch schon in Drohnen ab 80 g Abfluggewicht stecken jede Menge Details. Hierüber informierte Ronald Liebsch, für die technischen Standards beim großen Hersteller dji verantwortlich, bei einem Webinar des „BVZD – Der Drohnenverband“. So helfen sogenannte ADS-B-Receiver den Piloten bei ihrer „Pflicht, den Luftraum zu scannen: Sie informieren über Flugzeuge und Hubschrauber im Radius von 20 km. Und das schon bei Drohnen ab 250 Gramm“, also der Consumer-Kategorie C1.

Doch ob C1, C2, C3 oder offene Kategorie: Von der knappen halben Million Drohnen in Deutschland sind etwa 20.000 im kommerziellen Einsatz, vier Fünftel davon helfen bei der Vermessung. „Doch immer mehr kommen in Landwirtschaft, Energie, Anlagen- und Infrastruktur- Überwachung zum Einsatz“, weiß Liebsch. Viele fliegen schon teilweise automatisiert, auch wenn immer ein Pilot darüber wachen muss. Andererseits werden alle Drohnen von C1 bis C3 künftig ihre Identifikation abstrahlen müssen – DRI heißt das System. Für Liebsch hat „DRI das Potenzial, die Polizei gerade in der Stadt unnötig zu beschäftigen“. Denn das Signal kann per bald verfügbarer App von jedermann empfangen werden. Und wer sich beobachtet fühlt, könnte – trotz Fluggenehmigung durch das örtliche Luftamt – die Polizei alarmieren. Beide Behörden seien aber nicht miteinander gekoppelt, bemängelt Liebsch. Die Übergangsfrist für Alt-Drohnen reicht nur bis Ende 2022.

Pilotenlizenz nicht ausreichend

Zum Drohnenrecht selbst war bem BVZD-Webinar ebenfalls jede Menge zu erfahren. Der auch in Energie-Kreisen wohlbekannte Prof. Dr. Martin Maslaton aus Leipzig besitzt eine Pilotenlizenz für Geschäftsreiseflugzeuge und hat sich als Anwalt auch auf das Luftverkehrsrecht spezialisiert. Er bekennt seine Skepsis zur neuen EU-Drohnenverordnung. Die sollte eigentlich „das enorme wirtschaftliche Potenzial der Drohnen“ besser ausnutzen. Doch auch dank der hierzulande schleppenden Umsetzung erwartet Maslaton eher das Gegenteil: „Das wird nichts, das wird überhaupt nichts.“ So habe bislang der Bundestag noch nicht einmal das Umsetzungsgesetz beschlossen.

Auf jeden Fall sei aktuell das Drohnenrecht nicht mit dem ansonsten gültigen Luftverkehrsgesetz kompatibel, erklärt der Professor. Und was wohl jeden verwundert: „Jemand mit Pilotenlizenz darf keine Drohne fliegen.“ Deshalb musste auch Pilot Maslaton extra das EU-Fernpilotenzeugnis erwerben. Das Ziel der EU, im Drohnenrecht Standards durchzusetzen, findet er richtig. „Doch in der bemannten Luftfahrt hat das bis heute nicht geklappt.“ Noch dazu, als im Luftverkehr die Länderbehörden bislang viel zu sagen haben. Ein „Klarstellendes Schreiben“ des Bundesverkehrsministeriums ersetze aktuell das noch nicht verabschiedete Gesetz.

Kontakt zur Luftfahrtbehörde suchen

Maslaton empfiehlt auf jeden Fall allen Drohnenbetreibern, sich selbst und die Drohnen über ein Online-Portal beim Luftfahrtbundesamt (LBA) zu registrieren. Dann müsse der UAS-Betreiber der Kategorie „Offen“ „vor der Aufnahme des Betriebs weder eine Betriebsgenehmigung einholen noch eine Betriebserklärung abgeben.“ Anders bei der Betriebskategorie „Speziell“, also wenn beispielsweise über Menschenansammlungen geflogen werden soll: Hier ist für die meisten Flüge eine „Sora“ notwendig, eine „Specific Operations Risk Assessment“ genannte Risikobewertung der örtlichen Luftfahrtbehörde. Wichtig sei auch, zu klären, ob Drohnen von der Betriebshaftpflichtversicherung abgedeckt sind. Und natürlich, dass die Betriebsbeschränkungen der einzelnen Flug-Kategorien eingehalten werden.

Drohnen im Einsatz: Ohne Flugschein wird es teuer

Bayern-Lab-Mann Böhm empfiehlt allen Piloten, selbst für kleinere Drohnen unter 250 g Abfluggewicht – die sogenannte Kategorie C0: „Machen Sie den kleinen Drohnenführerschein!“ Denn einerseits sollten sich Drohnenpiloten ohnehin über die Vorschriften informieren – das gehe am besten online beim LBA. Und mit diesem Wissen seien auch die Multiple-Choice-Fragen für die kleine Flug-Lizenz zu beantworten, meint er. Zudem ist diese Prüfung auf der Webseite zurzeit sogar noch kostenlos: „Wie lange, sei dahingestellt.“ Wer das EU-Fernpilotenzeugnis für höhere Kategorien benötigt, kann dieses an einer von aktuell sechs Prüfstellen erlangen. Ist diese Lizenz nach „altem“ Recht erworben, muss die Prüfung nun noch einmal abgelegt werden.

Grundsätzlich gilt: Auf jedem noch so kleinen Flugmaschinchen muss die Pilotenregistrierung kleben. Einen gewichtigen Grund dafür nennt eine Sprecherin des LBA: „Wer gegen die Vorschriften verstößt, muss mit hohen Strafen rechnen: Es drohen Bußgelder von bis zu 50.000 Euro.“ Und – ja: Es betrifft nicht nur die „Großen“. Viele Unternehmen haben heute so ein Ding im Keller, das sie per Fernsteuerung in die Luft über Ihr Firmengelände steigen lassen können: Natürlich hat die Drohne eine integrierte Kamera. Selbst bei alten „Bestandsfliegern“, die noch nach anderen Gewichtsklassen sortiert sind. Mindestens ab 250 g Startgewicht ist auch für diese Geräte ein kleiner Drohnenführerschein künftig unerlässlich. Und dann sollten Sie sich sputen und sich oder ausgewählte Mitarbeiter bis Ende April als Drohnenpiloten beim LBA registrieren.

EU-Drohnenverordnung: Bürokratie nimmt wieder zu

Wer diesen Termin versäumt und trotzdem losfliegt, verstößt gegen die ab 1. Mai 2021 geltende EU-Drohnenverordnung. Jedenfalls immer dann, wenn das UAS nicht nur innerhalb, sondern auch über den Firmenzaun hinaus gesteuert wird, über PV-Felder, Wiesen, Straßen, Parkplätze, Hausdächer, Windkraftanlagen. Das gilt im Übrigen selbst bei kleinen Hubschraubern oder vierflügeligen Quadrocoptern, bei denen auf der Verpackung steht „Kein Spielzeug“: Hat das Dröhnchen einen Sensor wie etwa eine Kamera, schon muss das Dröhnchen mit einem Registrierungs-Etikett versehen sein, mit dem der Pilot identifiziert werden kann. Ein Zuhörer des BVZD-Webinars merkte nicht nur deshalb an: „Man kann nur den Kopf schütteln über solche Bürokratiemonster, die am Ende an sich selber scheitern.“

Ausnahmen gebe es natürlich auch. Aber nur für behördliche Drohnenpiloten, zum Beispiel von der Polizei, erläutert Prof. Maslaton. Ansonsten aber sieht er gerade bei Drohnen für Flüge der „Speziell“-Kategorie eine „Diskrepanz von Anspruch und Wirklichkeit: Es ist nicht der Fall, dass man Drohnen frei fliegen kann. Es wird alles auf professionelle Drohnenbetreiber hinauslaufen. Diese werden an Zulassungssystemen der modernen Luftverkehrswirtschaft nicht vorbeikommen.“


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